USA

Nicht polizeiliche Reaktionsteams

43 von 50 US-Städten setzen unbewaffnete, nicht polizeiliche Einsatzkräfte ein, um soziale und gesundheitliche Probleme als Ergänzung zu bewaffneten Polizeieinsätzen zu lösen.

Co-Responder: Unbewaffnete, nicht polizeiliche Einsatzkräfte unterstützen die Polizei bei niederschwelligen Amtshandlungen
Co-Responder: Unbewaffnete, nicht polizeiliche Einsatzkräfte unterstützen die Polizei bei niederschwelligen Amtshandlungen © Gregor Wenda

Die Polizei ist häufig mit fordernden, gefährlichen Szenarien konfrontiert. Durch die weite Verbreitung von Schusswaffen in den USA, wissen US-Polizisten meist nicht, welches Szenario sie vorfinden, wenn sie unter der 911 gerufen werden. Es kann sich um einen Schusswechsel handeln, um häusliche Gewalt, bei Beschwerden wegen Lärmbelästigung oder Fälle, bei denen Personen ihre Beobachtungen und Sorgen wegen Armut oder Suchtmittelabhängigkeit zum Ausdruck bringen. In den vergangenen Jahren kam es in den USA zu verstärkten gesellschaftlichen Diskussionen nach Einsätzen, in denen Polizisten mit Personen in psychischen Ausnahmesituationen konfrontiert waren, deren Eskalation zu einem tödlichen Ausgang, etwa durch Schusswaffengebrauch oder in polizeilicher Anhaltung, führten. Medial bekannt sind dabei etwa die Fälle Daniel Prude im März 2020 oder George Floyd im Mai 2020.

„Co-Responder“-Programme.

Laut Studien betrifft einen aus zehn Anrufen unter 911 in den USA eine Person, die in einer psychischen Ausnahmesituation ist. Gerade diese Fälle haben Potenzial, in Gewalt und körperliche Verletzung auszuarten – für die betreffende Person, die Polizistinnen und Polizisten oder für sonstige Beteiligte. In Reaktion auf diese eskalierten Einsätze haben US-Städte „Co-Responder“-Programme ins Leben gerufen. Dabei bearbeiten Einsatzkräfte, die nicht der Polizei angehören, nicht gewalttätige oder medizinische Situationen, in denen andernfalls Polizistinnen und Polizisten entsandt worden wären. Einige Städte haben anstelle von 911 die Notrufnummer 311 eingerichtet. Die Ausgestaltung der „Co-Responder“-Programme ist vielfältig: Dabei können etwa Polizistinnen und Polizisten mit unbewaffneten Personen zu Einsätzen entsandt werden, die einen beruflichen Hintergrund etwa als Sozialarbeiter oder Rettungsassistent haben und im Umgang mit häuslicher Gewalt, Obdachlosigkeit oder Verhaltensmedizin erfahren sind. Seltener bearbeiten diese unbewaffneten Personen Fälle allein. Der Ansatz hat sich in den letzten Jahren bewährt und zwischen Jänner 2020 und Juli 2022 haben mindestens 15 von 50 US-Städten mit den größten Strafverfolgungsbehörden „Co-Responder“-Programme ins Leben gerufen. Mindes­tens 28 von 50 analysierten US-Städte hatten „Co-Responder“-Programme bereits vor 2020.
Die Millionenstadt Detroit in Michigan hat etwa ein eigenes Team zur Bearbeitung von Anrufen mit Bezug zu obdachlosen Personen eingerichtet. Die bevölkerungsreichste Stadt im Bundesstaat Texas, Houston, hat 2008 als Pilotprojekt ein kleines Team zur Bearbeitung von Fällen mit Personen in psychischen Krisen eingerichtet. Mittlerweile ist das Projekt zu zwölf Teams angewachsen, die in der gesamten Stadt verfügbar sind. Im Moment wird am Ausbau des Systems für eine 24-Stunden-Verfügbarkeit gearbeitet. Neben dem Team, das Erfahrung mit psychischen Notsituationen hat, gibt es in Houston noch eigene „Co-Responder“-Programme für Obdachlose und häusliche Gewalt.
Laut Experten wird der Einsatz von „Co-Responder“-Teams in den kommenden Jahren ausgebaut. Ein Bereich, der dabei häufig zur Diskussion steht, ist der Einsatz der Polizei zur Regelung und Überwachung des Verkehrs. Laut Studienangaben kamen seit 2017 in den USA fast 600 Personen bei Verkehrskontrollen ums Leben: Dabei wurden Personen wegen kleinerer Vergehen angehalten, die Situation ist eskaliert und es kam zu Gewaltanwendung mit Todesfolge. Von Seiten der Polizei gibt es im verkehrspolizeilichen Bereich bisher wenig Initiative, diesen mit einem „Co-Responder“-Programm zu regeln. Vorerst gibt es auch kaum Pilotprojekte oder Studien, die diesen Zugang erproben.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023

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