100 Jahre VKÖ

Interessensklub für Kriminalisten

Vorstand der Vereinigung Kriminaldienst Österreich (VKÖ) seit Oktober 2021: Helmut Kaiser, Helmut Bärtl, Alexander Heindl, Franz Scheucher, Jürgen Jevsnikar, Niko Reith (obere Reihe), Manfred Klimek, Kerstin Kreuzer, Martin Roudny, Dieter Csefan, Jörg Lenzbauer, Alois Zörweg (untere Reihe).
Vorstand der Vereinigung Kriminaldienst Österreich (VKÖ)
seit Oktober 2021:Helmut Kaiser, Helmut Bärtl, Alexander Heindl,
Franz Scheucher, Jürgen Jevsnikar, Niko Reith (obere Reihe),
Manfred Klimek, Kerstin Kreuzer, Martin Roudny, Dieter Csefan,
Jörg Lenzbauer, Alois Zörweg (untere Reihe).
© VKÖ/K. Schöndorfer

Die „Freie Vereinigung der Wiener Kriminalbeamten“ nahm am 31. Dezember 1920 ihre Tätigkeit auf. Dieses Datum gilt als Gründungstag der heutigen „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ (VKÖ).

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zerfall der Monarchie wurde in der neuen, kleinen Republik Österreich der Kriminaldienst reformiert. Das Polizeiagentenkorps wurde mit dem Polizeidienstgesetz vom 30. Oktober 1919 neu geordnet. Die Agenten waren nicht mehr „Diener“ bzw. „Unterbeamte“, sondern „Staatsbeamte“ bestimmter Rangklassen. Durch einen Erlass des Staatssekretärs für Inneres vom 26. November 1919 wurde die Bezeichnung „Polizeiagent“ in „Kriminalbeamter“ geändert. Das Polizeiagentenkorps erhielt die Bezeichnung „Kriminalbeamtenkorps“.
Die Reform hatte laut Polizeipräsident Hans Schober den Zweck, „die Kriminalbeamten ausschließlich zur Versehung des Exekutivdienstes zu verwenden und ihnen alle Manipulations- und Hilfsdienste abzunehmen, welche durch andere Organe besorgt werden können“. Dadurch sollte „eine intensivere Versehung des Außendienstes und insbesondere eine energischere Bekämpfung des Verbrechertums ermöglicht werden“. Die Reform trat am 1. Jänner 1920 in Kraft.

Freie Organisation.

Als Interessensvertretung der Polizisten wurde Im März 1919 die „Freie Organisation der Wiener Sicherheitswache und Polizeiagenten“ gegründet. Diese Vereinigung wurde am 25. November 1920 wieder aufgelöst. Stattdessen nahm am 31. Dezember 1920 die „Freie Vereinigung der Wiener Kriminalbeamten“ ihre Tätigkeit auf. Dieses Datum gilt als Gründungstag der heutigen „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ (VKÖ).

Vorläuferorganisation.

VKÖ-Präsident Dieter Csefan mit seinem Vorgänger Richard Benda.
VKÖ-Präsident Dieter Csefan mit
seinem Vorgänger Richard Benda.
© VKÖ/K. Schöndorfer

Die „Freie Organisation der Wiener Sicherheitswache und Polizeiagenten“ hatte eine Vorläufervereinigung in der Monarchie. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der „Klub der Wiener Kriminaldetektive“ gegründet. Er bestand aber nicht lange. Der Klub wurde im Jänner 1909 von der niederösterreichischen Statthalterei behördlich aufgelöst. Begründet wurde die Auflösung damit, dass der Klub seinen statutengemäßen Wirkungskreis überschritten habe, indem er eine staatsgefährliche Tätigkeit entwickelt habe. Auslöser war eine Versammlung am 25. Jänner 1909, bei der die Disziplin und die Wahrung des Amtsgeheimnisses nicht eingehalten worden seien. Der Obmann und ein zweiter Funktionär des Klubs wurden vom Dienst suspendiert.

Vereinigung der Bundeskriminalbeamten Österreichs.

Die „Freie Vereinigung der Wiener Kriminalbeamten“ wurde am 7. April 1922 in „Freie Vereinigung der Bundeskriminalbeamten“ umgebildet und nur viereinhalb Jahre später gab es neuerliche Änderung der Bezeichnung: Ab Dezember 1926 hieß die Interessensvereinigung „Verband der Bundeskriminalbeamten Österreichs“. Damals bestanden auch eine Foto-, eine Gesangs- und eine Musiksektion. Ab 2. März 1935 hatte die Organisation wieder einen neuen Namen: „Vereinigung der Bundeskriminalbeamten Österreichs“.

Wiedergründung 1948.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1938 wurde die Vereinigung der Bundeskriminalbeamten aufgelöst und das Vereinsvermögen dem „Kameradschaftsbund Deutscher Polizeibeamten“ übertragen.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dauerte es fast drei Jahre, bis die Kriminalbeamtenvereinigung wieder entstand. Nachdem sich die Proponenten mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) geeinigt hatten, nicht gewerkschaftlich tätig zu werden, wurde am 10. März 1948 die „Vereinigung der Bundeskriminalbeamten“ wiedergegründet. Die erste ordentliche Hauptversammlung fand am 27. September 1948 in einem würdigen Rahmen statt – im Rittersaal des niederösterreichischen Landhauses in der Herrengasse 13 im Zentrum Wiens. Zum ersten Vorstand nach dem Krieg wurde Oberinspektor Ernst Sprung (1909–1992) gewählt. Sprung war Kriminalbeamter im Ständestaat und unter anderem in der Bekämpfung der illegalen Nationalsozialisten eingesetzt. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 12. März 1938 wurde er verhaftet, schwer misshandelt und mit dem ersten Transport in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Im September 1945 trat er wieder in die Polizei in Wien ein und diente in der Staatspolizeilichen Abteilung und ab 1950 als Abteilungsleiter im Sicherheitsbüro. Sprung war ein international anerkannter Experte bei der Bekämpfung des illegalen Glücksspiels und der Falschspieler. Er stand der „Vereinigung der Bundeskriminalbeamten“ bis 1981 vor.
Der Verein erhielt im Februar 1949 das von den Nazis enteignete Vermögen zurück. 1949 bestand in der Vereinigung auch ein Orchester, das von Kriminalbezirksinspektor Donner geleitet wurde.
Im Lauf des nächsten halben Jahrhunderts ging die Bedeutung der „Vereinigung der Bundeskriminalbeamten und deren Freunde“, zu deren Vermögen unter anderem Wohnhäuser zählen, nach und nach zurück. Durch die Polizeireform 2005 und den damit zusammenhängenden Verlust der Eigenständigkeit der Kriminalbeamten verlor die Interessensvereinigung weiter an Bedeutung. Nach internen Zwistigkeiten kam es 2003 zur Spaltung der Vereinigung. Das Redaktionsteam der von der Vereinigung herausgegebenen Fachzeitschrift „Der Kriminalbeamte“ gründete einen eigenen Verein, den „Verband der Kriminalisten Österreichs“ und gründete die Fachzeitschrift „Kriminalpolizei“.

Vereinigung Kriminaldienst Österreich.

Nina Kaiser (Universität Graz): Festvortrag über den Begründer der modernen Kriminalistik und Kriminologie Prof. Hans Gross.
Nina Kaiser (Universität Graz):
Festvortrag über den Begründer
der modernen Kriminalistik und
Kriminologie Prof. Hans Gross.
© VKÖ/K. Schöndorfer

Eine Neuorientierung der Vereinigung gab es 2009. Bei der Generalversammlung am 30. Jänner 2009 wurde ein neuer Vorstand gewählt, Vereinspräsident wurde der Kriminalbeamte und ehemalige IPA-Generalsekretär Richard Benda. Die Statuten wurden adaptiert und es wurde beschlossen, die Interessensorganisation mit 1. Februar 2009 in „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ (VKÖ) umzubenennen, um den Verein für alle Bediensteten zu öffnen, die eine kriminalpolizeiliche Tätigkeit ausüben. Das Bildungsangebot wurde erweitert und es erfolgte eine Vernetzung mit anderen Institutionen, wie dem „Kuratorium Sicheres Österreich“ (KSÖ), dem „Bund deutscher Kriminalbeamten“ (BdK) und der Donau-Universität Krems.
Der „Wissenschaftliche Beirat“ der VKÖ vergibt Stipendien. Die VKÖ ist seit 2016 mit Sektionen in allen Bundesländern vertreten. Hauptaufgaben sind Soziales, Fortbildung und Imagebildung für den Kriminaldienst. Die Vereinigung vergibt Geldaushilfen, Begräbniskostenzuschüsse und unterstützt Polizisten, die nach Wien kommen, mit Startwohnungen und Gästezimmern.

„100 Jahre in 100 Minuten“

„100 Jahre in 100 Minuten“ war der Titel der VKÖ-Jubiläumsveranstaltung, die bedingt durch die Covid-Pandemie um ein Jahr verschoben am 1. Oktober 2021 in den Sophiensälen in Wien stattfand. Bei der Generalversammlung davor wurde Dieter Csefan, BA MA als Nachfolger von Richard Benda zum Präsidenten gewählt. Csefan leitet seit August 2021 die Abteilung 3 (Ermittlungen, organisierte und allgemeine Kriminalität) im Bundeskriminalamt (BK). Mag. Manuel Scherscher, stellvertretender Direktor- des Bundeskriminalamts, bezeichnete ihn als „natural born Kieberer“.
Der neue VKÖ-Präsident Dieter Csefan nannte vier strategische Ziele:

  • Die Aus- und Fortbildung im Kriminaldienst wird verstärkt.
  • Die Vereinigung solle eine starke Interessensvertretung sein, ein wirksames Sprachrohr des Kriminaldienstes, ohne aber eine Konkurrenz der Personalvertretung zu bilden.
  • Kriminalisten sollen durch Schaffung von adäquaten Wohnungen unterstützt werden.
  • Der Kriminaldienst soll attraktiviert werden.

Innenminister Karl Nehammer betonte in einer Videobotschaft, dass er es schätze, dass sich die VKÖ mit den kriminalistischen Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetze. Die Vereinigung leiste in verschiedenen Problemfeldern wie Menschenhandel, Cyberkriminalität und sexueller Missbrauchs immer wieder wesentliche Beiträge, um neue Erkenntnisse gewinnen zu können und diese der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Nehammer bedankte sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kriminaldienstes, die nicht selten ihre Gesundheit oder ihr Leben aufs Spiel setzen würden, um Straftaten zu verhindern und aufzuklären: „Sie sind Garanten für die Sicherheit in unserem Land und dies besonders in Krisenzeiten.“

Wissenschaft und Praxis.

VKÖ-Jubiläumsveranstaltung „100 Jahre in 100 Minuten“: Ernst Geiger, Dieter Csefan, Alfred „Django“ Rupf, Richard Benda.
VKÖ-Jubiläumsveranstaltung „100 Jahre in 100 Minuten“:
Ernst Geiger, Dieter Csefan, Alfred „Django“ Rupf, Richard Benda.
© VKÖ/K. Schöndorfer

Dr. Nina Kaiser vom Hans-Gross-Zentrum für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften, eine Schnittstelle der Karl-Franzens-Universität Graz zur Praxis, berichtete in ihrer Festrede aus dem Wirken des Grazer Juristen Hans Groß (1847-1915), des Begründers der wissenschaftlichen Kriminologie und Kriminalistik. Dessen erstmals 1893 erschienenes „Handbuch für Untersuchungsrichter“ war mehr als ein halbes Jahrhundert das Standardwerk für Richter, Staatsanwälte und Kriminalisten. Heute noch sind viele seiner grundlegenden Aussagen und Erkenntnisse unverzichtbare Bestandteile der Ermittlertätigkeit.
Hans Groß wurde wie sein Vater Strafrichter, danach Staatsanwalt und Senatsvorsitzender am Appellationsgericht Graz. Seine berufliche Karriere setzte er fort als Universitätsprofessor für Straf- und Strafprozessrecht in Czernowitz, Prag und schließlich in Graz. Hans Groß stellte eine „Kommissionstasche“ zusammen, sie enthielt Utensilien, die der Untersuchungsrichter am Tatort benötigte. 1894 erschien das „Lehrbuch für den Ausforschungsdienst der k.k. Gendarmerie“. Darin forderte Groß erstmals, Hunde bei der Mithilfe zur Aufklärung bestimmter Straftaten einzusetzen. 1901 veröffentlichte Groß die „Encyclopädie der Kriminalistik“. Darin beschreibt er detailreich Erscheinungsformen der Kriminalität und die Tätertypen.
1896 richtete Hans Groß in Graz eine Lehrmittelsammlung ein, die erste dieser Art in Europa. Sie diente zur Ausbildung von Studenten, Untersuchungsrichtern und Kriminalbeamten. Die meisten Objekte waren Beweismittel. 1898 veröffentlichte Groß das Werk „Kriminalpsychologie“, das sich mit der Erforschung der Täterpersönlichkeit befasste. Im selben Jahr erschien der erste Band der Zeitschrift „Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik“ – als Ergänzung des „Handbuchs für Untersuchungsrichter“. 1912 gründete Groß das „k. k. Kriminalistische Instituts an der Universität Graz“ – das weltweit erste Institut dieser Art.
„Ohne Wissenschaft gibt es keine erfolgreich Praxis und ohne Praxis keine erfolgreiche Wissenschaft“, betonte Nina Kaiser.

W. S.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2021

Druckversion des Artikels  (PDF, 598 kB)