World Justice Project

Rechtsstaatlichkeit nimmt ab

Am Höhepunkt der Pandemie kam es laut Studienergebnissen zu einem stärkeren Rückgang der Rechtsstaatlichkeit
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Rechtsstaatlichkeit © Gerd Pachauer

Laut des „Rule of Law-Index“ 2022 nahm die Rechtsstaatlichkeit weltweit im fünften Jahr in Folge ab. Der Bericht wird seit 2009 jährlich vom „World Justice Project“ veröffentlicht und weist die skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden als Spitzenreiter aus.

Die Bilanz 2022 belegt laut Elizabeth Andersen, der Exekutivdirektorin des „World Justice Project“ (WJP), dass sich autoritäre Tendenzen der Vorjahre fortsetzen: „Mechanismen zur Kontrolle von Exekutivgewalten sind im Abnehmen begriffen und auch die Achtung vor Menschenrechten schwindet.“ Nachdem sich die globale epidemiologische Situation im Vorjahr gebessert hat, wurde ein weniger rapider Rückgang von Rechtsstaatlichkeit und staatlichen Eingriffen in gesellschaftliche Freiheiten beobachtet.

Am Höhepunkt der Pandemie kam es laut Studienergebnissen in den Jahren zuvor durch die Aktivierung staatlicher Notfallmechanismen und der Einschränkung ziviler Freiheiten zu einem stärkeren Rückgang der Rechtsstaatlichkeit. „Im Vorjahr ist die globale Gesundheitskrise stärker in den Hintergrund getreten, aber die Krise von schlechter Regierungsführung ist anhaltend“, erklärt die Exekutivdirektorin. „Laut Studienergebnissen leben 4.4 Milliarden Menschen weltweit in Ländern, in denen die Rechtsstaatlichkeit im Vergleich zum Vorjahr abgenommen hat.“ Seit 2015 haben die Achtung von Grundrechten und Grundfreiheiten in zwei Drittel aller untersuchten Länder abgenommen.
Vor allem bei Meinungsfreiheit wurde seit 2015 in 81 Prozent der untersuchten Länder ein deutlicher Rückgang beobachtet und auch die Versammlungsfreiheit (Rückgang von 85 Prozent) hat laut Studienergebnissen deutliche Einbußen erlitten.

Spitzenreiter mit einer starken Rechtsstaatlichkeit sind laut Jahresbericht 2022 die skandinavischen Länder Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden. Österreich befindet sich traditionellerweise im weltweiten Spitzenfeld, verlor im Vergleich mit 2021 zwei Plätze und liegt nun auf Rang elf. Die schlechtesten Bewertungen erhielten die Staaten Sudan, Myanmar, Haiti, Afghanistan und Nicaragua. Im Vergleich zum Vorjahr konnten die Länder Honduras, Kosovo, Belize, Moldau und die Vereinigten Staaten eine Verbesserung erzielen.

Der jährliche Bericht der Organisation „World Justice Project“ analysiert in 140 Staaten anhand von Umfragen in mehr als 150.000 Haushalten sowie mit 3.600 Experten und Juristen pro untersuchtes Land die Wahrnehmung von Rechtsstaatlichkeit. Der Bericht wird seit 2009 jährlich erstellt und misst 44 unterschiedliche Indikatoren für Rechtsstaatlichkeit, etwa das Ausmaß von Korruption, Achtung der Grundrechte, der Zivilgerichtsbarkeit und des Strafrechts.

Polizeiliches Handeln

Schutz des Kindeswohls

Polizeiarbeit zum Schutz von Kindern steht häufig in einem Spannungsfeld mit dem „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ (UN-Kinderrechtskonvention), wo etwa die besondere Berücksichtigung des Wohls (Art. 3) und des Willens (Art. 12) von Kindern gefordert wird. Emmanuel John von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen beschäftigte sich im Journal der Sicherheitsakademie mit der Frage, was dies für polizeiliches Handeln bedeutet: Die Befolgung dieser Grundsätze ist für Polizistinnen und Polizisten bei der Umsetzung von Dienstvorschriften und anderen Normen schwierig, zumal sie nicht verständlich machen, wie polizeiliches Handeln praktisch gestaltet werden sollte. Die Einbeziehung der Perspektive von Kindern sowie die Wahrnehmung ihrer Verletzlichkeit stellt unklare Herausforderungen an polizeiliches Handeln.

Die Polizei ist als Eingriffsverwaltung zu verstehen, die unter Achtung von Würde, Verhältnismäßigkeit und Verfahrensrechten die bestehende Rechtsordnung durchsetzt. Dem gegenüber stehen sozialpädagogische Berufe, deren Vertreter auf der Grundlage von Sozialgesetzbüchern Handlungen setzen und sich zuerst an den Perspektiven und Bedürfnissen hilfsbedürftiger Personen orientieren. Emmanuel John argumentiert, dass die Wahrnehmung des Kindes als Subjekt und die Wahrnehmung seiner Verletzlichkeit nicht allein von Polizistinnen und Polizisten geleistet werden sollte. Vielmehr brauche es Maßnahmen auf organisatorischer, politischer und gesellschaftlicher Ebene, die sicherstellen, dass in Zusammenwirken verschiedener Akteure der Kinderschutz gewährleistet wird.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023

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