Bundesheer

Keine Bevorzugungen

Panzerkommandantin Wachtmeisterin Anna F.
Panzerkommandantin Wachtmeisterin Anna F.: „Die erste körperliche
Hürde war der erste Gefechtsdienst.“
© Bundesheer

Frauen als Soldatinnen gibt es in vielen Ländern. Beim österreichischen Bundesheer beträgt der Frauenanteil fünf Prozent. Die Soldatinnen sind motiviert und wollen aufgrund ihrer Leistungen gemessen werden.

Die USA, Deutschland, Israel oder andere Länder vertrauen seit Jahrzehnten auf Frauen im Diens­te ihrer Armeen. Auch im österreichischen Bundesheer sind Frauen nicht mehr wegzudenken. Die ersten Frauen traten am 1. April 1998 in der Erzherzog-Johann-Kaserne in Straß in der Steiermark ihren Ausbildungsdienst beim Bundesheer an. Derzeit leisten 670 Soldatinnen tagtäglich Einsätze im In- und Ausland – zusammen mit rund 13.330 Soldaten. Sie sind als Panzerfahrerinnen, Pilotinnen, Kommandantinnen und in der Verwaltung tätig.
Zahlenmäßig sind Frauen beim Bundesheer zwar noch in der Minderheit, doch sie fühlen sich gleichberechtigt gegenüber ihren Kollegen. Sie haben die gleiche Ausbildung, die gleichen Chancen und Möglichkeiten sowie das gleiche Gehalt. In der Gesellschaft ist das Bild von „Frau Soldatin“ nicht so verankert.

Hubschrauberpilotin

Hubschrauberpilotin Evelyn M. war schon als Jugendliche vom Militär fasziniert: „Ich wollte etwas Sinnvolles machen und einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.“
Hubschrauberpilotin Evelyn M. war schon als Jugendliche vom
Militär fasziniert: v„Ich wollte etwas Sinnvolles machen
und einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.“
© Bundesheer

Hubschrauberpilotin Oberleutnant Evelyn M., seit fast neun Jahren beim Heer, deren Weg sie vom Jäger zur Garde nach Wien und schließlich zur Hubschrauberpilotin führte, erinnert sich an die Reaktion ihrer Familie auf ihre Entscheidung, einzurücken. „Meine Mutter sagte, da hätte sie ja gleich einen Buben kriegen können. Abgesehen davon, sind alle begeistert gewesen und haben gemeint, das passe gut zu mir. Die Mama hat sich dann aber auch schnell damit anfreunden können. Es sind alle stolz auf das, was ich mache und leiste.“

Hohe Motivation.

Frauen beim Heer wollen nach ihrer Leistung behandelt werden, ohne einen Blick auf mögliche „Quoten“. „Wir brauchen motivierte, leistungsstarke Frauen, die das zu hundert Prozent wollen und nicht möglichst schnell möglichst viele“, sagt Oberleutnant Evelyn M. Auch Wachtmeis­terin Anna F. wünscht sich, dass das „typische Verhalten gegenüber Frauen eingestellt wird. „Keine Bevorzugungen mehr, keine Ausreden mehr gelten lassen. Soldat ist Soldat, egal, welches Geschlecht. Es ist teilweise schwer, das Vertrauen von Vorgesetzten sowie Grundwehrdienern zu bekommen. Man wird oft als Frau abgestempelt und muss sich doppelt so viel Respekt verdienen. Wir haben uns entschieden, Soldatinnen zu werden und sollten uns als solche verhalten und dementsprechend behandelt werden. Sehr oft wird bei Frauen ein Auge zugedrückt.“

Herausforderung.

Oberleutnant Evelyn M. war auf der Suche nach Herausforderung und Abenteuer. „Das Militär hat mich als Jugendliche immer schon fasziniert. Ich wollte auch etwas Sinnvolles machen und einen Beitrag leis­ten für unsere Gesellschaft. Also habe ich mich entschlossen, die Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung zu absolvieren und dann zu beurteilen, ob ich diesen Weg weitergehen möchte.“ Der erste Tag in der Kaserne ist wohl den meisten stark in Erinnerung geblieben, wie auch Panzerfahrerin Wachtmeister Anna F., seit fast fünf Jahren beim Heer, ausgebildete Panzerkommandantin, anführt: „Das erste Mal eine Uniform zu tragen und zu realisieren, wie schwer der 40 Kilo schwere Kampfanzug wirklich ist, das erste Mal die militärischen Umgangsformen meines Gruppenkommandanten kennenzulernen, war sehr aufregend. Ich war sehr stolz, es geschafft zu haben und die Uniform tragen zu dürfen. Die erste körperliche Hürde war der erste Gefechtsdienst, aber es war nicht nur eine Hürde. Man fühlte sich stark und stolz, ein Sturmgewehr in den Händen zu halten und zu lernen, als Soldat vorzugehen.“

Gelebte Gleichberechtigung.

MP-Kommandantin Christina H.: „Eine Einsatzeinheit zu führen, ist spannend.“
MP-Kommandantin Christina H.:
„Eine Einsatzeinheit zu führen, ist spannend.“
© Bundesheer

Heute fühlen sich die Kameradinnen großteils gleichberechtigt. Wenngleich der erste Tag beim Heer für viele noch eine Frage des Selbstbewusstseins und der Erwartungshaltung war. Militärpolizistin Hauptmann Christina H. erinnert sich: „Ich habe nicht gleich am ersten Tag unangenehm auffallen wollen und habe versucht, mich so unauffällig wie möglich zu kleiden. Ich bin nervös gewesen, weil ich, trotz vieler Geschichten und Erfahrungen aus meinem Umfeld, nicht genau wusste, was auf mich zukommen wird. Der Umgangston ist streng gewesen, daran habe ich mich erst gewöhnen müssen. Ich habe aber schnell Anschluss finden können und habe mich rasch wohlgefühlt.“ Sie habe schon immer ein besonderes Bedürfnis nach Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit gehabt, sagt Christina H., die ursprünglich Juristin werden wollte. Die Arbeit bei der MP (Militärpolizei) komme dem am nächsten. Der Beruf sei spannend und abwechslungsreich, man könne sich für den Personenschutz oder das Sonderermittlungswesen spezialisieren. Außerdem mache die Militärpolizei im In- und Ausland Realeinsätze, was besonders reizvoll sei. „Für mich als Offizier kommt dazu, dass die MP ein Kaderverband ist, das bedeutet, dass alle meine Soldaten Berufssoldaten sind. Eine Einsatzeinheit zu führen ist herausfordernd und spannend und danach strebe ich.“

Karriere.

Heute, elf Jahre später, blickt Christina H. auf eine beeindruckende Karriere zurück: Sechs Semester Studium an der Theresianischen Militärakademie mit Auslandsemester an der United States Military Academy in West Point, Ausbildung zur Militärpolizistin, mehrere Auslandseinsätze im Kosovo, Führungslehrgang in Fort Leonard Wood in Missouri (USA) und nun Kompaniekommandantin der 1. Kompanie der Militärpolizei in Wien sowie Kommandantin der neu aufzubauenden Einsatzkompanie in St. Pölten. Unter ihrem Kommando stehen 94 Soldatinnen und Soldaten. Neben Chris­tina H. gibt es noch vier Frauen bei der MP, zwei davon sind Militärpolizistinnen und zwei sind im Versorgungsbereich (Wirtschaftswesen) tätig.

Erfahrungen nutzen.

Die Offizierin fand die Auslandsaufenthalte als spannend und lehrreich. Aus den USA nahm H. Lehrtechniken mit. Es gebe dort so gut wie keinen Frontalunterricht. Das Thema und entsprechende Lektüre würden vorab preisgegeben und zur Verfügung gestellt. Im Unterricht würde kein Vortrag gehalten, sondern auf das Thema in Form von offenen Diskussionen und Meinungen eingegangen. „Das ist für mich ein interessanter Zugang gewesen, den ich auch in meinem Arbeitsumfeld nutzen kann“, sagt die Offizierin. Außerdem fand sie es spannend, dass in den USA Unteroffiziere den Offizieren ihre Erfahrungen mit Kommandanten schilderten und darauf eingingen, was sie sich von ihren Vorgesetzten erwarteten und wünschten.

Stärken und Schwächen erkennen.

Christina H. war der erste weibliche MP-Offizier in Österreich und die erste Kommandantin der Internationalen MP im Kosovo. „In Auslandseinsätzen und in der Zusammenarbeit mit anderen Armeen habe ich vor allem gelernt, auf verschiedene Charaktere, Stärken und Schwächen einzugehen“, schildert H. Die Kunst eines Kommandanten bestehe darin, festzustellen, für welche Tätigkeit welcher Mitarbeiter am besten geeignet sei und ihn dementsprechend einzusetzen.

Terroranschlang in Wien.

Hauptmann H. bekam in der Nacht des 2. November 2020 den Befehl, ein Militärpolizeielement zu formieren, das auf Abruf, so schnell wie möglich, in der Wiener Innenstadt aktiv werden könne. Bereits 45 Minuten nach der Alarmierung war dieses Element formiert und auf gepanzerten Fahrzeugen, mit entsprechender Bewaffnung und Ausrüstung einsatzbereit. In weiterer Folge wurde eine MP-Einheit, bestehend aus Militärpolizisten aus ganz Österreich, formiert, um die Bewachung kritischer Infrastruktur zu übernehmen. „Ich habe den Auftrag bekommen, diese Einheit zu führen. Die Bewachung hat etwa fünf Wochen gedauert und ist danach an andere Soldaten des Bundesheers übergeben worden“, schildert H. Die Kommandantin verbindet mit dieser Terrornacht neben dem Schock vor allem Stolz, „weil meine Soldaten bereits nach kürzester Zeit an der Dienststelle waren, um das zu tun, wofür sie ausgebildet wurden. Ich habe in ihren Augen Entschlossenheit und Mut gesehen und dass sie alles tun würden, was nötig ist, um das österreichische Volk und unser schönes Land zu schützen. Mitunter wird das immer eine meiner einprägsamsten Erinnerungen sein“.

Nicht bewahrheitete Bedenken.

Als vor mehr als 20 Jahren die ersten Frauen einrückten, hatte man viele Bedenken – von der sexuellen Belästigung bis hin zur mangelnden Kraft im Zeigefinger, um das Sturmgewehr zu betätigen. Befürchtungen, die sich großteils nicht bestätigten. „Ich glaube, dass Männer und Frauen alles erreichen können“, sagt Militärpolizistin H. „Es ist jedoch trainings- und ausbildungsabhängig, ob man für eine Tätigkeit geeignet ist oder nicht – unabhängig vom Geschlecht.“

Frauen beim Heer sind noch eine Minderheit.

Hauptmann Christina H. wünscht sich eine breite gesellschaftliche Anerkennung ihrer Leistungen: „Das Bundesheer zeichnet aus, dass man nie einsam ist und immer Kameraden hat, die einen unterstützen und für einen da sind, egal, was passiert. Es ist viel mehr als nur ein Arbeitgeber. Mein Arbeitsplatz ist auch ein Ort der Sicherheit und der sozialen Kontakte. Vor allem aber kann ich mich hier entwickeln und entfalten, immer wieder neu orientieren und verändern. Beim Bundesheer ist kein Tag wie der andere und es bleibt immer spannend. Ich bin sehr dankbar, beim Heer dienen zu dürfen und für alle Möglichkeit, die mir bis dato geboten wurden. Ich würde mir wünschen, dass Frauen im Bundesheer keine Besonderheit mehr darstellen, sondern einfach als ,normal‘ erachtet werden. Vor allem aber wünsche ich mir, dass sich Frauen aktiv für andere Frauen stark machen, zeigen was sie draufhaben und damit beweisen, dass jeder Mensch alles werden kann, wenn er an sich und seinen Träumen arbeitet.“

Lange Geschichte.

Seit 1998 gibt es Soldatinnen beim Bundesheer. Frauen stehen beim Heer unterschiedlichste Karrierewege offen.
Seit 1998 gibt es Soldatinnen beim Bundesheer.
Frauen stehen beim Heer unterschiedlichste Karrierewege offen.
© Bundesheer

Erst 1998 öffneten sich die Kasernentore auch für Frauen als Soldatinnen. Doch die Geschichte der Frau in der Landesverteidigung reicht weit zurück, wie geschichtliche Dokumente belegen. In die Massenheere in den Jahren nach der Französischen Revolution fanden Frauen nur vereinzelt und als Männer verkleidet Zugang. Ein Beispiel aus Österreich war Francesca Scanagatta. In Mailand geboren, absolvierte sie Ende des 18. Jahrhunderts die Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie. Ihr Einsatz während der napoleonischen Kriege wurde mit einer Beförderung zum Leutnant belohnt. Allerdings unter dem Vorzeichen, ein Mann zu sein.
Zu Zeiten des Ersten Weltkrieges forderten manche, vor allem die bürgerliche Frauenbewegung, eine Verpflichtung der Staatsbürgerinnen zur Landesverteidigung, während andere dies strikt ablehnten. Das österreichische „Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst“ von 1916 verpflichtete nur Männer, jedoch wurden Frauen dazu angehalten, sogenannte Frauenarbeit zu leisten. Sie wurden vorwiegend in der Rüstungsindustrie und im Sanitätswesen eingesetzt. Doch wurde ihr Einsatzgebiet immer breiter, bis sich schließlich 500 Frauen in einer Ausbildung für den Fronteinsatz befanden. Doch endete der Krieg, bevor sie ausgemustert wurden. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde der Ruf nach einer Öffnung des Bundesheeres für Frauen immer lauter. Um eine lückenlose Integration von Frauen in das Bundesheer zu ermöglichen, mussten 45 Gesetzestexte geändert werden.

Schmuck und Tattoos.

Die wohl am häufigsten gestellte Frage im Zusammenhang mit Frauen beim Bundesheer: Gibt es eigene Uniformen oder Vorschriften, wie sich Soldatinnen schmücken oder schminken dürfen, war schnell beantwortet – auch hier galt gleiches Recht für Mann wie Frau. Die Uniformen sind gleich, Schmuck ist abzunehmen, um sich selbst oder andere nicht zu gefährden, Körperbemalungen wie Tattoos sind mit Kleidung zu bedecken und im Fall der Sichtbarkeit dürfen sie nicht Moral und Anstand verletzen. Für Männer und Frauen gilt gleichermaßen: Die Haartracht darf die Schultern nicht berühren und gefärbt wird nur im Spektrum der natürlichen Haarfarben. In pink, blau und neongrün wird man Soldatinnen und Soldaten nicht sehen. Neben diesen Äußerlichkeiten ist wichtig, dass Männer wie Frauen gleiche Rechte und Pflichten zu erfüllen haben.

Eignungsprüfung.

Um Soldatin zu werden, ist die Abgabe einer freiwilligen Meldung erforderlich, die Teilnahme am freiwilligen Vorbereitungswochenende sowie eine dreitägige Eignungsprüfung (karriere.bundesheer.at/karriere/soldatin ).

Julia Brunhofer/Herbert Zwickl


Frauen sind beim Bundesheer als Panzerfahrerinnen, Pilotinnen, Kommandantinnen und in der Verwaltung tätig.
Frauen sind beim Bundesheer als Panzerfahrerinnen, Pilotinnen,
Kommandantinnen und in der Verwaltung tätig.
© Bundesheer /Wolfgang Grebien

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2021

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