Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Verlassen der Unfallstelle, Verwendung eines Laser- bzw. Radarblockers und Entziehung der Lenkberechtigung aufgrund besonders schwer­wiegender Gefährdung von Verkehrsteilnehmern.

Verwendung eines Laser- bzw. Radarblockers

Geschwindigkeitsmessung: Der Tatbestand des § 98a Abs. 1 KFG liegt schon vor, wenn ein Radar- bzw. Laserblo
Geschwindigkeitsmessung: Der Tatbestand des
§ 98a Abs. 1 KFG liegt schon vor, wenn ein Radar-
bzw. Laserblo © Harald Dostal/picturedesk.com

Die Bezirkshauptmannschaft Landeck verhängte gegen den Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeugs eine Geldstrafe von 2.000 Euro, weil an dem Kraftfahrzeug vier Bauteile eines Radar- oder Laserblockers angebracht waren, obwohl Geräte oder Gegenstände, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, weder an Kraftfahrzeugen angebracht noch in solchen mitgeführt werden dürfen. Polizisten hatten die vier Bauteile – zwei Sensoren, einen Bedienteil und eine Störeinheit, aber keine für die volle Funktionsfähigkeit des Radar- oder Laserblockers erforderliche Steuereinheit – anlässlich einer Verkehrskontrolle bemerkt und beschlagnahmt. Dem Zulassungsbesitzer war schon im Jahr 2018 anlässlich eines Fahrzeugservices bekannt geworden, dass an dem Kraftfahrzeug ein Radar- bzw. Laserblocker angebracht war; er hatte daraufhin dessen Steuereinheit entfernen lassen.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies die Beschwerde gegen das Straferkenntnis ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass bereits die angebrachten vier Bauteile ausreichten, um die Verwaltungsübertretung gemäß § 98a Abs. 1 iVm § 134 Abs. 1 KFG zu begehen. Ob nach der vom Zulassungsbesitzer veranlassten Entfernung der Steuereinheit im Jahr 2018 erneut eine Steuereinheit eingebaut wurde, habe sich nicht feststellen lassen. Dies sei aber auch nicht erheblich, weil die volle Funktionsfähigkeit eines Radar- bzw. Laserblockers keine Strafbarkeitsvoraussetzung nach § 98a Abs. 1 iVm § 134 Abs. 1 KFG sei.
Der Zulassungsbesitzer erhob außerordentliche Revision und brachte vor, dass von der in § 98a Abs. 1 KFG vorausgesetzten Eignung, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören, erst dann ausgegangen werden könne, wenn das Gerät sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um solche Einrichtungen im Tatzeitpunkt zu beeinflussen oder zu stören. Nicht funktionsfähige Geräte oder Gegenstände seien dazu nicht geeignet und lösten daher keine Strafbarkeit nach § 98a Abs. 1 iVm § 134 Abs. 1 KFG aus.
Der Verwaltungsgerichtshof erachtete die Revision für zulässig und begründet: Für eine Strafbarkeit nach § 98a Abs. 1 iVm § 134 Abs. 1 KFG genüge die bloße Eignung eines am Kraftfahrzeug angebrachten oder in einem solchen mitgeführten Gegenstands, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören. Unwesentlich sei es daher, ob das Gerät tatsächlich in Betrieb genommen wurde. Nicht hinreichend geeignet sei jedoch ein Gegenstand, der erst durch weitere technische Maßnahmen in die Lage zu versetzen wäre, solche Störungen oder Beeinflussungen herbeizuführen.
Um somit von einer Strafbarkeit nach § 98a Abs. 1 iVm § 134 Abs. 1 KFG ausgehen zu können, darf die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht über die Eignung des im Fahrzeug verbauten Gerätes, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung tatsächlich zu beeinflussen oder zu stören, nicht im Ungewissen sein. Diese Eignung muss sich aus dem festgestellten Sachverhalt ableiten lassen.
Die vom Verwaltungsgericht getroffene Negativfeststellung zum Vorhandensein einer für die Funktionsfähigkeit des Radar- oder Laserblockers notwendigen Steuereinheit am Tag der Verkehrskontrolle genügt diesen Anforderungen nicht. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

VwGH Ra 2020/02/0259
21.3.2022

Verlassen der Unfallstelle

Der Fahrer eines mit Holz beladenen Lkws (samt Anhänger) näherte sich einem in der Gegenrichtung fahrenden Pkw grundlos in der Mitte der Fahrbahn. Der Pkw-Lenker bremste ab, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Obwohl er bis zum äußersten rechten Fahrbahnrand auslenkte, berührte er den Anhänger des Lkws am linken Außenspiegel, der wie der vordere und hintere Kotflügel des Pkws beschädigt wurde. Obwohl der Pkw-Fahrer sofort anhielt und die Warnblinkanlage einschaltete, setzte der Lkw-Fahrer seine Fahrt fort.
Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs verhängte gegen den Lkw-Lenker Geldstrafen von 220 und 150 Euro, weil er nach dem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten und nicht an der Sachverhaltsfeststellung mitgewirkt habe. Die gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ab.
Dagegen erhob der Lkw-Lenker außerordentliche Revision, die der Verwaltungsgerichtshof als teilweise zulässig und begründet erachtete: Die Revision zeige insofern eine grobe Fehlbeurteilung auf, als das Verwaltungsgericht sich nur auf die Aussage des Pkw-Lenkers gestützt habe. Dem stehe das unberücksichtigt gebliebene Vorbringen des Lkw-Lenkers gegenüber, dass sein Lkw und der Anhänger keine Beschädigungen aufgewiesen hätten und die Schäden am Pkw nicht von seinem Fahrzeug stammen könnten. Das Verwaltungsgericht hätte sich nicht mit dem Aufbau des Anhängers auseinandergesetzt und weder das Ladegut noch die Art der Beladung dargelegt. Auch hätte es näher auf die Schäden am Pkw eingehen müssen. Mit Witterungsverhältnissen und daraus möglicherweise folgenden Beeinträchtigungen der Sicht habe es sich ebenfalls nicht auseinandergesetzt.
Zur Erkennbarkeit des Verkehrsunfalls fehlen dem Erkenntnis eine Beweiswürdigung und eine fachliche Auseinandersetzung, allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen. Es fehle eine genaue Darstellung jener Fahrstrecke, die der Lkw-Fahrer zurückgelegt haben soll, und es sei dem Erkenntnis nicht zu entnehmen, ob und wo der Lkw Holz geladen hat. Darüber hinaus sei der zwischen dem Unfall und der Erstattung der Anzeige verstrichene Zeitraum von mehr als einer Dreiviertelstunde nicht näher erörtert worden.
Zur Beurteilung der Frage, ob der an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligte Fahrzeuglenker den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerken hätte müssen, sei – wie das Höchstgericht seine diesbezügliche Rechtsprechung zusammenfasste – erforderlichenfalls das Gutachten eines technischen Sachverständigen einzuholen. Da sich die Beweiswürdigung im Revisionsfall als unzureichend erwies und das Verwaltungsgericht einen Sachverständigen hätte beiziehen müssen, war das Erkenntnis aufzuheben.

VwGH Ra 2020/02/0249
14.3.2022

Entziehung der Lenkberechtigung

Ein Lenker verstieß im einspurigen Karawankentunnel gegen das durch eine doppelte Sperrlinie markierte Überholverbot. Er überholte trotz Gegenverkehrs. Zwei entgegenkommende Fahrzeuge mussten abbremsen, um eine Kollision zu verhindern. Dem Lenker gelang es gerade noch, vor den beiden entgegenkommenden Fahrzeugen den Überholvorgang abzuschließen und sich wieder auf seiner Fahrspur einzuordnen. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn und – im Rechtsmittelweg – das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg entzogen ihm daraufhin die Lenkberechtigung für acht Monate.
Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, ein einspuriger Tunnel sei durch besonders beengte räumliche Verhältnisse gekennzeichnet, weshalb bei einem Unfall eine erhöhte Gefährdung der beteiligten Personen und eine erhöhte Explosionsgefahr bestehen. Im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber den Überholvorgang überdies durchgeführt, obwohl schon erkennbar gewesen sei, dass sich Gegenverkehr aus kurzer Distanz näherte. Er habe damit die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bewusst in Kauf genommen und ein Verhalten gesetzt, das an sich geeignet gewesen sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Wegen der schwerwiegenden Gefährdung der Verkehrsteilnehmer, die sich aus dem Fahrmanöver ergab, und der daraus erkennbaren Rücksichtslosigkeit des Lenkers sei die Verkehrszuverlässigkeit nicht schon nach der Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten, sondern erst nach acht Monaten wieder gegeben.
Dagegen erhob der Lenker außerordentliche Revision und brachte vor, die Festsetzung der Entziehungsdauer beruhe auf einer Prognoseentscheidung, bei der die Wertungskriterien gemäß § 7 Abs. 4 FSG heranzuziehen seien. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei allerdings uneinheitlich, weil sie nicht konkret ausführe, was alles in dieser Prognose zu berücksichtigen und wie diese Prognose mit den Strafbemessungskriterien des Strafgesetzbuches in Einklang zu bringen sei.
Laut dem Verwaltungsgerichtshof war dem Zulässigkeitsvorbringen keine konkrete Rechtsfrage zu entnehmen, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhängig wäre. Die Revision war daher zurückzuweisen.

VwGH Ra 2022/11/0043
21.3.2022

Valerie Kraus/Bernhard Krumphuber


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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