Gewaltkriminalität

Erfahrung und „a G’spür“

Spektakuläre Fälle, ein ungelöster Fall in zehn Jahren und eine der höchsten Aufklärungsquoten in Österreich: Wie die Mordkommission arbeitet, zeigt das Beispiel der Gruppe Leib und Leben des Landeskriminalamts Niederösterreich.

Landeskriminalamts Niederösterreich. Mordermittlung: In vielen Fällen führen am Tatort aufgefunde Sachbeweise zur Ausforschung eines Täters
Landeskriminalamts Niederösterreich. Mordermittlung:
In vielen Fällen führen am Tatort aufgefunde
Sachbeweise zur Ausforschung eines Täters
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Ein Einbrecher aus Südamerika wurde nach zwei Jahren Ermittlungsarbeit unter anderem auf Grund von Hinweisen aus Österreich im Sommer 2007 in Deutschland ausgeforscht und festgenommen. Er hatte in Deutschland und Österreich innerhalb von zehn Jahren cirka 1.000 Einbrüche verübt. Er brach vorzugsweise in Villen ein und wendete dabei die Fensterbohrer-Methode an, indem er ein Loch in das Fenster bohrte, durch das er einen Stab einführte und damit den Fenstergriff drehten konnte. Der Verdächtige verübte mehrere Mordversuche und erschoss in Hamburg einen Hausbesitzer, der ihn beim Einbruch überrascht hatte. Die Ermittlungen gegen den Täter in Niederösterreich leitete Chefinspektor Hannes Fellner, BA MA, Leiter der Gruppe Leib und Leben des Landeskriminalamts.

Tatort Oberwaltersdorf, August 2022. Ein zunächst unbekannter Täter tötet eine Frau in einem Wohnhaus in Oberwaltersdorf. Der Ehemann des Opfers gab an, er hätte während während der Tatzeit Frühstück in einem nahegelegenen Supermarkt besorgt. Ermittler der Gruppe Leib und Leben konnten sein Alibi jedoch widerlegen und er gestand schlussendlich die Tötung seiner Frau.

Hohe Aufklärungsquote.

Mordermittlung: In vielen Fällen führen am Tatort aufgefunde Sachbeweise zur Ausforschung eines Täters
Mordermittlung: In vielen Fällen führen am Tatort
aufgefunde Sachbeweise zur Ausforschung eines Täters
© Polizei Rheinland Pfalz

Durchschnittlich vier bis zehn Mordfälle und etwa zehn Mordversuche werden von den zehn Beamten der Gruppe Leib und Leben des LKA NÖ jährlich bearbeitet. Sie sind zuständig für Tötungsdelikte und schwere Formen der Gewaltkriminalität, bedenkliche Todesfälle, Erpressungen, Geiselnahmen, erpresserische Entführung, strafbare Handlungen gegen die Freiheit, Vortäuschungen unter bestimmten Voraussetzungen und Todesfälle bei Großereignissen wie Zugsunglücken oder Flugzeugabstürzen. Ein Team mit hoher Aufklärungsquote. Seit 2012 findet sich lediglich ein bis heute ungeklärter Fall aus dem Jahr 2019. Das war ein besonders blutiges Jahr, in dem insgesamt 13 Morde begangen wurden. Der Fall: Im Oktober 2019 wurde der 61-jährige Franz U. in seinem Haus in Vösendorf leblos aufgefunden. Trotz zahlreicher Hinweise, umfangreicher Polizeiarbeit und unzähligen Befragungen bleibt dieser Fall weiterhin ein Rätsel. „Alle ungeklärten Morde in NÖ werden immer wieder einer Evaluierung unterzogen, oft auch mit gruppenübergreifenden Teams“, erklärt Brigadier Stefan Pfandler, seit Juli 2022 Leiter des LKA NÖ. Vieles deutet darauf hin, dass Franz U. das Opfer einer sogenannten Home-Invasion wurde – eines Raubüberfalls, bei dem die Täter auf den Bewohner treffen und die Lage eskaliert. Eine Form der Opfer-Kriminalität, die in Österreich relativ selten vorkommt.

Mordermittlung: Am Beginn jeder Ermittlung steht die Besichtigung des Tatortes sowie die Sicherung von Spuren
Mordermittlung: Am Beginn jeder Ermittlung steht die Besichtigung des Tatortes sowie die Sicherung von Spuren
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Motiv „Beziehung“.

Wobei die Motive völlig unterschiedlich sein können. „Wir verzeichnen nach wie vor eine hohe Rate an Frauenmorden – zumeist Beziehungstaten, manchmal mit mehreren Mordopfern, darunter auch Kinder“, berichtet Hannes Fellner. „Oft gibt es eine Gewaltvorgeschichte mit ,klassischen‘ Motiven wie Eifersucht oder patriarchalisches Denken, demnach die Frau dem Mann untergeordnet sei. Vielfach sind wir mit Mord und anschließendem Selbstmord konfrontiert. Hier oft mit älteren Tätern und Opfern, wo vielfach Überforderung mit der persönlichen Situation, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit dahintersteckt. Morde geschehen auch aus finanziellen Motiven, oder es gibt Taten ohne Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer als Eskalation situativer Konflikte. Oft ist der Verlauf einer kriminellen Handlung anders geplant und endet – etwa, wenn der Täter eines Einbruchs überrascht wird oder sich das Opfer eines Raubes oder eines Sexualdelikts anders als erwartet verhält – mit einem tödlichen Angriff. Oft zu beobachten sind psychische Vorgeschichten der Täterinnen und Täter und nach wie vor auch Gewalttaten mit Hintergrund Schwerkriminalität aus der Suchtgift- oder Rotlichtszene oder im Rahmen von Schutzgelderpressungen.“

DNA ist nicht alles.

Die DNA als Sachbeweis spielt bei den Ermittlungen eine wichtige Rolle
Die DNA als Sachbeweis spielt bei den Ermittlungen
eine wichtige Rolle © Screenshot

Am Beginn einer jeden Mordermittlung steht meist die Besichtigung des Tatortes, „um sich einen Überblick über das Geschehen und die beteiligten Personen zu verschaffen. Gleichzeitig werden von der Tatortgruppe Spuren gesichert“, erklärt Fellner. Die DNA als Sachbeweis spielt heutzutage eine große Rolle. „Beispielsweise wurden in der Arbeit der ARGE Fensterbohrer von den Ermittlern und Tatortbeamten der Landeskriminalämter Niederösterreich und Wien neue Methoden der Tatortarbeit bei ,Fensterbohrer-Einbrüchen‘ getestet und angewendet. Dadurch konnte die Qualität der Spuren schlagartig verbessert werden und die ;Spur‘ des reisenden Täters viel schneller nachvollzogen werden“, berichtet Fellner.
„Man darf nicht vergessen, dass auch zu einem DNA-Treffer eine Vielzahl an Ermittlungen notwendig sind, um z. B. die Beweiskette ,schließen‘ zu können, sagt Pfandler. „Als Ermittler sollte man sich daher niemals nur mit einer DNA-Spur zufriedengeben.“ In dieser Phase der Ermittlungen richtet sich der Fokus der Beamten zunächst auf die gewissenhafte Tatortarbeit und Spurensicherung durch die Tatortgruppe. Hier wird der Grundstein gelegt für eine spätere Beweisführung.

Erste Tage sind entscheidend. Weiter geht es mit der klassischen Polizeiarbeit – „mit ersten Befragungen etwa von Zeugen, um Informationen über das Opfer und ein mögliches Motiv, sowie allfällige potenzielle Tatverdächtige zu erhalten,“ erklärt Brigadier Pfandler. Das Tatgeschehen wird rekonstruiert, Fallcharakteristika herausgearbeitet und ein erstes Täterprofil erstellt. „Ergeben sich dabei Anhaltspunkte zur Ausforschung eines Tatverdächtigen, werden zumeist Maßnahmen bei der Staatsanwaltschaft beantragt.“ Die ersten drei Tage stellen eine sehr wichtige Phase dar. Nicht nur für die Beweissicherung und Tatortarbeit, da mitunter Beweise unwiederbringlich verloren sein können. „Viele Details können auch für die Obduktion der Leiche oder bei anderen Verletzungsbildern relevant sein“, sagt Fellner. „Es gilt, Absprachen von Zeugen und sonstigen Verfahrensbeteiligten zu verhindern. Außerdem sind die Wahrnehmungen der Zeugen dann noch präsenter. Problematisch ist in Österreich und auch anderen europäischen Ländern die Verfügbarkeit von Telekommunikations- und Internetdaten – hier wäre eine Verbesserung erforderlich von Speicherfristen, grundsätzliche Auskunftserfordernisse bei Providern, anderen Anbietern von Diensten, Verfügbarkeit von Daten, die von internationalen Unternehmen mit Sitz in den USA, etc. angefordert werden müssen.“

TV-Krimi versus Realität.

Hier lässt sich bereits erkennen, dass die tatsächliche Arbeit einer Mordkommission mit einem TV-Krimi nicht vergleichbar ist. „Abgesehen davon, dass jeder Fall im Fernsehen immer in spätestens eineinhalb Stunden ohne viel Schreibarbeit gelöst wird, konzentriert sich der Kommissar auch nur auf einen Fall. In unserem Ermittlungsbereich werden stets Ermittlungen in mehreren großen und ,kleineren‘ gewaltrelevanten Fällen gleichzeitig geführt“, erklärt Fellner. „Darüber hinaus nimmt das ,Tagesgeschäft‘ einen umfangreichen, aber wichtigen Teilbereich unserer Arbeit ein: Etwa die Unterstützung für Polizeiinspektionen in Form von kooperativer Fallbearbeitung sowie Schulungen von Kolleginnen und Kollegen in den Bezirken, Vorträge in der Kriminalbeamtenausbildung, E2a-Kursen sowie die Teilnahme und Organisation an internationalen Aus- und Weiterbildungen, Fallbesprechungen mit Tatortermittlern, Sachverständigen oder Kollegen des Bundeskriminalamts, Termine bei Staatsanwaltschaften und Gerichten zur Aktenbesprechungen, Vorbereitung für Hauptverhandlungen und Zeugenaussagen, etc.“

Steigerung der Brutalität bei Gewalttaten: Als Tatwaffen werden immer öfter Messer eingesetzt
Steigerung der Brutalität bei Gewalttaten: Als Tatwaffen werden immer öfter Messer eingesetzt
© Mr Korn Flakes - Stock-adobe.com

Ermittlungs-Methoden.

Im wirklichen Leben kommt es in weiterer Folge zur Umsetzung der Maßnahmen und zu ersten Vernehmungen. Im Fokus der Ermittler steht das Opfer und dessen Umfeld, das Tatgeschehen und das mögliche Motiv. „Parallel dazu werden die gesicherten Spuren laufend ausgewertet, um be- oder entlastende Ergebnisse zu Tatverdächtigen zu erhalten“, sagt Pfandler. „Das Ziel einer Vernehmung ist es, durch gute Vorbereitung, einen wahrheitsgetreuen Ablauf von den Geschehnissen zu erhalten bzw. Widersprüche oder Unwahrheiten in den Aussagen zu erkennen und somit im Idealfall durch gezieltes Nachfragen und Konfrontieren ein Geständnis zu erwirken“, erklärt Pfandler. Ob jemand lügt, ist auch für die Ermittler nicht immer so einfach zu erkennen. Wenn, dann am ehesten durch körpersprachliche Signale oder mittels Abgleich mit Ermittlungsergebnissen.
„Ganz wichtig ist jedoch immer noch die Erfahrung der Ermittler“, sagt Pfandler. Bis zu einem gewissen Grad hat auch jeder Ermittler seinen persönlichen Stil, bedingt durch die eigene Persönlichkeit. „In der Praxis ist es für den Erfolg einer Vernehmung von erheblicher Bedeutung, dass eine gewisse ,Sympathie‘ zwischen dem vernehmenden Beamten und dem Tatverdächtigen aufgebaut wird. Die Vernehmung sollte führen, wer einen guten Zugang zum Vernehmenden findet oder durch Vorgespräche bereits hat. Das ist aber nicht unbedingt mit der aus Filmen bekannten Taktik ,Bad Cop,Good Cop‘ vergleichbar, da die im Film gezeigten Methoden in der polizeilichen Realität zumeist strafrechtliche oder disziplinäre Folgen für die handelnden Beamten zur Folge hätten.“

Paragraf 5 Lockspitzel.

Das ist in der Realität klar gesetzlich geregelt: „Die Polizei darf bei ihrem gesamten Handeln grundsätzlich nur jene Befugnisse ausüben, für die es eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung gibt. Dabei ist jedenfalls immer die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es gilt demnach nicht der Grundsatz: Ich darf alles, was nicht ausdrücklich verboten ist“, erklärt Fellner. Das demonstriert etwa § 5 Abs. 3 der StPO, der sogenannte „Lockspitzel“ oder „agent provocateur“, der besagt, dass niemand etwa durch Täuschung zur Begehung einer Straftat veranlasst, geradezu überredet werden darf.

Neue Ermittlungsmethoden stoßen bei uns stets auf offenes Gehör. Vor allem in den Bereichen des Internets, Messenger-Dienste, Social Media oder DNA muss jede Ermittlerin, jeder Ermittler sich weiterbilden“, sagt Pfandler. Informationsaustausch mit ausländischen Dienststellen ist unerlässlich. Erst im Dezember 2022 hat Hannes Fellner gemeinsam mit Thomas Greis von der SIAK und Udo Stattmann vom Bundeskriminalamt ein internationales Seminar für neue Ermittlungsmethoden bei Mordermittlungen mit Vortragenden aus den USA und über 100 nationalen und internationalen Teilnehmern organisiert.
An Brutalität hätten die Straftaten in den letzten Jahren laut Pfandler nicht zugenommen. ,Brutale‘ Morde und Gewalttaten gebe es immer wieder. Hier würden oft die Medien für Schlagzeilen hochspielen. Eine Tendenz ließe sich aber erkennen: „Im Bereich der nieder- und mittelschwelligen Gewaltdelikte kam es in den letzten Jahren zu einer Steigerung der Brutalität. So wird etwa bei Raufereien gegen den am Boden Liegenden noch getreten oder ein Messer sehr viel häufiger eingesetzt, da solche Waffen offensichtlich von jungen Personen oft auch nur beim ,Fortgehen‘ getragen werden und daher verfügbar sind.“

Operative Fallanalyse.

Ist nun ein Täter ermittelt, wird die Fallanalyse nochmals evaluiert – ein wichtiger Teil der heute stets angewendeten Operativen Fallanalyse (OFA). Methoden, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts den Naturwissenschaften entnommen wurden und für mehr Effizient und Professionalität in den noch nicht auf einem solch hohen Niveau befindlichen kriminalistisch-kriminologischen Methoden sorgen sollten. Im BKA Wiesbaden in Deutschland begann man seit den 1980er Jahren, internationale fallanalytische Verfahren, die als „Profiling“ bekannt geworden waren, kritisch zu untersuchen und deren Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse zu prüfen. Hieraus wurde das Instrumentarium der Operativen Fallanalyse entwickelt – die heute bei grundsätzlich jedem Fall von den Ermittlern angewendet wird. „Fallbezogen findet hier auch eine Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt statt“, sagt Pfandler.

Zu den spektakulären Ermittlungsfällen in Niederösterreich zählen der „Wilderer von Annaberg“, der drei Polizisten und einen Sanitäter tötete sowie die Serienmörderin Elfriede Blauensteiner, die als „schwarze Witwe“ in die Kriminalgeschichte einging
Zu den spektakulären Ermittlungsfällen in Niederösterreich zählen der „Wilderer von Annaberg“,
der drei Polizisten und einen Sanitäter tötete sowie die Serienmörderin Elfriede Blauensteiner, die als
„schwarze Witwe“ in die Kriminalgeschichte einging
© Robert Jäger/Apa/Picturedesc.com, Herbert Pfarrhofer/Apa/Picturedes.com

Erfahrung und „a G’spür“.

Dennoch, bei all der Methodik, Analytik und Technik von heute, einen guten Ermittler zeichnen immer noch „Interesse, Ausbildung, Fortbildung, Hartnäckigkeit, Belastbarkeit und a richtiges „G’spür“ aus“, wie der LKA-Chef weiß. Denn den typischen Täter gibt es nicht. Forschungen im Bereich Täterpsychologie zeigen, dass grundsätzlich „Jeder“ in einer gewissen Situation dieses Potenzial haben dürfte. „Klassische“ Täter seien vor allem im Bereich der häuslichen Gewalt zu finden. Hier meist als Zusammentreffen von mehreren Risikofaktoren wie Gewaltspirale, Alkoholkonsum, finanzieller Situation und Kränkung. „Und es gibt natürlich auch immer wieder Taten mit „klassischen“ Motiven, wie Sexualmord, Raubmord, Mord aus Hass, Auftragsmord oder auch Morde ohne erkennbaren Grund“, sagt Brigadier Pfandler.
Wer also Mordermittler werden möchte, braucht neben dem vorauszusetzenden Interesse am Bereich Gewaltermittlung, „das Bewusstsein einer 24/7-Einsatzbereitschafft, Teamplayer-Eigenschaften, kriminalistische Erfahrung bzw. die Bereitschaft zur Weiterbildung, insbesondere in den Bereichen IT, Internetkommunikation, OSINT (Open Source Intelligence) und einiges mehr“, sagt Pfandler. Man müsse sich der Herausforderungen dieses Jobs bewusst sein: „Mitunter gesetzliche und technische Barrieren, Defizite bei der Internetüberwachung, Log-Daten, oft über mehrere Wochen und Monate intensive Ermittlungsarbeit mit wenig freien Tagen und psychischer und physische Belastung – hier ist es wichtig, die Motivation, auch bei zwischendurch negativen Erlebnissen, hochzuhalten.“

Mord als analoges Delikt wird auch im Zeitalter von Cybercrime nicht verschwinden, ist Hannes Fellner, der Chef der Einheit überzeugt. „Die Ermittlungsansätze verändern sich, auch die internationalen Bezüge nehmen zu. Besondere Aufmerksamkeit ist möglichen Trends zu widmen wie OK-Kriminalität, importierte Kriminalität, mafiöse Strukturen und daraus resultierenden Revierkämpfen. Die Initiativen und Entwicklungen aber auch im Bereich der häuslichen Gewalt ist eine der wichtigsten Aufgaben aller Beteiligten, damit in diesem Bereich bereits im Vorfeld Gewaltentwicklungen früher erkannt und entsprechend Hilfe geboten werden. Hier hat es in den letzten Jahren sehr gute Entwicklungen von den verschiedenen involvierten Institutionen und Behörden gegeben. Eine ständige Aufmerksamkeit und die Umsetzung weiterer wichtiger Punkte, beispielsweise die flächendeckende Versorgung mit Gewaltschutzambulanzen, sollte aber in naher Zukunft erfolgen, um die bereits wirklich gute Lage in Österreich weiter auszubauen bzw. voranzubringen.“

Zu den spektakulären Ermittlungsfällen in Niederösterreich zählen Elfriede Blauensteiner, eine Serienmörderin, die als „schwarze Witwe“ in die österreichische Kriminalgeschichte eingegangen ist, der Bürgermeister von Spitz, der mit Mon Cherie vergiftet wurde und seither im Wachkoma liegt, der Wilderer von Annaberg, der drei Polizisten und einen Sanitäter tötete oder der Fall Josef Fritzl, der seine Tochter von 1984 bis 2008 in einer unterirdischen Wohnung gefangen hielt. Auch der österreichische Serienmörder Jack Unterweger, der in seiner Haft zu schreiben begann und dadurch bekannt wurde, fiel in ihren Zuständigkeitsbereich.
Julia Brunhofer/Herbert Zwickl

LKA NÖ

Sonderkommissionen zu Mordfällen

  • Soko Unterweger: Die erste Soko zur Aufklärung eines Kriminalfalls überhaupt wurde in der „Causa Unterweger“ 1991 von Ermittlern aus NÖ, Wien, der Steiermark und Vorarlberg eingerichtet, um den Serienmörder Jack Unterweger zu fassen.
  • ARGE Fensterbohrer: Wurde 2005 aus Ermittlern der LKAs Wien, NÖ und Hessen gebildet – zur Ausforschung und Festnahme eines südamerikanischen Täters in Deutschland, der in Deutschland und Österreich innerhalb von zehn Jahren ca. 1.000 Einbrüche verübt hatte, dabei in Hamburg einen Hausbesitzer erschoss und mehrere Mordversuche verübte. 2007 wurde er festgenommen.
  • ARGE Kettenphantom: 2012 gebildet, als mehrere Bankdirektoren in NÖ in ihren Privathäusern überfallen, Angehörige als Geiseln genommen und die Tresoröffnung in der Bank erpresst wurde.

Spurensicherung

„Kommissar DNA“

Der Fall Jack Unterweger in den frühen 1990er-Jahren gilt als der Dienstbeginn von „Kommissar DNA“ in Österreich. Inzwischen wurde viel verbessert, neue technische Möglichkeiten besonders im Bereich der Sicherung und Auswertung der DNA wurden ausgelotet und spielen eine wichtige Rolle im Ermittlungsverfahren. Für das LKA NÖ ist die räumliche Nähe des DNA-Labors Mödling entscheidend. Seit 2012 müssen die durchschnittlich 3.000 Proben nicht mehr nach Wien oder Innsbruck geschickt werden, sondern können direkt in NÖ ausgewertet werden, in der Expositur der Landesklinikums St. Pölten-Lilienfeld, da hier schon immer die Leit-Pathologie lag.

Hannes Fellner: „Wir verzeichnen nach wie vor eine hohe Rate an Frauenmorden – zumeist Beziehungstaten.“
Hannes Fellner: „Wir
verzeichnen nach wie vor eine
hohe Rate an Frauenmorden –
zumeist Beziehungstaten.“
© LKA NÖ

Zur Person

Hannes Fellner, 1970 geboren, ist seit 1992 in der Gewaltermittlung tätig. Er trat 1988 in die Bundesgendarmerie ein und versah Dienst im Gendarmerieposten Alland. Er wechselte drei Jahr später zur Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich. 2008 wurde Fellner zum stellvertretenden Leiter des Ermittlungsbereiches Leib/Leben im LKA NÖ und Ende 2018 zu dessen Leiter bestellt. Seine Schwerpunkte waren und sind die internationale Zusammenarbeit und Vernetzung. Von 2016 bis 2018 arbeitete er im österreichischen Verbindungsbüro bei Europol in Den Haag und absolvierte nebenbei an der FH Wien den Bachelor- und Masterstudienlehrgang „Public Management“.

Stefan Pfandler: „Die von Filmen bekannte Taktik ,Bad Cop, Good Cop‘ spielt es in der Wirklichkeit nicht.“
Stefan Pfandler: „Die von
Filmen bekannte Taktik ,Bad Cop,
Good Cop‘ spielt es in der
Wirklichkeit nicht.“
© LKA NÖ

Zur Person

Stefan Pfandler, 1966 geboren, absolvierte die dreijährige Polizeipraktikantenausbildung in Wien und verrichtete danach Dienst bei der Sicherheitswacheabteilung Donaustadt. Nach der Kriminalbeamtenausbildung war er im Sicherheitsbüro der Polizei Wien und bei der Sondereinheit für Observation tätig. 2000 bis 2001 absolvierte er die Ausbildung zum leitenden Kriminalbeamten. Von Juni 2010 bis zu seiner Bestellung zum LKA-Chef in NÖ war er Referatsleiter im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung. Pfandler absolvierte zahlreiche Ausbildungen, u. a. bei der National Academy des FBI in den USA sowie den Lehrgang „Polizeiliche Führung“ bei der FH Wiener Neustadt.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023

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