Interview
„Die ticken einfach anders“
Der Polizeidirektor des Fortbildungsinstituts der Bayerischen Polizei, Dr. Bernd Bürger, MA, MA, über den Umgang von Polizei-Führungskräften mit der „Generation Z“.
Bernd Bürger: „Wir
sollten unsere Erwartungshaltung
an Führungskräfte überdenken.“
© Miriam Hagen
Welche Umstände haben Sie dazu veranlasst, das Thema „Generation X, Y, Z“ unter die Lupe zu nehmen?
Ich habe mich an der Deutschen Hochschule der Polizei mit einem Soziologen über die Probleme unterhalten, die ich mit den jungen Kolleginnen und Kollegen als Kommandant des Unterstützungskommandos der bayerischen Bereitschaftspolizei (USK) hatte. Er hat mich auf dieses Thema gebracht, mit dem ich mich seitdem befasse und das ich in meinen Vorträgen thematisiere.
Warum soll sich besonders der öffentliche Dienst mit dem Generationenwechsel beschäftigen?
Wir dürfen nicht mehr davon ausgehen, dass das, was für uns selbstverständlich ist, auch für die junge Generation so ist. Die ticken einfach anders. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns bewusst machen, welche Umgangsformen, Werte, Erwartungen für uns wichtig sind, und diese vermitteln. Und wenn wir wollen, dass das ankommt, müssen wir das authentisch und wiederkehrend tun.
In einem Dienstverhältnis bei der Polizei kann man es sich nicht immer aussuchen, was man tut und was nicht?
Das stimmt. Wir können der „Generation Z“ aber auch nicht alles diktieren. Gerade wenn es um Arbeitszeiten und -belastung geht, müssen wir uns als Arbeitgeber bewegen. Physisch und psychisch schwer zu leistende Schichtdienste, die zweifelsfrei krank machen, werden wir uns nicht mehr leisten können – so wird diese Generation nicht lange arbeiten. Gleiches gilt für den Karriereweg: Die Jüngeren legen zurecht Wert auf ein Privat- und Familienleben – Stichwort: Work-Life-Separation. Wenn wir also Führungsnachwuchs wollen, sollten wir dringend unsere Erwartungshaltung an Führungskräfte überdenken. Ich bewerte diese Entwicklung nicht negativ, sondern sehe darin eher eine überfällige Korrektur eines extremen Leistungsanspruchs, den wir alle zusammen als Führungskräfte aufgebaut haben.
Was bedeutet das für die Führungskräfte in der Organisation?
Wir müssen wertschätzend und konstruktiv-kritisch miteinander umgehen und uns mehr Zeit für unsere Mitarbeitenden nehmen. Das wird sich auch auf die älteren Generationen positiv auswirken. Im Gegensatz zur „Generation Z“ sehen die Älteren die Polizei als Lebensberuf und erdulden auch schlechte Führung. Das macht die neue Generation nicht mehr. Sie kündigen und werden mit Handkuss von anderen Arbeitgebern eingestellt, die händeringend Fachkräfte suchen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den sogenannten „Zlern“ gemacht?
Man glaubt, bei Spezialkräften wie dem USK käme niemand auf die Idee, seine Eltern für sich sprechen zu lassen. Aber da rief ein besorgter Vater an, weil sein Sohn bei einer Selbstverteidigungsübung leicht verletzt wurde. Eine Mutter schrieb dem Innenminister, weil die Beschaffung von Ausstattung ihrer Ansicht nach nicht schnell genug geht.
Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie ihren Führungsstil im Umgang mit der „Generation Z“ hat überdenken lassen?
Ja. Ich habe den Nachwuchszug, das ist die sechsmonatige Spezialausbildung für das USK, immer sehr „retro“ begrüßt. Nach dem Motto: Das werden harte sechs Monate, halten Sie durch oder gehen Sie! Da nach einer solchen Ansprache mehrere Leute aufhören wollten, weil ihnen das „zu krass“ war, habe ich begonnen, die Leute netter zu begrüßen und auch positive Botschaften zu senden. Ich habe ihnen aber auch vermittelt, dass ich erwarte, dass sie sich persönlich bei mir melden, wenn etwas nicht passt und nicht ihre Eltern. Dies hat merklich zu einem Rückgang der Elternanrufe geführt.
Beleuchten Sie in Ihrem neuen Buch „Die Rolle der Polizei bei Versammlungen“ die Rolle der „Generation Z“?
Nein, im Buch geht es darum, wie wir als Polizei handeln können, um Demonstrationslagen möglichst geschmeidig zu handhaben. Stichworte: Mindset, Strategie und Taktik. Da spielt die Generation Z eine wichtige Rolle, denn sie ist politisch engagiert. Ihre Mitglieder empfinden Umweltverschmutzung als eine Bedrohung und gehen dagegen vor, etwa indem sie sich auf Straßen festkleben. Und je nachdem, wie wir als Polizei an solche Lagen herangehen und sie lösen, tragen wir dazu bei, dass uns diese Generation auch als „ihre“ Polizei wahrnimmt – und Arbeitgeber. Denn was könnte Besseres passieren, als junge Menschen, die sich als Kolleg/-innen für die Zukunft der Menschheit engagieren?
Interview: A. H.
Zur Person
Bernd Bürger begann 1997 bei der Bayerischen Polizei. Er schloss mehrere Studien ab und promovierte 2015 mit dem Thema „Arbeitszeitmodelle für den Streifendienst der Polizei“. Seit November 2020 ist er Leiter des Fachbereichs Einsatz und Verkehr am Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring. Weitere Informationen: https://docbb.de/ueber-mich .
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023
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