Kriminalgeschichte

Darstellung der Hinrichtung eines Kapitalverbrechers am Galgen (Miniatur im Kriminalmuseum Scharnstein, Oberösterreich).
Darstellung der Hinrichtung eines Kapitalverbrechers am
Galgen (Miniatur im Kriminalmuseum Scharnstein,
Oberösterreich). © Werner Sabitzer

Dreifachmord zu Weihnachten

Ein Gewohnheitskrimineller erschlug in der Nacht auf den 23. Dezember 1852 die drei Bewohner der Edlachhube in Krottendorf im Lavanttal. Der Mörder wurde 1853 am Galgen hingerichtet.

Dem Hausierer, der am 23. Dezember 1852 am Vormittag zur Edlachhube in Krottendorf in der heutigen Gemeinde Lavanttal kam, bot sich ein entsetzlicher Anblick. Vor dem Haus befanden sich eine Blutlache und an der Wand blutige Handabdruckspuren. Im Vorraum lag eine junge Frau in einer Blutlache und in der Stube lagen zwei Leichen mit eingeschlagenem Schädel. Der Hausierer eilte zum Bürgermeister nach Ettendorf und berichtete ihm von den Leichenfunden. Danach teilte er dem Gericht in St. Paul im Lavanttal den Vorfall mit. Inzwischen hatte auch ein Nachbar die Bluttat entdeckt und gemeldet.
Der Bürgermeister ging mit vier Männern zur Edlachhube. Räume waren durchwühlt, Spinnräder zertreten und Truhen und Kästen aufgebrochen. Bei den Toten handelte es sich um die drei Bewohner der Edlachhütte. Martin Poprat diente ab 1805 bei der k. k. Armee und nahm an mehreren Schlachten teil, unter anderem an der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, der entscheidenden Schlacht der Koalitionskriege. Dafür wurde er mit einem Ehrenzeichen ausgezeichnet. Poprat wurde zweimal schwer verwundet und kehrte 1825 kriegsversehrt in das Lavanttal heim. Zwei Holzstöcke dienten ihm als Krücken. Mit dem ersparten Sold und einer kleinen Erbschaft kaufte er einen Webstuhl und arbeitete als Weber. 1833 erwarb er die Edlachhube in Krottendorf bei Ettendorf. Mit ihm wohnten die 48-jährige Marie Roschitz und deren 29-jährige Tochter Helene Berthold im Haus.
Gendarmen des Gendarmeriekommandos Völkermarkt, zu dem die Posten des Lavanttales gehörten, nahmen am 23. Dezember 1852 an einer Beerdigung eines invaliden Kollegen teil, der am 17. Dezember 1851 von aufständischen Bauern schwer verletzt worden war und danach in der Gendarmeriekaserne Völkermarkt gewohnt hatte. Die Gendarmen wurden vom Friedhof zur Fahndung nach dem oder den unbekannten Täter weggeholt. Die Gendarmerieposten Wolfsberg, Drauburg, Bleiburg und Prävali wurden vom Dreifachmord verständigt und in die Fahndung eingebunden. Mehrere Verdächtige wurden verhaftet, aber wieder freigelassen.
Eine Kommission nahm am 24. Dezember 1852 am Tatort einen Augenschein vor. Danach wurden die Leichen in die Totenkammer nach Ettendorf gebracht.

Konkreter Verdacht.

Bald richtete sich der Verdacht gegen Simon Pögel. Er war ein mittelloser Knecht in Magdalensberg (Gemeinde Lavamünd), hatte aber am Tag der Auffindung der Leichen mit Silbermünzen in Gasthäusern und Geschäften bezahlt. Unter anderem hatte er sich einen Anzug gekauft und in einem Wirtshaus in Rabenstein den Leichenschmaus nach dem Begräbnis eines seiner unehelichen Kinder beglichen.
Simon Pögel war ein unehelicher Sohn einer slowenischen Dienstmagd. Als Dreijähriger wurde er von einem Bauer in Magdalensberg als Ziehsohn aufgenommen. Der Schulbesuch blieb ihm verwehrt. Mit sechs Jahren begann Pögel als Halterbube zu arbeiten, anfangs bei seinem Ziehvater, später bei anderen Bauern als Knecht. Schon als Jugendlicher kam er auf die schiefe Bahn und verübte Diebstähle, Einbrüche und Vergewaltigungen. Er hatte sieben uneheliche Kinder mit verschiedenen Frauen, vier der Kinder starben früh, das letzte wenige Tage vor der Bluttat in der Edlachhube.
Gendarmen durchsuchten die Unterkünfte von (ehemaligen) Geliebten und sonstigen Bezugspersonen Pögels und umstellten das Bauernhaus in Magdalensberg, wo er wohnte. Der Besitzer zeigte den Gendarmen das Bett, in dem Pögel und ein zweiter Knecht schliefen. Der Verdächtige wurde geweckt und festgenommen. In einem Kasten wurden Silbermünzen und Papiergeld gefunden, ebenso ein Tuch und ein Hemd, an denen sich Blutspuren befanden. Im Stroh wurde eine blutbefleckte Hacke sichergestellt.
Als Pögel in die Hosentasche griff und ein Messer zog, hielten ihm zwei Gendarmen geistesgegenwärtig die Hand fest und fesselten den Festgenommenen, der kurz darauf zu flüchten versuchte. Pögel behauptete, das Geld von einer Bauerntochter bekommen zu haben, damit er darüber schweige, dass sie ein von ihm gezeugtes Kind getötet hätte. Die Frau wurde festgenommen, um den Vorwurf des Kindsmords zu überprüfen.

Geständnisse.

Kurz nach seiner Festnahme legte Pögel ein erstes „Geständnis“ ab: Der Raubmord in der Edlachhube sei von Matthias Pavlic und seinem gleichnamigen Sohn verübt worden, er selbst sei nur Schmiere gestanden. Die beiden von ihm Beschuldigten wurden festgenommen, sie stritten entrüstet ab, an der Bluttat beteiligt gewesen zu sein. Anfang Jänner 1853 änderte Pögel seine Aussage. Er gab an, den Dreifachmord allein verübt zu haben. Die beiden Männer habe er deshalb beschuldigt, weil er sie gehasst habe. Der ältere Pavlic habe ihn einmal verprügelt, deshalb habe er sich an ihm rächen wollen.
Laut Pögels Aussagen hatte sich der Raubüberfall folgendermaßen abgespielt: Nachdem sein viertes uneheliches Kind verstorben war, wollte er die Begräbniskosten und den Leichenschmaus bezahlen und überlegte, wen er überfallen und berauben könnte, um zu Geld zu kommen. Er wählte den sparsamen und fleißigen Besitzer der Edlachhube aus, von dem er annahm, dass er Gold- und Silbermünzen im Haus aufbewahrte. In der Nacht auf den 23. Dezember 1852 holte er sich eine Hacke aus dem Stall seines Dienstherrn und ging zur Edlachhube. Er schaute durch das Fenster in die Stube hinein. Drinnen gab eine Petroleumlampe etwas Licht; die drei Bewohner waren noch auf. Pögel drang in die Stube ein. Als Helene flüchten wollte, schlug er ihr mit der Hacke auf den Kopf. Die junge Frau wankte nach draußen. Dann versetzte Pögel den beiden anderen Bewohnern mehrere Hackenhiebe auf den Kopf. Die Getroffenen brachen zusammen. Der Gewalttäter trat vor das Haus, die Hacke ließ er am Tisch zurück. An der Hausmauer kauerte Helene und hielt ihre Hände an den blutigen Kopf. Pögel zerrte sie an den Haaren zu einem Holzbock, in dem ein Eisen zum Dengeln befestigt war, und zerschmetterte darauf Helenes Schädel. Dann ging er in das Haus zurück, zerrte die Schwerverletzten unter dem Tisch hervor und zertrümmerte ihnen mit der Hacke die Schädelknochen. Der Mörder durchsuchte das Haus, brach Truhen und Kästen auf und raubte Münzen und Geldscheine. Die blutigen Handabdrücke an der Hausmauer stammten von Helene, die sich an der Wand aufzurichten versucht hatte. Nach der Bluttat in der Edlachhube plante Pögel weitere Raubmorde. Unter anderem wollte er einen Weinhändler in der Nähe von St. Paul überfallen. Seine rasche Verhaftung verhinderte weitere Kapitalverbrechen.

Tod durch den Strang.

Simon Pögel wurde am 11. Juli 1853 von einem Schwurgericht in Klagenfurt wegen dreifachen Raubmordes und Verleumdung zum Tod durch den Strang verurteilt. Pögel wurde am 23. September 1853, um halb acht Uhr früh, auf dem Richtplatz in Klagenfurt gehenkt. Einige Stunden später wurde die Leiche verscharrt.

Werner Sabitzer

Quellen/Literatur:
Von Steiger, Hermann: Das Verbrechen im Lavanttal. In: Neubauer, Franz: Die Gendarmerie in Österreich 1849–1924. 3. Auflage Verlag des Gendarmerie-Jubiläumsfonds, Wien, 1925; S. 348-363.
Aus dem Gerichtssaale. In: Klagenfurter Zeitung, 26. Juli 1853, S. 1.
Aus dem Gerichtssaale. In: Klagenfurter Zeitung, 28. Juli 1853, S. 2.
Tags-Neuigkeiten. In: Klagenfurter Zeitung, 24. September 1853, S. 4.

Polizeigeschichte

Polizisten in Wien nach der NS-Machtübernahme im März 1938.
Polizisten in Wien nach der NS-
Machtübernahme im März 1938
© Polizeiarchiv Wien

Aufarbeitung der NS-Zeit

Zur Aufarbeitung der Rolle der Polizei im Nationalsozialismus kooperiert das Innenministerium mit dem ORF.

Bei einem Pressegespräch im Innenministerium am 28. Juni 2021 präsentierte Innenminister Karl Nehammer mit ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz Pläne für eine neue Dokumentation, die die Rolle der Polizei und Gendarmerie zur Zeit des Nationalsozialismus beleuchten soll und in ORF III gezeigt wird. „Wer sich der Geschichte nicht stellt, den stellt die Geschichte früher oder später“, sagte der Innenminister. Die Auseinandersetzung mit seinen historischen Wurzeln sei wichtig für das Ressort, nicht zuletzt für die Weiterentwicklung der Organisation.
Mit einem im Mai 2021 im Innenministerium gestarteten Forschungsprojekt soll die Geschichte der österreichischen Polizei zwischen 1938 und 1945 aufgearbeitet werden. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Der Film „Zwischen Pflicht, Gehorsam und Widerstand – Die Polizei im Austrofaschismus und Nationalsozialismus“ wird derzeit vom ORF produziert und Anfang 2022 im Rahmen der ORF-IIIReihe „zeit.geschichte“ ausgestrahlt. Die Materie soll damit erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Der ORF erhält dafür Zugang zu den historischen Archiven des Innenministeriums. „Die gemeinsame Dokumentation bildet den Grundstein für die weitere historische Forschungsarbeit in dieser bisher wenig beachteten Thematik“, sagte Mag. Gerald Hesztera, Leiter des Projekts zur Aufarbeitung der NSVergangenheit im Innenministerium. Er ist historischer Berater für die Filmproduktion. „Je stärker der Nationalsozialismus in Österreich wurde, desto orientierungsloser wurde die Polizei in politischer Hinsicht. Exekutivbeamte waren unter den ersten Opfern und auch unter den ersten Tätern der NS-Zeit.“ Nach dem Anschluss veränderte sich der Aufgabenbereich der Polizei, sie wurde bald gänzlich vom nationalsozialistischen System vereinnahmt. Die Abkehr davon nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich als langsamer Prozess.

G. W.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2021

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