Polizeigeschichte

Die Wiener „Skorpione“

„UNO-City“ in Wien: Zum Schutz des Gebäudekomplexes gründete die Polizei die Sicherheitswacheabteilung „Donaustadt Nord (22N)“.
„UNO-City“ in Wien: Zum Schutz des Gebäudekomplexes
gründete die Polizei die Sicherheitswacheabteilung
„Donaustadt Nord (22N)“.<
© Gregor Wenda

Von 1979 bis 1992 bestand bei der Wiener Polizei die „Sicherheitswacheabteilung Donaustadt Nord“, inoffiziell „Skorpione“ genannt. Neben der Außenbewachung des UNO-Komplexes wurde sie unter anderem zur Bekämpfung der Jugendkriminalität auf der Donauinsel eingesetzt.

Wien wurde 1979 zu einem der Sitzstaaten der Vereinten Nationen: Nach sechsjähriger Bauzeit eröffnete im 22. Bezirk das Vienna International Centre. Zum Schutz des Gebäudekomplexes, der als „UNO-­City“ bekannt wurde, gründete die Wiener Polizei die Sicherheitswacheabteilung „Donaustadt Nord (22N)“, die organisatorisch dem Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt zugeordnet war.
1987 sollte die Schutztruppe modernisiert und reorganisiert werden. Neuer Kommandant wurde Oberleutnant Alfred Czech, der sich dafür einsetzte, das Aufgabengebiet der Abteilung – das bis dahin ausschließlich in Patrouillen entlang des Zauns der UNO-City bestanden hatte – zu erweitern. Da die UNO als mögliches Terrorziel galt, wurde das Schießtraining ausgebaut. Gleichzeitig begannen die Angehörigen der Abteilung „22N“ aktiv Teile des 22. Bezirks, vor allem den Donaupark, die Donauinsel, das Entlastungsgerinne oder die Lobau, zu bestreifen. Ihre Dienststelle befand sich im Austria Center.

Erscheinungsbild.

Um sich im Erscheinungsbild von regulären Bezirkskräften zu unterscheiden, griffen die Polizisten zu Einsatzoveralls – zuerst in Petrolfarbe, ab 1989 in Grau wie die Alarmabteilung „WEGA“. Dazu wurde ein schwarzes Barrett getragen. Zu dieser Zeit verzeichnete die Polizei auf der „Copa Cagrana“, der Lokal- und Ausgehzone der Donauinsel, eine Zunahme an Delikten, die vom Suchtgifthandel über Raufereien bis zu Überfällen reichten.

Rufname Biber.

Die Beamten der Abteilung „22N“, die durch die Nähe zur Donau und zur Alten Donau den Funkrufnamen „Biber“ verwendeten, kontrollierten die Brennpunkte in Uniform und in Zivil und konnten zur Beruhigung der Situation auf der „Copa Cagrana“ beitragen. Aus dieser Zeit rührte der interne Spitzname „Skorpion“, da die Beamten nach eigener Definition „unauffällig, schnell und wirkungsvoll“ ihren Dienst versahen.

Logo.

Inoffizielles „Skorpione“-Abzeichen.
Inoffizielles „Skorpione“
Abzeichen. © Gregor Wenda

Anfang der 1990er-Jahre wurde sogar ein Logo mit einem Skorpion und der Silhouette der UNO-City kreiert, das jedoch nie offiziell genehmigt wurde. Die Abteilung war in vier Kompanien untergliedert und zählte etwa 70 Angehörige. Nach und nach wurde die Abteilung „22N“ vom Generalinspektorat der Wiener Sicherheitswache auch in anderen Bereichen herangezogen – etwa zur Sicherung von Fußballspielen und Demonstrationen im „Großen Sicherheitspolizeilichen Ordnungsdienst“ oder zu Räumungseinsätzen bei Hausbesetzungen. Seit den späten 1980er-Jahren zog es neu formierte Jugendbanden wie die „Red Brothers“ oder die „Skinheads“ auf die Donau­insel. Die Bekämpfung der Bandenkriminalität wurde zu einem der Schwerpunkte der Arbeit der Abteilung „22N“ – durch viel Präsenz, aber auch durch die Beschaffung von Informationen aus der Szene und den laufenden Kontakt mit Jugendlichen. Das zum Teil unkonventionelle Auftreten der Beamten, die etwa „Bandanas“ (Kopftücher) verwendeten, um ins Gespräch zu kommen, erhöhte ihren Bekanntheitsgrad, trug ihnen aber – so wie verschiedene kontroversielle Einsätze – auch Kritik der Polizeiführung ein.

Auflösung.

Dass die „Skorpione“ alternierend zur „Alarmabteilung“ der Wiener Polizei einzelne Sektoren mit dem Funkwagen bestreiften und auch bei Hausdurchsuchungen oder staatspolizeilichen Einsätzen herangezogen wurden, führte Anfang der 1990er-Jahre zu Diskussionen über die Rolle der „Skorpione“, insbesondere in Abgrenzung zur „Alarmabteilung“. Am 8. Mai 1992 entschied Innenminister Franz Löschnak, die Abteilung „Donaustadt Nord“ aufzulösen. Bis zum Juni 1992 wurde ein Großteil der Beamten zur WEGA oder zurück in den regulären Kommissariatsdienst versetzt. Der von Beamten der Abteilung „22N“ gepflogene Kontakt mit Jugendlichen und die Arbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der Jugendkriminalität wurden primär von Angehörigen der „Alarmabteilung“ übernommen; auch im Generalinspektorat der Sicherheitswache wurde in weiterer Folge ein Jugendschwerpunkt gesetzt.

Gregor Wenda


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2022

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