Kriminaltechnik

„Identitätsfälschungen erkennen“

Daniela Höllersberger, Kriminaltechnikerin im Referat für Urkunden- und Handschriftenerkennung des Bundeskriminalamtes (BK), über ihre Arbeit als Forensikerin und das Projekt „Sicheres Meldeamt“.

Daniela Höllersberger: „Identitätsfälschungen erkennen, bevor jemand im Zentralen Melderegister erfasst ist.“
Daniela Höllersberger:
„Identitätsfälschungen erkennen,
bevor jemand im Zentralen
Melderegister erfasst ist.“ © BMI

Wie muss man sich die Arbeit einer Dokumenten- und Urkundensicherheitsexpertin vorstellen?
Das ist schwierig auf einen Nenner zu bringen, weil es ein großes Aufgabengebiet umfasst. Einerseits besteht meine Tätigkeit aus klassischer kriminaltechnischer Arbeit, wie der Analyse anonymer Schreiben, der Überprüfung von Verträgen auf Manipulation oder der Zuordnung von Ausdrucken zu bestimmten Geräten. Andererseits überprüfen wir die Echtheit von Dokumenten, wie Reisepässe, Kfz-Kennzeichen, Zeugnisse etc. Darüber hinaus machen wir Zusammenhangsauswertungen von behördlichen Dokumenten. Das bedeutet, dass wir Fälschungsklassen analysieren und versuchen, ein Muster zu erkennen, dass im Idealfall zum Hersteller der Fälschung führt.

Wie wird man Urkundensicherheitsexpertin?
Bei uns in Österreich gibt es keine fachlich-akademische Institution, an der man Kriminaltechnik studieren kann. Ich habe damals in der HTL Spengergasse in Wien den Zweig Textilchemie besucht und habe dort die Grundlagen für meine heutige Tätigkeit erlernt: analytische Chemie, Druck- und Färbetechniken etc. Da die heimische Textilindustrie damals eher im Westen angesiedelt war, ich aber in Ostösterreich bleiben wollte, bin ich dann eher durch Zufall im Bundeskriminalamt gelandet.

Mit wie vielen Leuten arbeiten Sie im Team?
Aktuell sind wir zu acht. Vier Kolleginnen und Kollegen arbeiten bei den Dokumenten, zwei bei den Handschriften und zwei betreuen das Urkundeninformationssystem ARGUS.

Wie läuft die Echtheitsprüfung von Dokumenten in der Praxis ab?
Dazu muss man die Struktur der österreichischen Polizei kennen. Wir haben ganz unterschiedliche „Kunden“. Von ein paar Ausnahmen abgesehen hat das Bundeskriminalamt keine lokale Zuständigkeit. In den Bundesländern gibt es bei den Landeskriminalämtern kriminalpolizeiliche Untersuchungsstellen, die immer die erste Anlaufstelle für Dokumentenprüfungen sind. Am Flughafen Schwechat übernehmen zu 98 Prozent die Kolleginnen und Kollegen vor Ort die Überprüfung und holen unsere Expertise nur in speziellen Fällen ein. Das liegt daran, dass man EU-Reisepässe mit einem elektronischen Chip zuverlässig auf ihre Echtheit prüfen kann. Wenn der Chip in Ordnung ist und die Überprüfung richtig durchgeführt wird, sind die darauf gespeicherten Daten zu 100 Prozent echt.

Wie werden Dokumente auf ihre Echtheit geprüft?
Das ist natürlich aufwendiger, dazu benötigt man Vergleichsmaterial und mehr Fachwissen über die jeweiligen Sicherheitsmerkmale. Zunächst schauen wir uns das Material und die Drucktechnik des Dokuments an, prüfen Papier- und Druckqualität, Wasserzeichen etc. Wichtig ist auch, ob die Daten und Angaben plausibel sind und das Dokument insgesamt dem aktuellen technischen Stand des jeweiligen Landes entspricht. Dann erfolgt ein Gegencheck mit Vergleichsmaterial.

Wie funktioniert die Kooperation mit den mit den zuständigen Stellen in den jeweiligen Ursprungsländern?
Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Von vielen Ländern bekommen wir Musterdokumente, die wir dann bebildert und beschrieben in unser österreichisches Urkundeninformationssystem ARGUS einpflegen. Jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter einer österreichischen Behörde kann auf das Urkundeninformationssystem zurückgreifen und sich über die neuesten Erkenntnisse informieren sowie Dokumentenmerkmale abfragen. Bei anderen Ländern müssen wir uns das Wissen durch die Analyse von Dokumentendaten und Sicherheitsmerkmalen im Zuge der Dokumentenuntersuchung selbst erarbeiten. Jedes Dokument, das wir untersuchen, erweitert hier unser Wissen.

Sie waren federführend am Projekt „Sicheres Meldeamt“ beteiligt, bei dem künftig das Meldeverfahren österreichweit automationsunterstützt erledigt werden soll. Was ist das Neue daran?
Aktuell greifen wir die meisten gefälschten Dokumente nicht mehr an der Grenze auf, sondern im Inland. Da geht es vor allem um Personen von außerhalb der EU, die sich mit gefälschten Identitätsnachweisen quasi den Stand eines EU-Bürgers verschaffen und bei uns arbeiten und niederlassen wollen. Das Problem ist, dass sobald jemand innerhalb der Europäischen Union mit einer Identität gemeldet ist, ihm oder ihr als „EU-Bürger“ alle Türe und Tore offen stehen. Mit einer europäischen Identität hat man alle Rechte. Und genau da setzt das „Sichere Meldeamt“ an: Ziel ist, Identitätsfälschungen zu erkennen, bevor jemand im Zentralen Melderegister erfasst ist. Das „Sichere Meldeamt“ verhindert, dass Menschen in unser System kommen und Rechte genießen, die ihnen nicht zustehen. Durch den Einsatz von Dokumentenlesegeräte erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Meldeservicestellen bei der Verifizierung der Identitätsdokumente künftig technische Unterstützung. Die Daten werden auch automatisch ins zentrale und lokale Melderegister übernommen.

Daniela Höllersberger: „Für Gemeindebedienstete ist das ,Sichere Meldeamt’ ein technischer Quantensprung, um Identitäts fälschungen zu erkennen.“
Daniela Höllersberger: „Für Gemeindebedienstete ist das ,Sichere Meldeamt’ ein technischer Quantensprung, um Identitäts fälschungen zu erkennen.“ © BMI

Wie funktioniert das bei analogen Dokumenten?
Die Lesegeräte checken elektronisch, ob das vorgelegte Dokument echt oder falsch ist. Wenn es bei einem Dokument keinen Chip gibt, kann das Gerät optisch prüfen. Die Lesegeräte-Anbieter bieten bereits Datenbanken mit Vergleichsbildern an, anhand derer das Gerät mit Mustererkennung und Hell-Dunkel-Prüfung eine Echtheitsprüfung durchführen kann. Die Desktop-Station erledigt das, was heute zum Teil noch haptisch gemacht wird. Theoretisch wäre es mit einer entsprechenden App auch möglich, aus jedem Diensthandy einen mobilen Scanner – analog der Grünen-Pass-Verifizierung – zu machen. Dabei würde es nur um eine Prüfung gehen, ob der Chip echt ist oder nicht. Das ist in Österreich aber noch Zukunftsmusik.

Was genau war Ihre Aufgabe bei dem Projekt?
Das beste System auf dem Markt mit der höchsten Praktikabilität für den Endanwender zu finden. Konkret haben wir bei Geräten zweier Hersteller getestet, wie gut die optische Prüfung von Dokumenten funktioniert. Vor ein paar Jahren hätte ich noch gesagt, dass ein elektronisches Gerät diesen komplexen Prozess nicht mit einer vernünftigen Fehlerquote durchführen kann. Heute muss ich sagen, dass diese Geräte mindestens so gut sind wie ein geschultes Kontrollorgan. Die Letztentscheidung, ob ein Dokument echt ist oder nicht, liegt nach wie vor beim Menschen, aber das Gerät bietet eine gute Unterstützung. Für die Gemeindemitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist das „Sichere Meldeamt“ ein technischer Quantensprung, um Identitätsfälschungen zu erkennen. Die ersten Praxistests laufen hervorragend und zur großen Zufriedenheit der Gemeindebediensteten.

Wie sehr hat die Digitalisierung insgesamt Ihre Branche verändert?
Was wir überall sehen ist, dass die Digitalisierung einfach enorm schnell voranschreitet und die Abgleiche mit Hilfe künstlicher Intelligenz immer besser funktionieren. Auch im Bereich der Biometrie. Beispielsweise könnten an die jetzt beschafften Dokumentenlesegeräte externe Kameras anhängt werden, die das Chipbild mit dem Live-Bild der Person abgleichen, analog zu den E-Gates am Flughafen. Allgemein gesagt, vereinfacht die Digitalisierung nicht nur die Arbeit der Behörden, sondern macht auch das Leben der Bürgerinnen und Bürger in Österreich identitätssicherer.

Interview: Jürgen Belko

Zur Person

Ing. Daniela Höllersberger wurde 1972 in Wien geboren und absolvierte eine Ausbildung zur Textilchemikerin an der HTL Spengergasse. 1991 trat sie in den Bundesdienst ein, wo sie ab 1992 in der damaligen Kriminaltechnischen Zentralstelle (Gruppe D) der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit arbeitete. Mit der Gründung des Bundeskriminalamtes 2003 wurde sie stellvertretende Referatsleiterin für den Bereich „Dokumente und Handschriften, Kriminaltechnik“.