Interview

„Die Einkäufer der Republik“

Gerhard Zotter: „Wir sind eine Art vergaberechtskonformer Brückenbauer.“
Gerhard Zotter: „Wir sind eine Art
vergaberechtskonformer Brückenbauer.“
© BBG/Foto Fally

Mag. Gerhard Zotter, MBA, Geschäftsführer der Bundesbeschaffungs GmbH (BBG), über die Aufgaben der Einrichtung für den Bund und andere Gebietskörperschaften, die Zusammenarbeit mit dem Bundes ministerium für Inneres und Herausforderungen in der Corona-Pandemie.

Was ist die Bundesbeschaffungs GmbH (BBG), wer sind ihre Kunden und welche Aufgaben übernimmt sie für den Bund und andere Gebietskörperschaften?

Wir sind Einkaufsdienstleister der öffentlichen Hand. Unser Fokus liegt nicht nur auf Bundesinstitutionen, denn wir stehen allen öffentlichen Auftraggebern aller Gebietskörperschaften und deren ausgelagerten Unternehmungen, im Hochschul- und Bildungsbereich sowie öffentlichen Krankenanstalten zur Verfügung. Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen den Kundenvorstellungen und den Marktmöglichkeiten. Das erarbeiten wir und sind dadurch eine Art „vergaberechtskonformer Brückenbauer“. Unsere Dienstleis tung besteht nicht nur darin, einen Auftrag zu vergeben oder einen Vertrag bzw. eine Vereinbarung abzuschließen. Es beginnt viel früher und endet viel später, als man annimmt: Es beginnt mit einer ständigen Marktbeobachtung, auch im Hinblick darauf, Entwicklungen vorauszusehen, die Kundenbedarfe einschätzen zu können und diese Informationen ins Vergaberecht zu „übersetzen“. Wenn ein Vergabeverfahren abgeschlossen ist, begleiten wir unsere Kunden und Lieferanten über die Laufzeit unserer Rahmenvereinbarungen. Grundsätzlich ist der Bund verpflichtet, seine Beschaffungen über die BBG abzuwickeln, es gibt einige wenige gesetzlich geregelte Ausnahmen. Länder, Städte und Gemeinden, aber auch Hochschulen, öffentliche Einrichtungen im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie Feuerwehren und andere ausgegliederte Unternehmungen (z. B. ASFiNAG, Bundesrechenzentrum oder Buchhaltungsagentur) dürfen unsere Rahmenverträge und Rahmenvereinbarungen ebenfalls nutzen.

Seit wann besteht die BBG?

Die BBG feiert heuer ihr 20-jähriges Jubiläum. Das BB-GmbH-Gesetz aus dem Jahr 2001 regelt das Zusammenspiel zwischen der BBG und ihren Kunden, enthält gesellschaftsrechtliche Bestimmungen und unser Kern-Unternehmensgegenstand ist darin gesetzlich definiert: Die Einkaufsbedingungen durch Standardisierung und Bündelung in wirtschaftlicher sowie qualitativer Hinsicht abzusichern und weiterzuentwickeln. Wir schauen daher nicht nur auf den „Preiseffekt“, sondern wir wollen für unsere Kunden hochqualitative Produkte zum besten Preis. Ich denke, wir haben hier auch entsprechende Marktmacht, denn bei einem Abrufvolumen, das nahe an die zwei Milliarden Euro pro Jahr reicht, wird man am Markt gut wahrgenommen.

Worin besteht die Unternehmensphilosophie?

Unsere Philosophie ist, Lösungspartner für die öffentliche Hand zu sein. Wir sind zwar eine GmbH, aber nicht darauf ausgerichtet Gewinn zu erzielen. Die Motivation unserer rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der tagtäglichen Arbeit liegt in der Unterstützung unserer Kunden, ihre Bedarfe abzudecken und damit das Instrument des Einkaufs sinnvoll einzusetzen. Das Abrufvolumen wuchs im Vorjahr um etwas mehr als 10 Prozent und betrug rund 1,8 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Unsere Ausschreibungen liegen nahezu ausschließlich im vergaberechtlichen Oberschwellenbereich und sind daher EU-weit bekannt zu machen. Trotzdem haben mehr als 90 Prozent unserer Lieferanten ihren Firmensitz in Österreich. Das BB-GmbH-Gesetz gibt uns auch einen klaren gesetzlich definierten Auftrag, Klein- und Mittelbetriebe (KMU) zu fördern. Wir weisen auch eine ausgesprochen hohe KMU-Quote bei unseren Lieferanten auf, diese bewegt sich konstant zwischen 65 und 75 Prozent, darauf sind wir sehr stolz.

Gerhard Zotter: „Das Innenministerium war im Bereich des Fuhrparkmanagements Wegbereiter für ein Vorzeigemodell.“
Gerhard Zotter: „Das Innenministerium war im Bereich des
Fuhrparkmanagements Wegbereiter für ein Vorzeigemodell.“
© Gerd Pachauer

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kunden und Lieferanten?

Die Zusammenarbeit funktioniert mit dem Bundesministerium für Inneres, aber auch mit allen anderen haushaltsleitenden Organen ausgezeichnet. Wir werden sehr geschätzt und werden gerne in Anspruch genommen, da unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich des strategischen Einkaufs sehr nahe am Markt und an den Marktentwicklungen sind und daher auch die entsprechende Akzeptanz haben – sowohl von den Marktteilnehmern als auch von den Experten in den Ministerien. Wenn es uns gelingt, dieses Wissen zu vereinen, dann ist man klarerweise auch schlagkräftiger gegenüber dem Markt. Ein Paradebeispiel für die Zusammenarbeit zwischen Kunden und BBG, das zu einem Vorzeigebeispiel für einen zeitgemäßen Weg in der Mobilitätsbeschaffung wurde, liegt im Bereich des Fuhrparkmanagements des Innenministeriums. Aus eigener Erfahrung als ehemaliger Polizist weiß ich, dass die Dienstfahrzeuge – egal ob Motorräder oder Pkws – der 90er-Jahre mit den heutigen nicht mehr vergleichbar sind. Das BMI ist mit der Rahmenvereinbarung der BBG auf ein Lösungsmodell umgestiegen, das den zeitnahen Erhalt neuer Fahrzeug-Modelle, die auch den neuesten Sicherheitsstandards entsprechen, gewährleis tet, wie auch eine rollierende Nachversorgung mit neuen Fahrzeugen. Wir sind sehr stolz, dass jedes Polizeifahrzeug, egal ob mit Blaulicht ausgestattet oder zivil, und jedes Dienstmotorrad, das in Verwendung ist – überwiegend auch bei den Gemeindewachkörpern –, auf einer Rahmenvereinbarung der BBG fußt. Das Innenministerium war hier Wegbereiter für ein Vorzeigemodell.

Es gibt Beschaffungen, die speziell auf einen Kunden, etwa ein Ministerium, zugeschnitten sind, es gibt aber auch Beschaffungen, die gebündelt für sehr viele Bedarfsträger getätigt werden können. Welche Beispiele dafür gibt es?

Zum Beispiel Büroausstattung – das kennt jeder – es beginnt mit den Multifunktionsdruckern, PCs, den zugehörigen Softwarepaketen, bis zu der dafür notwendigen Energie, wie die Rahmenvereinbarung zum umweltfreundlichen Strom-Umweltzeichen 46. Das sind alles Ausschreibungen der BBG, die gemeinsam mit den Ministerien entwickelt wurden und wo deren Bedarfe gebündelt werden können. Es gibt aber auch immer wieder Ausschreibungen nach einem Einzelbedarf eines öffentlichen Auftraggebers – so wie zum Beispiel der elektronische Hausarrest für das Justizministerium.

Wie hat sich die BBG in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt?

Als die BBG ihre Tätigkeit im Jahr 2001 aufgenommen hat, waren die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vergaberechts nicht vergleichbar mit den heutigen Vorschriften. Es hat einige große Novellen gegeben – zuletzt die Novelle 2018. Zu Beginn musste die BBG erst einmal Fuß fassen, hatte eher noch die Rolle eines Vertragserrichters und hat sich im Laufe der Jahre zu einem sehr stark dienstleistungsorientierten Unternehmen weiterentwickelt. Wir sehen unseren Auftrag nicht nur darin, die Ausschreibungen durchzuführen, sondern wir haben die Kunden im Fokus: diese richtig und gut zu verstehen, sodass wir deren Bedarf auch gut ermitteln, das Richtige ausschreiben und an die richtigen Marktteilnehmer adressieren, um Wettbewerb sicherzustellen. Wir legen auch einen sehr starken Fokus auf das Vertrags- und das Qualitätsmanagement. Wenn ein Kunde bei Abrufen aus unseren Vereinbarungen vor der einen oder anderen Herausforderung steht, unterstützen wir. Wir begleiten Lieferanten in der Erfüllung ihrer Vereinbarungen und in deren Weiterentwicklung wäh-rend der Vertragslaufzeit und nehmen, wenn es notwendig ist, auch die Lieferanten in die Pflicht: Wenn ein Lieferant wiederholt seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt, dann prüfen wir, ob er noch in der Lage ist, den Auftrag zu erfüllen, ob er leistungsfähig ist. Wenn das nicht gegeben ist, dann kann man auch die vergaberechtlichen Schritte daraus ableiten, bis hin zu einer Aufkündigung. Es ist auch für die Kunden wichtig, zu wissen, dass vertragliche Pflichten eingefordert und eingehalten werden, denn die Rahmenvereinbarungen werden in der Regel für vier bis fünf Jahre abgeschlossen. Es ist auch wichtig zu schauen, dass man die richtigen Lieferanten hat, die wissen, dass sie nicht irgendeinen Vertragspartner haben, sondern die Republik Österreich ihr Vertragspartner ist.

Die BBG ist also die Schnittstelle bzw. die Vermittlerin zwischen Verwaltung und Wirtschaft bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Vergaben werden von außen genau beobachtet, wie gehen Sie damit um?

Gerhard Zotter: „Wir haben eine Vergaberechtssicherheit von etwa 99 Prozent.“
Gerhard Zotter: „Wir haben eine Vergaberechtssicherheit
von etwa 99 Prozent.“
© Gerd Pachauer

Sehr gelassen, denn wir legen sehr hohe Maßstäbe an uns selbst, auch in Sachen Compliance. Es gibt eine extrem hohe Sensibilität bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wir sorgen auch mit unserer Aufbau- und Ablauforganisation im Unternehmen dafür, dass bei Ausschreibungen nahezu durchgängig ein Sechs-Augenprinzip herrscht. Es wird sehr geschätzt, dass wir sehr straight und restriktiv sind und sehr klar auch in der Kommunikation. Da hat sich das Unternehmen einen sehr guten Ruf erarbeitet und auch verdient. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BBG es sich verdient haben, dass man darauf vertrauen kann, dass Vergaben nach bestem Wissen und Gewissen, rechtskonform durchgeführt werden. In einigen wenigen Fällen pro Jahr kommt es zu einem Nachprüfungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht bzw. den Landesverwaltungsgerichten. Zwei bis drei Verfahren pro Jahr verlieren wir, wir haben also eine Vergaberechtssicherheit von annähernd 99 Prozent.

Vor welchen Herausforderungen steht und stand die BBG in der Corona-Pandemie?

Zu Beginn der Pandemie stellte das Segment „persönliche Schutzaus rüstung“ die größte Herausforderung dar. Mund-Nasen-Schutz, FFP2-Masken, Schutzbrillen etc., da war auch das BMI ein großer Bedarfsträger für uns. Aber auch alle anderen für die Pandemiebekämpfung notwendigen Güter und Dienstleistungen, angefangen vom Desinfektionsmittel über Schutzverglasungen bzw. Trennwände, die wir für Büros für viele Institutionen beschafft haben, und das ganze Segment an Testungen und Testequipment. Die Antigen-Schnelltests, die in den öffentlichen Teststraßen zum Einsatz kommen, werden überwiegend über unsere Rahmenvereinbarungen zur Verfügung gestellt. Aktuell stellen wir die Logis tik und den Bestellvorgang für die Covid-Impfstoffe bereit. Unser Impf- e-Shop bildet das Bindeglied zu den Lieferanten, die den Impfstoff verteilen, und den Ländern, die bei uns ihren Impfstoffbedarf bestellen. Wir bilden in unserem Impf-e-Shop die nach dem nationalen Impfplan festgelegten Kontingente ab und jedes Land sieht minutenaktuell, was beim Pharmagroßhandel im Kühlschrank bereit liegt. Der Impf-e-Shop gibt aber auch einen Ausblick darauf, was in den nächsten drei Wochen geliefert wird. So können auch die Länder ihre Impfungen organisatorisch besser vorausplanen.

Welche Themen werden die BBG in Zukunft beschäftigen?

Natürlich wird uns der Wiederaufbauplan der Bundesregierung, aber auch das Regierungsprogramm beschäftigen und die Frage, wie wir von der Beschaffungsseite aus die Republik weiterhin unterstützen können. Aber auch die Digitalisierung beschäftigt uns sehr. Die IT zählt zu unseren Top-Beschaffungsgruppen im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro, die jährlich über uns abgerufen werden. Die Pandemie hat einen Digitalisierungsschub verursacht – nicht nur im Schulbereich. Wir dürfen aktuell die Vergabe der digitalen Endgeräte im Schulbereich für das Bildungsministerium ausschreiben. Wir versuchen, das Thema Digitalisierung gesamthaft zu erfassen und auch Entwicklungen vorherzusehen: Zum Beispiel die einfache Frage, wie in Zukunft der Papierverbrauch aussehen wird oder welche Auswirkung das Homeoffice auf die Büroausstattung, Büromiete oder Reinigung haben wird. Welches Segment geht in die Höhe, welches wird in Zukunft sinken, welche Beschaffungen zur Steigerung der Krisenresilienz wird es geben? Das sind die „Kettenreaktionen“, die wir versuchen, gesamthaft zu beachten und zu betrachten.
Wir machen auch viele internationale Projekte. Es gibt ein Netzwerk der zentralen Beschaffungsstellen innerhalb der EU. Die BBG hat auch international ein sehr gutes Standing und wir werden oft nach unseren Best-Practice-Erfahrungen gefragt, die wir unseren Partnerorganisationen gerne zur Verfügung stellen.

Interview: Michaela Jana Löff

Zur Person

Mag. Gerhard Zotter, MBA, wuchs in Oberösterreich auf, war Polizist und absolvierte das Studium der Rechtswissenschaften berufsbegleitend an der Universität Wien. Nach dem Gerichtsjahr, das er ebenfalls überwiegend berufsbegleitend absolvierte, wechselte er 2003 von der Bundespolizeidirektion Wien in das Bundesministerium für Inneres in die Einsatzabteilung. 2008 wurde er Fachreferent und später stellvertretender Kabinettchef im Kabinett von Bundesministerin Mag. Dr. Maria Fekter im Innenministerium. 2011 wurde er ihr Kabinettchef im Bundesministerium für Finanzen. Von 2013 bis 2015 leitete Zotter die Präsidialsektion im Finanzministerium. Seit 1. August 2015 ist Gerhard Zotter, der im Vorjahr sein MBA-Studium abgeschlossen hat, einer der beiden Geschäftsführer der Bundesbeschaffungs GmbH. Der 51-Jährige ist verheiratet, Vater von zwei Töchtern und lebt in Niederösterreich. 


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2021

Druckversion des Artikels (534 kB)