Kriminalitätsbekämpfung

800 Festnahmen weltweit

Operation „Achilles“: Von Ermittlerinnen und Ermittlern in Österreich sichergestellte illegale Suchtmittel, Waffen und Bargeld.
Operation „Achilles“: Von Ermittlerinnen und Ermittlern in Österreich
sichergestellte illegale Suchtmittel, Waffen und Bargeld.
© Bundeskriminalamt

Bei einer weltweiten Operation gegen OK-Gruppen in 16 Ländern wurden 800 Verdächtige festgenommen, 90 davon in Österreich. Den Kriminellen wurde die vermeintlich sichere Kommunikation über verschlüsselte Handys zum Verhängnis.

Bei einer weltweiten Aktion gegen das organisierte Verbrechen am 7. Juni 2021 waren 9.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz und nahmen 800 Personen in 16 Ländern fest. Österreich war ebenfalls Teil des „Action-Days“, bei dem 400 Polizistinnen und Polizisten in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg im Einsatz waren. Die Arbeitsgemeinschaft (AG) „Achilles“ des Bundeskriminalamts leitete die Operation in Österreich.

AG Achilles.

Organisierte Tätergruppen aus dem Westbalkan sind weltweit vor allem im Bereich der Suchtmittelkriminalität tätig. Österreich dient ihnen als Ost-West-Drehscheibe für den Suchtmittelhandel. Zu den kriminellen Machenschaften zählen auch Waffenhandel sowie Gewaltdelikte.
Mit der seit 1. April 2021 laufenden Operation „Achilles“ erhielt das Bundeskriminalamt aufgrund der Zusammenarbeit mit dem FBI und Europol Daten aus dem verschlüsselten Krypto-Messenger-Service Anom. Später kamen noch Datensätze von zwei weiteren Diensten hinzu: EncroChat und Sky ECC. Bei rund 12.000 Anom-, rund 60.000 EncroChat- und rund 170.000 Sky-ECC-Geräten/Nutzern, wobei mehrere Tausend Geräte davon in Österreich benutzt worden waren, war es für das 14 Mitglieder zählende Kernteam der AG bisher nur möglich, die Daten von den Anom-Geräten der letzten sechs Monate auszuwerten.
„Seit Anfang April 2021 arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AG Achilles an der Auswertung von Tausenden Chats. Viele Millionen Chats konnten noch nicht begutachtet werden. Das ist eine unfassbare Menge an Datensätzen, die ohne Erweiterung der Arbeitsgemeinschaft nicht mehr bewältigbar ist. Daher suchen wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die idealerweise serbokroatische Sprachkenntnisse aufweisen“, erklärt der Leiter der AG Achilles im Bundeskriminalamt Ministerialrat Dieter Csefan, BA MA.

Krypto-Handys.

Um abhörsicher untereinander kommunizieren und „sicher“ ihren strafbaren Handlungen nachgehen zu können, hatten die Mitglieder verschlüsselte Krypto-Handys verwendet. Diese Anom-Handys wurden vorwiegend von den Führenden der kriminellen Organisation benutzt, um Weisungen zu erteilen und den Suchtmittelhandel sowie Geldwäscherei über die nationalen Grenzen hinaus zu organisieren. Anom-Handys sehen zwar wie normale Handys aus, können aber nicht geortet oder zurückverfolgt werden. Ein Telefonieren oder SMS-Versenden ist mit ihnen nicht möglich und auch das Navigationssatellitensystem GPS ist nicht inkludiert. Die Chat-Funktion, mit der die Mitglieder untereinander kommunizierten, verbarg sich hinter der Taschenrechner-App.

Verbreitung der Handys.

Das FBI schaffte es, den Entwickler von Anom anzuwerben und für sie arbeiten zu lassen, in dem sie ihm im Gegenzug vor einer Gefängnisstrafe bewahrten. Dadurch gelang es ihnen, die Geräte unter den Kriminellen zu vermarkten und zu verbreiten. Nicht ahnend, dass das FBI über die Verschlüsselungscodes verfügte und dadurch alle Nachrichten mitlesen konnte, fanden die Krypto­Handys großen Anklang in den kriminellen Organisationen.
Durch die eindeutige Kennung der Geräte besitzt das FBI eine Liste der weltweit agierenden Nutzer dieser Krypto-Handys. Infolge der internationalen Kooperation wurden der AG Achilles die Daten zur Auswertung zur Verfügung gestellt.

Kommunikation untereinander.

Aufgrund der vermeintlichen Sicherheit der verschlüsselten Handys kommunizierten die Mitglieder der kriminellen Organisationen offen über ihre Taten, deren Ursprung oftmals im internationalen Suchtmittelhandel lag. Die Ermittlerinnen und Ermittler fanden nicht nur eindeutige Textnachrichten, Fotos und Videos rund um den Verkauf der Waren, sondern auch Bildmaterial, das die Kriminellen lachend über einen leblosen Körper und mit dem abgetrennten Kopf des Opfers posierend zeigen.
„Solche Szenen kennen wir von Kriegsschauplätzen oder Terrorakten, aber nicht von Mitteleuropa. Österreich ist von diesen Taten genauso betroffen, denn der Auftraggeber kann sich in Österreich befunden haben oder die Taten haben sich in Österreich ereignet“, sagt der operative Leiter der AG Achilles, Brigadier Daniel Lichtenegger, BA MA MA.

Das Ziel

Das Ziel der AG Achilles ist die Zerschlagung der Tätergruppen und -strukturen.
Das Ziel der AG Achilles ist die Zerschlagung der Tätergruppen
und -strukturen. © Pressmaster/Stock.adobe.com

Das Ziel der AG Achilles ist die Zerschlagung der Tätergruppen und -strukturen im In- und Ausland, die Analyse und das Erkennen weiterer Zusammenhänge sowie die Verhinderung weiterer Delikte. Zudem wird zurzeit auch bei Europol die Installierung einer eigenen Operational Taskforce (OTF) in Bezug auf den Balkan geprüft, in der dem Bundeskriminalamt eine federführende Rolle zukommen soll. „Wir sehen ein zunehmend brutales Vorgehen der Täter, deshalb ist die Zerschlagung dieser Netzwerke von großer Bedeutung, und das gelingt nur mit einer sehr gut funktionierenden internationalen Zusammenarbeit. Dank der Einblicke in die Chatverläufe konnten wir sogar Auftragsmorde in Serbien verhindern, der Auftraggeber befand sich dabei in Österreich“, berichtet Lichtenegger.

Bilanz Österreich.

Die Mitglieder der AG Archilles des Bundeskriminalamts wurden beim Zugriff im Juni von Kräften der beteiligten Landeskriminalämter sowie Zugriffskräften der Cobra und Wega unterstützt. Die nach wie vor andauernde Operation ist unter verschiedenen Namen zu finden: in Österreich „OP Achilles“, beim FBI „Trojan Shield“, in Australien „Ironside“ oder bei Europol „OTF Greenlight“. Die österreichischen Beamtinnen und Beamten nahmen bisher 122 Tatverdächtige fest und stellten 41 Kilogramm Kokain sicher, 28 Kilogramm Heroin, ein Kilogramm Amphetamin, 21.147 Cannabispflanzen, 427 Kilogramm Marihuana, 261 Kilogramm Cannabisharz, 60 Kilogramm Streckmittel und 835.000 Euro Bargeld sowie 36 Waffen und über 1.000 Schuss Munition. Im Zuge der Razzien wurde in Wien ein führender Kopf des Balkan-Clans „Kavac“ festgenommen. Er soll in Belgrad drei tödliche Attentate auf Mitglieder des verfeindeten „Skaljari“-Clans organisiert haben. Nachdem er zuvor in der Türkei und anschließend in Griechenland untertauchte, ließ er sich unter falscher Identität letztendlich in Wien nieder. Bei seiner Festnahme am 7. Juni 2021 wurden zudem zehn Kilogramm Heroin bei ihm gefunden.

Erste Verurteilung.

Unterdessen ging am 22. September 2021 der erste große Prozess am Wiener Straflandesgericht mit einem Schuldspruch zu Ende. In der Operation Achilles konnte ein serbischer Staatsbürger ausgeforscht werden, der in Wien Kokain, Heroin und Marihuana übernommen und weitergegeben hatte. Auch er hatte eines der Anom-Handys in Verwendung, wodurch die Ermittlerinnen und Ermittler auf seine Spur kamen. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, das Urteil ist rechtskräftig. Hierbei handelte es sich um einen der ersten „kleinen Täter“.

Syndikate im Visier.

Der Erfolg der AG zeigt sich nicht nur in der Bilanz des „Action-Days“, denn im Laufe der Analysen der Anom-Handys wurden die Ermittlungen von drei auf 30 Syndikate verzehnfacht. Zudem konnten noch zu über 100 anderen Syndikaten Querverbindungen gefunden werden. Zusätzlich zum Anom-Messenger ist die Auswertung des noch umfangreicheren Sky-ECC-Messengers von großer Bedeutung. „Wir forschen ständig neue Tatverdächtige aus und dank der hervorragenden Zusammenarbeit können wir sie der Justiz zuführen. Hier arbeiten wir eng mit der Abteilung für organisierte Kriminalität der Staatsanwaltschaft Wien zusammen. Auch Altfälle im Bereich der Gewalt- und Suchtmittelkriminalität konnten bereits wieder aufgenommen und Hintermänner ausgeforscht werden“, erklärt Brigadier Lichtenegger.

Mitarbeit in der AG Achilles.

Das Team der AG sucht Polizistinnen und Polizisten, die Interesse an der Mitarbeit haben. Informationen gibt es im BMI-Intranet unter Jobs und Ausschreibungen oder per Anfrage an BMI-II-BK-3-Achilles@bmi.gv.at.

Romana Tofan


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2021

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