Polizeigeschichte

Keine Ehe ohne Bewilligung

Sicherheitswachebeamter Ende der 1920er-Jahre in Wien: Bis 1964 mussten Exekutivbeamte vor der Verehelichung um eine Heiratserlaubnis ansuchen
Sicherheitswachebeamter Ende der
1920er-Jahre in Wien: Bis 1964
mussten Exekutivbeamte vor der
Verehelichung um eine
Heiratserlaubnis ansuchen
© LPD Wien/Polizeiarchiv

Sicherheitswachebeamte und Gendarmen waren bis 1964 verpflichtet, vor einer Eheschließung um eine Heiratsbewilligung anzusuchen. Das Verfahren wurde von den Wachkörpern unterschiedlich gehandhabt.

Heiratsbewilligungen gab es bereits im Mittelalter. Im 17. Jahrhundert dienten sie primär dazu, Knechte, Mägde und Dienstmädchen näher an ihren Dienstherren zu binden. Im 18. Jahrhundert veränderte sich die Zielrichtung dahingehend, dass versucht wurde, die Bevölkerungsentwicklung zu regulieren. Hauptaugenmerk wurde auf die unteren sozialen Schichten gelegt. Die Bewilligung wurde im Regelfall erteilt, wenn die Betroffenen nachweisen konnten, dass sie sich erhalten konnten. Hintergrund für diese Regelung war die Entlastung der Armenkassen. In weiterer Folge wurde die Verpflichtung zur Einholung einer Heiratsbewilligung auf Soldaten und Beamte ausgeweitet. Die Obrigkeit wollte verhindern, dass die Hinterbliebenen eines gefallenen Soldaten finanzielle Ansprüche geltend machen konnten. Ohne Einwilligung der Grundherrschaft geschlossene Ehen waren mitunter nichtig.

Bewilligungsverfahren.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie verschwand diese Form der Heiratsbewilligungen. Was blieb, waren dienstrechtlich relevante Heiratsbewilligungen bei den Wachkörpern. Die Bewilligungsverfahren wurden von den Dienstbehörden geführt. Die Nichteinholung einer solchen Bewilligung berührte die Gültigkeit der Ehe zwar nicht, wurde allerdings disziplinär geahndet und konnte bis zur Entlassung des Exekutivbediensteten führen. Im Ständestaat wurden die Bestimmungen verschärft.
Die Heiratsbewilligungen wurden in der Verordnung der Bundesregierung vom 19. Mai 1933, BGBl. Nr. 187 geregelt. Darin wurde normiert, dass bei den Wachkörpern nur mehr unverheiratete Kandidaten rekrutiert werden dürfen und zur Eheschließung eine Heiratsbewilligung der Dienstbehörde erforderlich ist. Eine solche durfte nur erteilt werden, wenn sich der Angehörige seit mindestens vier Jahren im Dienst befand. Danach war keine Bewilligung mehr erforderlich, die Eheschließung musste der Dienstbehörde nur gemeldet werden. In der Zeit des Nationalsozialismus traten diese Verordnung außer Kraft und wurde durch das deutsche Polizeibeamtengesetz, geregelt im RGBl. I Nr. 72 vom 29. Juni 1937, ersetzt. Auch während des Nationalsozialismus wurde das Heiratsbewilligungsverfahren streng ausgelegt.

Gendarm Johann Stoik mit Ehefrau Edeltraut: Das erste Ansuchen für die Heiratsbewilligung wurde ihm 1958 verwehrt, beim zweiten Mal bewilligt
Gendarm Johann Stoik mit
Ehefrau Edeltraut: Das erste
Ansuchen für die
Heiratsbewilligung wurde ihm
1958 verwehrt, beim zweiten
Mal bewilligt © Privat

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Zuge der Wiederherstellung der Republik Österreich aufgrund der Beamten-Überleitungsverordnung, BGBl. Nr. 131/1946 die Verordnung der Bundesregierung vom 19. Mai 1933, BGBl. Nr. 187 wieder in Kraft gesetzt, wodurch eine autoritäre Rechtsnorm aus dem Ständestaat in die demokratische Rechtsordnung gelangte. Auf Grundlage dieser Verordnung entstanden mehrere Erlässe des Bundesministeriums für Inneres (BMI), mit denen der Umfang und die Vorgehensweise der Dienstbehörden geregelt wurden.

Beendet wurde die Bewilligungspflicht erst mit dem Erlass BM.f.I., Zi. 292.750-5 A 64 vom 25. November 1964. Der Hauptgrund dafür dürfte die zu dieser Zeit in Verfassungsrang übernommene Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewesen sein. Die Verordnung der Bundesregierung vom 19. Mai 1933, BGBl. Nr. 187 dürfte dem Artikel 8 der EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) entgegengestanden sein. Somit hätten sich die Wacheangehörigen ab diesem Zeitpunkt auf die Bestimmungen der EMRK berufen können.

Die Aufnahme von unverheirateten Beamten in Verbindung mit obligatorischer Heiratsbewilligung hatte für die Dienstbehörden Vorteile. So konnten die Wacheangehörigen einerseits – hinsichtlich Dienstzuteilungen, Überstundenbereitschaft bzw. Kasernierung – flexibler eingesetzt werden, anderseits konnte das Bewilligungsverfahren auch als Disziplinierungsinstrument verwendet werden. Dies war insbesondere bei der Gendarmerie üblich.
Für die Dienstbehörden war es auch relevant, dass mit der Heiratsbewilligung verhindert werden sollte, dass Wachebeamte Frauen heirateten, die mit dem Standesansehen nicht zu vereinbaren waren, etwa Prostituierte und übel beleumdete bzw. politisch vorbelastete Frauen. Die Heiratskandidatinnen sollten dem damaligen sittlichen Idealbild entsprechen. Dass der Zweck der Norm gewesen sein könnte, Ehen zu regulieren bzw. die Zahl von anspruchsberechtigten Gattinnen und Kinder, betreffend Witwen- bzw. Waisenrente gering zu halten, konnte den Akten nicht entnommen werden. Beim Bewilligungsverfahren gab es für die Betroffenen kein Rechtsmittel bzw. keine Möglichkeit, sich bei einer übergeordneten Stelle zu beschweren. Es war allerdings möglich, bei geändertem Sachverhalt einen neuerlichen Antrag zu stellen. Dieser wurde jedoch von derselben Stelle bearbeitet, die auch für die Entscheidung des zuvor gestellten Antrags zuständig war. Bei der Gendarmerie war dies das Gendarmeriezentralkommando und bei der Sicherheitswache die Personalstelle des Generalinspektorats bzw. Zentralinspektorats der Sicherheitswache der jeweiligen Bundespolizeibehörde.

Unterschiedliche Handhabung.

Polizist Johann Sailler (†) mit seiner Frau Berta: Leumundserhebungen und Ämterauskünfte vor der Genehmigung der Verehelichung 1954
Polizist Johann Sailler (†) mit
seiner Frau Berta: Leumund-
serhebungen und Ämterauskünfte
vor der Genehmigung der
Verehelichung 1954 © Privat

Die Bewilligungsverfahren bei der Sicherheitswache und der Gendarmerie waren unterschiedlich. Bei der Gendarmerie war der Postenkommandant zentral und führte sämtliche Erhebungen durch. Überdies erfolgte durch ihn auch eine Dienstbeschreibung des Beamten. Abschließend fügte er dem Antrag eine Stellungnahme bei, ob er die Heirat befürworten würde oder nicht. Auch die vorgesetzten Stellen gaben solche Stellungnahmen ab, Erhebungen wurden jedoch keine mehr durchgeführt. Die endgültige Entscheidung wurde im Gendarmeriezentralkommando getroffen.
Bei der Sicherheitswache wurde das Verfahren anders geregelt. Dem Wachkommandanten kam eine untergeordnete Rolle zu. Der Antrag wurde diesem vom Beamten zwar vorgelegt, jedoch von ihm ohne Dienstbeschreibung an die Dienstbehörde weitergeleitet. Entschieden wurde in der Personalstelle des Generalinspektorats bzw. Zentralinspektorats der Sicherheitswache. In den Personalakten der Sicherheitswache wurden keine Schriftstücke des BMI gefunden. Die Entscheidungskompetenz dürfte an die Bundespolizeibehörden übertragen worden sein. Von der Personalstelle wurden die Erhebungen an mehrere Stellen delegiert – an das Fahndungsamt, das Strafregisteramt, den Erkennungsdienst, die Abteilung I (Staatspolizei) sowie an das Amt zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten und Mädchenhandel. Das nach dem Wohnsitz der Frau örtlich zuständige Wachzimmer wurde ebenfalls mit Nachforschungen betraut. Unter anderem wurden Hauserhebungen durchgeführt. Die beauftragten Stellen meldeten ihre Erhebungsergebnisse an die Personalstelle, die schließlich die Entscheidung traf und die antragstellenden Beamten über das Ergebnis am Dienstweg verständigte. Die Vorgehensweise der Sicherheitswache gegenüber der Gendarmerie kann als objektiver betrachtet werden, wurden die Erhebungen doch von mehreren unabhängigen Stellen durchgeführt. Im Unterschied zur Gendarmerie erfolgte bei der Sicherheitswache keine Dienstbeschreibung und der Arbeitserfolg des Beamten hatte keinen Einfluss darauf, ob eine Heiratsbewilligung erteilt wurde. Auch hinsichtlich vorhandener Willkür gab es Unterschiede zwischen Gendarmerie und Sicherheitswache.
Bei der Gendarmerie gab es Fälle, dass Beamten, denen die Heiratsbewilligung ursprünglich verwehrt worden war, diese in einem weiteren Anlauf doch zugesprochen wurde. Die Gendarmen mussten jedoch mit Repressionen seitens der Dienstbehörde rechnen. So kam es in solchen Fällen zu „Strafversetzungen“ zu abgelegenen Grenzposten. Heiratsbewilligungen wurden oft ohne Angabe von Gründen verwehrt und in ähnlich gelagerten Fällen wiederum bewilligt. Heiratsgesuche wurden auch von Gendarmen verlangt, die sich bereits über sechs Jahre in einem definitiven Dienstverhältnis befanden. Nach Bewertung der damaligen Rechtslage stellte dies eine gesetz- und erlasswidrige Handlung seitens der Dienstbehörde dar. Bei der Sicherheitswache hingegen konnten auf Grundlage der vorliegenden Aktenlage keine Hinweise auf Willkür vorgefunden werden. Es entsteht der Eindruck, dass diese Verfahren bei der Sicherheitswache objektiver geführt wurden als bei der Gendarmerie.
Auch beim Ermittlungsumfang gab es eklatante Unterschiede zwischen den beiden Wachkörpern. So wurde bei der Sicherheitswache die potenzielle Heiratskandidatin in moralischer, politischer und staatsbürgerlicher Hinsicht überprüft. Erhebungen über ihre Angehörigen fanden jedoch nicht statt. Die Ermittlungsmaßnahmen erfolgten nicht nur durch Hauserhebungen der Beamten des zuständigen Wachzimmers, sondern es waren – wie oben erwähnt – auch andere Dienststellen eingebunden. Die Personalstelle verließ sich bei den Vorlebenserhebungen keinesfalls auf Gerüchte, die etwa bei den Hauserhebungen in Erfahrung gebracht worden waren, sondern versuchte, objektivierte und gesicherte Daten zu erheben.

Walter Zunker von der Wiener Sicherheitswache benötigte Anfang 1963 noch eine Heiratserlaubnis der Dienstbehörde.
Walter Zunker von der
Wiener Sicherheitswache
benötigte Anfang 1963 noch
eine Heiratserlaubnis der
Dienstbehörde. © Privat

Bei der Gendarmerie hingegen war die zentrale Person der Postenkommandant. Dieser war bei der Informationsbeschaffung zu einem großen Teil davon abhängig, was ihm im Zuge der Hauserhebungen von Nachbarn bzw. Dienstgebern anvertraut wurde. Erhoben wurden dabei nicht nur Informationen über die Heiratskandidatin, sondern es wurden ihr näheres Umfeld beleuchtet und Informationen über ihre nächsten Angehörigen gesammelt. Zusätzlich wurden die Vermögenswerte der Frau erhoben. So wurden Informationen über Barmittel und Immobilien in die Berichte aufgenommen. Auch der Bildungsstand wurde ermittelt. Demzufolge wurden bei der Gendarmerie umfangreichere Datenmengen gesammelt.
Bei der Sicherheitswache erfolgten die Vorlebenserhebungen mittels Checkliste, bei der Gendarmerie gab es solche nicht. Das Heiratsbewilligungsverfahren wurde bei beiden Wachkörpern ernst genommen; eine Eheschließung ohne Antrag galt nicht als Kavaliersdelikt. Bei der Sicherheitswache wurde die Bewilligung im Regelfall erteilt, während die Gendarmerie dies wesentlich strenger nahm und die Bewilligung häufig untersagte.
In Fällen, in denen ohne Antrag geheiratet wurde, oder in denen der Antrag abgewiesen worden war, wurden insbesondere bei der Gendarmerie Disziplinarstrafen verhängt, wobei sogar die Entlassung möglich gewesen ist. Gründe für die Verweigerung einer Heiratsbewilligung waren etwa, wenn nahe Angehörige ehemalige NS-Funktionäre waren. Auch in Fällen, in denen die Frau oder nahe Angehörige vorbestraft waren, wurde keine Heiratsbewilligung erteilt. Ebenso war der Verdacht auf Spionage ein Grund für eine Verweigerung.
Den Dienstbehörden war es in der Nachkriegszeit wichtig, dass das Standesansehen durch die Ehe eines Wachebeamten mit sittlich bzw. politisch vorbelasteten Frauen nicht leidet. Möglicherweise diente dies auch dazu, das Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und Exekutive wieder zu verbessern, das in der Zeit des Nationalsozialismus gelitten hatte.

Jürgen Gruber

Oberrat Mag. Dr. Jürgen Gruber MA MA MBA ist Stadthauptmann-Stellvertreter im Polizeikommissariat Wien-Meidling/Hietzing. In seiner Masterarbeit während des Geschichtsstudiums an der Universität Wien beschäftigte er sich mit dem Thema Heiratsbewilligung von Exekutivbediensteten.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023

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