Interview

„Neugierig und interessiert sein“

Friedrich Lennkh ging nach knapp 20 Jahren Dienst für das Bundesministerium für Inneres am 1. Jänner 2023 in Pension. Er war zuletzt neun Jahre lang als Verbindungsbeamter des BMI in Prag stationiert.

Friedrich Lennkh: „Als Verbindungsbeamter ist es wichtig, Land und Leute zu kennen, denn sonst ist es schwierig, ein gutes Netzwerk aufzubauen und zu pflegen.“
Friedrich Lennkh: „Als Verbindungsbeamter ist es wichtig, Land und Leute zu kennen, denn sonst ist es schwierig, ein gutes Netzwerk aufzubauen und zu pflegen.“ © Gerd Pachauer

Was ist Ihnen in zwanzig Jahren im Bundesministerium für Inneres als größte Herausforderungen bzw. Erfolge in Erinnerung geblieben?
Ich war von Anfang an in große Projekte eingebunden. Das war damals 2004 in der Sicherheitsakademie die Einführung der sogenannten Flexi-Klausel. Dabei handelte es sich um eine haushaltsrechtliche Sonderbestimmung, wodurch wir eine größere wirtschaftliche Selbstständigkeit in der Sicherheitsakademie bekommen haben und auch große Sanierungsprogramme in den Bildungszentren machen konnten.

Welche Programme wurden in Angriff genommen?
Es wurde zum Beispiel die Marokkanerkaserne in Wien – der Sitz der Sicherheitsakademie – generalsaniert und das Bildungszentrum Graz wurde um- und ausgebaut. Es wurde in fast allen Bildungszentren einiges unternommen. Ich war Mitglied in beiden Entwicklungsteams für die Studiengänge an der Fachhochschule in Wr. Neustadt, also für den Bachelorstudiengang und den Masterstudiengang. 2009 erfolgte mein Wechsel von der Sicherheitsakademie in die Generaldirektion zum damaligen Generaldirektor Herbert Anderl.
Ich wirkte weiters am Projekt der Gründung der Landespolizeidirektionen mit, das heißt, an der Zusammenlegung der Landespolizeikommanden mit den Sicherheitsdirektionen. Ich war Projektleiter für die Gründung der DSE/EKO Cobra und war auch im Projekt zur Personalentwicklung involviert. Mein letztes großes Projekt war die Analyse zur Vorbereitung der Geschäftseinteilungsänderung des BMI 2022 als Leiter des Analyseprojekts. Durch Mitwirkung an Projekten dieser Größenordnung konnte ich das gesamte Haus und vor allem den ganzen Bereich der nachgeordneten Dienststellen kennenlernen. Diese umfassende Sicht auf das gesamte BMI sowie meine Erfahrung in vielen großen Projekten half mir auch bei meiner Tätigkeit als Verbindungsbeamter, weil man viele Leute kannte und auf alte Kontakte zurückgreifen konnte.

Was war in Ihrer Zeit als Verbindungsbeamter für Sie die größte Herausforderung?
Eine der schwierigsten Phasen war sicherlich der Beginn der Covid-Pandemie. Fast täglich änderten sich die Rahmenbedingungen aufgrund von Einreisebeschränkungen und Grenzschließungen. Zu klären gab es auch die Frage, wie man mit den vielen tschechischen Pendlerinnen und Pendlern nach Österreich umgeht. Wir mussten damals gemeinsam mit der Botschaft und dem Außenwirtschaftscenter über Ostern innerhalb von 14 Tagen über tausend diplomatische Noten für Pendlerinnen und Pendler ausstellen. Da habe ich gemerkt, wie wichtig der tägliche Austausch mit der Botschaft, dem Bundesministerium für Inneres und mit dem tschechischen Innenministerium ist. Ebenso wichtig war der Kontakt zu den Bezirkshauptmannschaften in Nieder­österreich hinsichtlich operativer Abwicklung der Gesundheitskontrollen. Das war sicher eine der schwierigen Phasen als Verbindungsbeamter. Sie war jedoch wirklich gut zu bewältigen, weil ich im tschechischen Innenminis­terium einen Ansprechpartner hatte, der rund um die Uhr erreichbar war.

Haben Sie in Prag Entwicklungen innerhalb des Bundesministeriums für Inneres miterlebt, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Friedrich Lennkh: „Es sollten Modelle entwickelt werden, bei denen Jobrotationen ermöglicht werden.“
Friedrich Lennkh: „Es sollten
Modelle entwickelt werden, bei
denen Jobrotationen ermöglicht
werden.“ © Gerd Pachauer

Die Gründung der Sektion V war sicher eine einschneidende Änderung sowie voriges Jahr die Geschäftseinteilungsänderung, als die Bereiche Internationales und EU in die Sektion V integriert wurden. Das hat uns als Verbindungsbeamtinnen und -beamte auch unmittelbar betroffen. Grundsätzlich besteht nach wie vor die generelle Frage, wie ist das Verhältnis von Spezialisten und Generalisten. Auf der einen Seite sehen wir, dass wir durch viele Herausforderungen, wie zum Beispiel Cybercrime, viele neue Spezialistinnen und Spezialisten und Spezialwissen brauchen und zwar nicht nur in der Zentralstelle, sondern auch in den nachgeordneten Dienststellen. Auf der anderen Seite wird es schwierig, wenn wir keine Generalistinnen und Generalisten haben. Einer der Ansätze sollte es sein, dass Modelle entwickelt werden, bei denen Jobrotationen ermöglicht werden, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht 30 Jahre lang in einem Fachgebiet bleiben, sondern die Möglichkeit haben, sich mit verschiedenen Dingen zu beschäftigen. Umgekehrt hat man dann auch aus Sicht des Ministeriums eine breitere Verwendungsmöglichkeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es hängt auch mit dem ganzen System der Arbeitsplätze und der Arbeitsplatzbewertung zusammen. Im BMI gibt es schon vom System her verhältnismäßig viele Rahmenbedingungen, die Flexibilität nicht unbedingt erleichtern. Das betrifft auch Verbindungsbeamte – vor allem bei der Problematik der Rückkehr. Die Frage des Rückkehrmanagements wurde noch nicht zufriedenstellend gelöst, sie ist schwierig. Auch das habe ich mit der Personalabteilung über viele Jahre diskutiert, aber es ist nicht einfach, zu einer ordentlichen Lösung zu kommen. Die Planstelle, die für die Entsendung hinterlegt ist, ist in vielen Fällen als Arbeitsplatz für die Rückkehr, auch aufgrund der zwischenzeitlich erlangten Erfahrung der der Verbindungsbeamtinnen und -beamten, nicht mehr geeignet. Dann aber bei der Rückkehr einen anderen adäquaten Arbeitsplatz zu bekommen, ist ein schwieriges Thema. In den Jahren der Entsendung arbeiten sie alleine und leiten auch ein Büro. Bei der Rückkehr ins Bundesministerium für Inneres muss man sie wieder in ein Team integrieren. Die Frage ist wo, wie und auf welche Art und Weise das geschieht.

Ist Ihrer Meinung nach der Verbindungsbeamten-Pool zu klein bzw. zu sehr auf einen bestimmten Typus fokussiert, würden Sie die Anforderungen verändern für die Zukunft?
Es hat dazu im Analyseprojekt zur Vorbereitung der Geschäftseinteilungsänderung eine Reihe von Arbeiten gegeben. Derzeit gibt es einen Grundausbildungskurs zur Vorbereitung für alle Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamten. Dieser Kurs berücksichtigt einerseits nicht die Vorkenntnisse der Auszubildenden und auf der anderen Seite nicht die unterschiedlichen Anforderungen der Destinationen. Persönlich glaube ich, dass es für viele Leute nicht attraktiv ist, sich für einen Pool zu bewerben. Potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten sind eventuell an einer bestimmten Destination interessiert, haben jedoch kein Interesse, in einen Pool von Bewerberinnen und Bewerbern zu kommen. Wenn jemand zum Beispiel jahrelang Direktor des Bundeskriminalamts war, so wäre diese Person hervorragend für eine internationale Position oder eine Verbindungsbeamten-Destination geeignet. Diese Person wird sich nicht für einen Pool bewerben und auch nicht bereit sein, sich prüfen und testen zu lassen. Hier bedarf es meiner Meinung nach noch an Änderungen und Entwicklungen was das Auswahlverfahren und die Ausbildung betrifft.

Was würden Sie Bewerberinnen und Bewerbern auf den Weg mitgeben wollen? Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollten sie mitbringen für die Tätigkeit als Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte?
Ganz wichtig: Verbindungsbeamtinnen und -beamte sollen neugierige Menschen sein. Interessiert und neugierig in einem sehr breiten Sinne. Sie dürfen sich nicht nur mit den unmittelbaren Dingen des Tätigkeitsbereichs beschäftigen. Es ist wichtig, Land und Leute zu kennen, denn sonst ist es schwierig, ein gutes Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Es braucht den Blick über den beruflichen Tellerrand hinaus und konsequente Arbeit, um Vertrauen aufzubauen. Wichtig ist zu wissen, was kann man selbst bieten kann oder welche Informationen die Leute in meinem Gastland brauchen. Es darf keine Einbahnstraße sein. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit der jeweiligen österreichischen Botschaft. Die Botschaften unterstützen uns sehr, da wir in den meisten Fällen die Büros in der Botschaft haben und uns somit um vieles, von Infrastruktur bis Sicherheit, nicht kümmern müssen.

Friedrich Lennkhs Verabschiedung in den Ruhestand: Ireen Winter, Referatsleiterin für Verbindungsbeamte, Sektionschef Peter Webinger, Friedrich Lennkh, Gruppenleiterin Franziska Kandolf, Abteilungsleiterin Tamara Kerbl
Friedrich Lennkhs Verabschiedung in den Ruhestand: Ireen Winter, Referatsleiterin für Verbindungsbeamte, Sektionschef Peter Webinger, Friedrich Lennkh, Gruppenleiterin Franziska Kandolf, Abteilungsleiterin Tamara Kerbl © Gerd Pachauer

Sie haben gemeint, der Informationsaustausch darf keine Einbahnstraße sein. Ist das im BMI selbstverständlich oder war man von BMI-Seite aus eher zurückhaltend?
Es gibt vom Dienstgeber viele praktische Anforderungen. Das ist je nach Destination verschieden. Österreich hat mit Tschechien zum Glück ein gemeinsames Polizeikooperationszentrum, wodurch sehr viel Alltagsarbeit gar nicht bis zum Verbindungsbeamten kommt. Dadurch habe ich zum Beispiel mehr Zeit gehabt für kompliziertere und größere Fälle, wie für den politischen Bereich der Koordination, zum Beispiel das Forum Salzburg, die EU-Politik oder das Verhältnis der Gruppe der V4 (Visegrad) innerhalb des Forum Salzburgs. Es ist notwendig, immer wieder die operative Ebene zusammenzubringen, damit die Leute sich kennenlernen. Besuchsaustausch und Studienbesuche sind ein wichtiger Bereich. Gerade im Polizeibereich laufen die Kooperationen von einzelnen Polizeiinspektionen, auf Ebene der Landespolizeidirektionen und der verschiedenen Fachbereiche. Deswegen habe ich mit dem damaligen Generaldirektor Konrad Kogler und dem tschechischen Polizeipräsidenten vereinbart, dass wir einmal jährlich ein gemeinsames Treffen mit den Regionaldirektoren des Polizeikooperationsvertrags veranstalten. Vor allem, um die strategische Ausrichtung der Kooperation zu besprechen.
Ich persönlich halte es für ganz wichtig, dass man über alltägliche Anforderungen hinaus denkt um sich über Schwierigkeiten und Zielsetzung unterhalten zu können. Die Treffen sind aufgrund von Covid leider immer wieder ausgefallen und es hat dann über zwei Jahre gedauert, bis grenzüberschreitende Treffen stattfinden konnten. Für viele Fragen braucht es zudem eine langjährige Berufserfahrung, um als Verbindungsbeamtin und Verbindungsbeamter auf der politischeren Ebene im Gastland respektiert und anerkannt zu werden. Hier gibt es noch Verbesserungsbedarf, insbesondere wie man bei inhaltlichen Fragen Positionen besser an die Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamten vermittelt.

Sind das „fachliche Scheuklappen“, wenn man operativ sehr gut aufgestellt ist, aber aus anderen Bereichen des Innenressorts weniger Erfahrung mitnimmt?
Wenn ich im Ausland erst zu diskutieren oder fragen anfange, wann das Dossier auf die nächste Tagesordnung des JI-Rates kommt, brauche ich nicht mehr weiter reden, da dann nationale Positionen bereits einzementiert sind. Kurz gesagt, Verbindungsbeamtinnen und -beamte müssen frühzeitig wissen, welche Themen diskutiert werden bzw. neu eröffnet sind. Man muss auch wissen, welche Strategien und Pläne beispielsweise das Bundeskriminalamt in bestimmten Bereichen verfolgt usw., um solche Themen mit Kontaktpersonen im Ausland erörtern zu können. Ansonsten verliert man schnell an Kompetenz. Hier gibt es auch im Informationsfluss von Innenministerium an die Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamten Luft nach oben.

Interview: Leonhard Kunz

Zur Person

Friedrich Lennkh, studierter Theologe, begann seine Tätigkeit im Bundesministerium für Inneres 2004 als Leiter des Büros des Direktors der Sicherheitsakademie und als Referent für Controlling. Ab 2009 war er im Büro des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit Herbert Anderl tätig. Von 2010 bis 2013 stand er der Abteilung Controlling in der Generaldirektion als Leiter vor. Von 2013 bis Dezember 2022 war Friedrich Lennkh als Verbindungsbeamter in Prag tätig.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023

Druckversion des Artikels (PDF 669 kB)