Exekutivgeschichte und Traditionspflege

Die Zukunft der Polizeigeschichte

Polizeimuseum in der Marokkanerkaserne in Wien-Landstraße: 800 Jahre Wiener Polizeigeschichte.
Polizeimuseum in der Marokkanerkaserne in Wien-Landstraße:
800 Jahre Wiener Polizeigeschichte.
© Gerd Pachauer

Im Bundesministerium für Inneres widmet man sich seit 2018 verstärkt den Bereichen Exekutivgeschichte und Traditionspflege. Das jüngste Forschungsprojekt befasst sich mit der Rolle der Polizei während des Nationalsozialismus, sowie deren Täter und Opfer.

Ein Hauptziel der exekutivgeschichtlichen Aktivitäten im Bundesministerium für Inneres (BMI) ist die Sicherung von historischem Wissen für die Nachwelt. Das erfolgt österreichweit in unterschiedlichen Projekten.

Gedenkstätten für Exekutivbeamte.

Hunderte Bedienstete der Polizei, Gendarmerie und Sicherheitsverwaltung sind in Ausübung ihres Dienstes ermordet oder auf andere Weise gewaltsam ums Leben gekommen. An viele dieser Opfer erinnern in Österreich Gedenkkreuze, Gedenksteine, Ehrengräber und andere Gedenkstätten. Diese Stätten der Erinnerung zu erfassen, zu dokumentieren und vor dem Verfall zu bewahren, ist ein Bereich der Traditionspflege in der Abteilung I/8 (Protokoll und Veranstaltungsmanagement) im BMI. Bisher wurden mit Unterstützung der Fachzirkel-Mitglieder knapp 150 Gedenkstätten in allen Bundesländern mit Hintergrundinformationen und Bildern dokumentiert. Erfasst werden auch Gedenkstätten, die nicht mehr vorhanden sind; ebenso die Biografien von gewaltsam ums Leben gekommenen Exekutivbeamten, für die keine Gedenkstätte errichtet wurden. In einer Serie berichtet Werner Sabitzer in der Fachzeitschrift „Öffentliche Sicherheit“ über die Gedenkstätten.
In einigen Orten sind Verkehrsflächen nach Exekutivbeamten benannt oder erinnern an die bis 2005 bestehende Gendarmerie. Diese Straßen, Gassen und Plätze wurden erfasst und mit Hintergrundinformationen und Fotos versehen.

Polizeimuseum.

Nach der Pensionierung von Werner Sabitzer führt Mag. Ulrike Landmann seit 1. April 2021 das Polizeimuseum in der Marokkanerkaserne in Wien. Landmann stammt aus Tirol, war Polizistin in Wien und hat Vergleichende Literaturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozialgeschichte studiert. Das Museum kann nach Voranmeldung von jedem/jeder Interessierten, in Gruppen bis zu fünf Personen, besichtigt werden. Bei der Führung wird ein Einblick in 800 Jahre Wiener Polizeigeschichte gegeben, die durch spannende Objekte dokumentiert sind, wie historische Fahrzeuge, Uniformen und Filmaufnahmen aus den 1920er-Jahren. Laufend werden weitere polizeigeschichtliche Exponate erworben. Wechselnde Sonderschauen sind geplant.
Der Fachzirkel „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“ besteht seit 2018. Er bildet nicht nur verschiedene exekutivhistorische Zugänge und Tätigkeiten ab, sondern spiegelt auch ein breites persönliches Spektrum wider; Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Verwendungen und unterschiedlichen Alters tragen gemeinsam in ganz Österreich dazu bei, die Organisationsgeschichte mit Leben zu füllen. Der Fachzirkel wird von Dr. Joachim Steinlechner (Abteilung I/8) geleitet. Koordiniert werden die Aktivitäten in den Bereichen Exekutivgeschichte und Traditionspflege von Mag. Eva-Marina Strauß (Abteilung I/8).

Traditionspflege: Kärntner „Traditionsgendarmen“ in historischen Uniformen bei der Eröffnung einer Gendarmerieausstellung.
Traditionspflege: Kärntner „Traditionsgendarmen“ in historischen
Uniformen bei der Eröffnung einer Gendarmerieausstellung.
© LPD OÖ

Exekutivhistorische Museumsvereine.

Um eine strukturierte regionale Bearbeitung in den Bereichen Exekutivgeschichte und Traditionspflege zu gewährleisten, wurden von Fachzirkel-Mitgliedern bisher in zwei Bundesländern Museumsvereine eingerichtet. Es sind dies der Exekutivhistorische Museumsverein Vorarlberg (EHV-V) unter der Leitung von Mag. Michael Beyrer und der Salzburger Exekutivhistorische Museumsverein (SEM) unter der Leitung von Oberstleutnant Karl-Heinz Wochermayr. Zudem gibt es eine Kooperation mit der „Gesellschaft der Gendarmerie- und Polizeifreunde Kärnten“ unter Generalsekretär Reinhold Hribernig.

Ausstellungswesen und museale Darstellungen.

Neben dem Polizeimuseum in der Marokkanerkaserne setzt der Bereich verstärkt auf Kooperationen mit Museen und Museumsvereinen in ganz Österreich. Dazu gehören die Museumswelt in Maurach am Achensee (Tirol), das Gendarmerie-Museum in Scharnstein (OÖ), das Wintersportmuseum in Mürzzuschlag (Steiermark), das Freilichtmuseum Großgmain (Salzburg) oder das Wiener Kriminalmuseum. 2018 organisierte Klaus Windischbauer (Fachzirkel-Mitglied aus Oberösterreich) eine Sonderausstellung anlässlich des Jubiläums „170 Jahre Gendarmerie in Österreich“ im Schlossmuseum Freistadt (OÖ).

Forschung und Projekte.

Mit dem Projekt „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938 bis 1945“ mit dem Schwerpunkt auf Täter- und Opferbiografien soll die Zeit vom Anschluss bis in die Zweite Republik umfassend aufgearbeitet werden (siehe Beitrag „Aktive Aufarbeitung“ auf den Seiten 75-76 in dieser Ausgabe).

Verdienstvolle Akteure.

„Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht!“ Dieser Aphorismus des indisch-britischen Schriftstellers Sir Ahmed Salman Rushdie hat sowohl für Nationen und Länder als auch für Organisationen und Menschen seine Gültigkeit. 1914 merkte etwa der k. k. Gendarmerie-Inspektor Michael Tisljar von Lentulis an: „Die Gendarmerie besitzt bis jetzt keine geschriebene Geschichte, obwohl in deren Reihen fast täglich Taten vollbracht werden, welche jeden Korpsangehörigen mit Stolz erfüllen müssen.“ Diese Erkenntnis war der Grundstein zur Etablierung der Gendarmerie-Chroniken in Österreich. Die Geschichte von (polizeilichen) Organisationen basiert in starkem Maße auf den Tätigkeiten jener Personen, die sich mit den entsprechenden historischen Entwicklungen und Fragestellungen auseinandersetzen.
Vor Kurzem sind drei verdiente Mitglieder des Fachzirkels in den Ruhestand getreten. Alle drei traten mit der Gründung 2018 dem Fachzirkel bei und haben im BMI nicht nur „ihre Geschichte“ geschrieben, sondern auch an der Geschichte unserer Organisation mitgeschrieben. Im Sinne eines gelebten Generationen- und Wissensmanagements werden alle drei Kollegen auch in ihrer Pension an der gemeinsamen Historie weiterschreiben.
Oberstleutnant i. R. Reinhold Hribernig trat 1976 in die Kärntner Gendarmerie ein. Nach der Offiziersausbildung in Mödling 1982 bis 1984 versah er Dienst in verschiedenen Funktionen im LGK Niederösterreich (Stab, Verkehrsabteilung, Kriminalabteilung, GAK Baden). 1985 erfolgte seine Rückversetzung zum LGK Kärnten, wo er in der Schulabteilung tätig war. Ab 1988 war er Referent im LGK, RG I, und später in der Stabsabteilung tätig. Nach der Wachkörperreform 2005 war er Referent in der Personalabteilung der LPD Kärnten. Mit 1. September 2020 trat er in den Ruhestand. Hribernig leitet seit 1988 das Magazin „Gendarmeriebrücke“, das 2005 in „Polizeitung“ umbenannt wurde. 1996 gründete er die Gesellschaft der Gendarmeriefreunde Kärnten (heute: Gesellschaft der Gendarmerie- und Polizeifreunde Kärnten), deren Generalsekretär er ist. Von anfänglich 48 Mitgliedern im Gründungsjahr 1996 entwickelte sich die Gesellschaft mit 1.300 Gendarmerie- und Polizeifreunden zu einem der größten Charity- und Traditionsvereine in Österreich. Als Wohltätigkeitsorganisation hat der Verein in den 25 Jahren des Bestandes durch Erlöse aus Veranstaltungen an die 360.000 Euro an in Not geratene Menschen ausgeschüttet. Reinhold Hribernig war Offsprecher und Mitgestalter bei Produktionen des Gendarmeriefilmdienstes im GZK, unter anderem des Jubiläumsfilms „150 Jahre Gendarmerie“ (1999). 2011 initiierte er die „k. u. k. Traditionsgendarmerie“. Als Generalsekretär der „Gesellschaft der Gendarmerie- und Polizeifreunde Kärnten“ und aufgrund deren Bedeutung innerhalb der Kärntner Volkskultur hat Hribernig im „Haus der Volkskultur“ in Klagenfurt ein Büro zur Verfügung gestellt bekommen.

Drei verdienstvolle Akteure des Innenressorts im Bereich Exekutivgeschichte und Traditionspflege sind vor Kurzem in den Ruhestand getreten: August Feyerer, Reinhold Hribernig und Werner Sabitzer.
Drei verdienstvolle Akteure des Innenressorts im Bereich Exekutiv-
geschichte und Traditionspflege sind vor Kurzem in den Ruhestand getreten:
August Feyerer, Reinhold Hribernig und Werner Sabitzer.
© LPD Steiermark, Privat, Patrick Sabitzer

Oberst i. R. August Feyerer trat 1975 in die steirische Gendarmerie ein. Nach der Offiziersausbildung 1981/82 übte er verschiedene Funktionen im LGK Steiermark aus; unter anderem war er stellvertretender Leiter der Schulabteilung, der Personalabteilung und der Stabsabteilung. Vor seiner Pensionierung mit 1. April 2021 war er als leitender Beamter im Büro A 1 der LPD Steiermark tätig. Feyerer organisierte zahlreiche Gedenkveranstaltungen bei Gedenkstätten für im Dienst getötete Exekutivbeamte. Er verfasste Beiträge in Exekutivmagazinen wie „Polizei Steiermark“, „Die Bundesgendarmerie“ und „LPD-Journal“. Er kooperierte mit Forschungseinrichtungen und Forschern, darunter Univ.-Prof. Dr. Helmut Gebhardt, Herbert Blatnik, Franz-Josef Schober, dem Landesarchiv Steiermark und dem Hans-Gross-Kriminalmuseum. 2003/04 beteiligte er sich als Experte der Exekutivgeschichte der Steiermark im Rahmen der Ausstellung „Tatort Österreich“ (Fohnsdorf) und beim „Exekutivtag“ in Graz (Stadthalle) im Juni 2004. Von 2006 bis 2012 leitete er das Magazin „Polizei Steiermark“. Er nahm an internationalen Kongressen zum Thema Polizeigeschichte teil, etwa in Budapest und Prag, und publizierte darüber.
August Feyerer engagierte sich bei der Sicherung historischen Wissens und hat hier große Verdienste erworben. Durch seine Initiativen ist es unter anderem gelungen, wesentliche historische Schriften zu erhalten und im Wege einer Kooperation mit dem steirischen Landesarchiv für die Nachwelt zu sichern, darunter die Gendarmerie-Chroniken der Steiermark sowie historisch wertvolle Akten und Aufzeichnungen.
Amtsdirektor i. R. Werner Sabitzer, MSc, begann seine dienstliche Karriere 1976 als Sicherheitswachebeamter bei der Bundespolizeidirektion Wien. Ab 1982 war er Kriminalbeamter bei der Wirtschaftspolizei Wien. Im November 1987 wechselte er als Pressereferent in das Büro des Innenministers und im Jahr darauf in das neue, dem Bundesminister direkt unterstellte „Büro für Öffentlichkeitsarbeit“. 1988 organisierte er die BMI-Fachzeitschrift „Öffentliche Sicherheit“ neu und war 30 Jahre lang deren Chefredakteur. Zudem war er Texter, Korrektor und Lektor in der Kommunikationsabteilung des BMI. Am 1. März 2018 wechselte er als Referent für Exekutivgeschichte und Traditionspflege in die Abteilung I/8 (Protokoll und Veranstaltungsmanagement) und leitete bis zu seiner Pensionierung das Polizeimuseum Wien. Werner Sabitzer, der eine umfangreiche Ausbildung in Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Medienmanagement absolvierte, veröffentlichte in Fachmedien Hunderte Beiträge über Polizei- und Kriminalgeschichte. Er schrieb einige Sachbücher und befasst sich mit der Geschichte Kärntens.

Joachim Steinlechner

Traditionspflege

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Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2021

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