GEMEINSAM.SICHER in Österreich

Workshop gegen Gewalt: Marion Herzog, Kathrin Gimpl vom Frauenhaus Pinzgau, Sarah Dankl.
Workshop gegen Gewalt: Marion Herzog, Kathrin Gimpl
vom Frauenhaus Pinzgau, Sarah Dankl. © Gerd Pachauer

„Sich SELBST BEWUSST sein“

Im Pinzgau in Salzburg hat die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt zugenommen. Polizistinnen engagieren sich, um Frauen in Workshops Wissen und Handlungsanleitungen zu vermitteln, wie sie sich schützen können.

Das Reden gegen den Schrecken im eigenen Zuhause, gegen den Schrecken im Alltag, mit denen, die es am meisten betrifft: Mädchen und Frauen kommen zu Marion Herzog, sie kommen zu Sarah Dankl und Kathrin Dimpl, sie suchen diesen Workshop gegen Gewalt auf, weil sie Gewalt ausgesetzt waren, Gewalt verhindern oder Warnsignale für Gewalt frühzeitig erkennen wollen. Alle diese Frauen suchen jemanden, der zuhört, der Hilfe verspricht, sie finden das bei diesen drei Frauen in Zell am See, die entschlossen sind, der Gewalt an Frauen den Kampf anzusagen.
„Dieser Workshop des Projekts ‚GEMEINSAM.SICHER aus der Krise‘ könnte treffender nicht sein“, sagt Oberstleutnant Kurt Möschl, Bezirkspolizeikommandant von Zell am See. „Auch, weil die Zahlen bei häuslicher Gewalt im Bezirk so hoch wie nie sind.“ Ein Vergleich: „Bisher haben die Statistiken jährlich zwischen 60 und 80 Wegweisungen aufgezeigt, mit 59 haben wir heuer die Zahl 60 schon fast erreicht.“ Spitzenwert seien vier Wegweisungen in einer Nacht gewesen, sagt der Kommandant. Marion Herzig, die Sicherheitsbeauftragte der Polizeiinspektion Zell am See, habe diese Initiative wieder neu belebt, setzt Möschl fort. „Man braucht ein Herz für diese Arbeit, und Marion hat dieses Herz.“

Workshop für Frauen.

Es ist ein Lehrsaal in der Regionalstelle Pinzgau des Berufsförderungsinstituts (BFI) Salzburg, in dem sich zehn Frauen am 24. Juni 2021 eingefunden haben. Ein Vormittag, der ihnen, ihren Sorgen und Ängsten gewidmet ist. Gastgeberin ist Mag. Astrid Leitinger, Leiterin der Regionalstelle Pinzgau. „Dieser Workshop, es handelt sich um eine AMS-Maßnahme, die vom BFI gefördert wird, bewirkt viel“, sagt sie, und hebt hervor: „Wir helfen Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf und geben ihnen die Möglichkeit, auch an Work­shops wie diesem teilzunehmen.“

Grenzen erkennen, setzen und wahren können.

Initiatorin des Workshops ist Marion Herzog, Sicherheitsbeauftragte der Polizeiinspektion Zell am See in Salzburg. Begonnen habe alles 2019, „vor dem Sommer“, erzählt sie. „Als sich das Berufsförderungsinstitut Zell am See bei der Kriminalprävention über Veranstaltungen für Frauen zum Thema ‚Häusliche Gewalt‘ erkundigt hat – das Thema ist von Kurs-Teilnehmerinnen angesprochen worden.“ Von der „Prävention“ sei ein zweistündiger Vortrag ausgearbeitet worden, mit Hilfsangeboten sowie Informationen über Beratungsstellen und das Gewaltschutzgesetz. „Man wollte langfristig mit der Polizei zusammenarbeiten – also arbeitete man ein Jahr später mit dem Frauenhaus und dem Landeskriminalamt, AB4, den Workshop ‚Sich SELBST BEWUSST sein‘ aus.“
Sarah Dankl vom Landeskriminalamt Salzburg unterstützt Herzog. „Der Workshop ist eine tolle Möglichkeit, Frauen jeden Alters für ein selbstbewusstes und sicheres Auftreten zu sensibilisieren“, sagt sie. Die Dritte im Bunde ist Mag. Kathrin Gimpl, psychosoziale Beraterin vom Frauenhaus Pinzgau. Frauen, die oft jahrelange schwere Gewalt erlebt hätten, bräuchten viel Unterstützung durch Frauenberatungsstellen, „oft auch begleitend durch Polizei und Justiz, um diesen Frauen zu ihrem Recht verhelfen zu können“.

Weiterentwicklung geplant.

„Das Programm ‚Sich SELBST BEWUSST sein‘ ist sehr einfach gegliedert“, erklärt Herzog. Es werde mit Frauengruppen in kleiner Teilnehmerzahl abgehalten. Jedoch: Es sei eine Weiterentwicklung des Programms geplant, „weil wir es auch für Männer und Jugendliche beider Geschlechter anbieten möchten“. Im ersten Teil des Workshops stünden Übungen zur richtigen Körperhaltung, zum Setzen von Grenzen auf dem Programm, setzt Herzog fort. „Teilnehmerinnen werden dabei eingeladen, mitzumachen.“ Das Selbstbewusstsein werde angesprochen. Die Wirkung des richtigen Auftretens. Situationen müssten beurteilt werden. „Wir bringen Alltagssituationen als Beispiele und besprechen das richtige Verhalten in der Gruppe.“ Das betreffe Grenzüberschreitungen. Auch strafrechtlich relevante Taten. Häusliche Gewalt werde im zweiten Teil besprochen, auf Grundlage des Films vom Innenministerium „Trautes Heim“. Der Film werde an ausgewählten Stellen unterbrochen, „dann werden Fragen gestellt, Diskussionen angeregt“. Und im dritten und letzten Teil des Workshops würden Hilfsangebote vorgestellt, und Beratungsstellen wie das Frauenhaus Pinzgau.

„PinzPower – Gewaltfreier Pinzgau“.

„Ein weiteres Projekt, das vom Bezirkspolizeikommando Zell am See im Rahmen von GEMEINSAM.SICHER wiederbelebt worden ist und sich dem Thema ‚Beziehungsgewalt‘ widmet, heißt ‚PinzPower – Gewaltfreier Pinzgau‘“, sagt Herzog. Es seien Vertreterinnen und Vertreter von Justiz, dem Gewaltschutzzentrum, dem Frauenhaus, dem Kinderschutzzentrum und der Kinderseelenhilfe sowie des Tauernklinikums, des Vereins Neustart, der Männerwelten und der Bezirkshauptmann vertreten gewesen, sagt Herzog. Das erste Treffen hat im Oktober 2019 stattgefunden, das vorerst letzte ist am 5. Mai 2021 gewesen, ein weiteres Treffen ist im Oktober 2021 geplant.

Reinhard G. Leprich


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2021

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