Gedenkstätten für Exekutivbeamte (11)

Kempen-Kreuz und Grabmal

Kempen-Kreuz im Föhrenwald in Wiener Neustadt: Im Herbst 2022 saniert.
Kempen-Kreuz im Föhrenwald in Wiener Neustadt:
Im Herbst 2022 saniert.
© Dieter Höller/LPD NÖ

Der erfolgreiche Armeeoffizier Johann Kempen von Fichtenstamm stellte 1849/50 die Gendarmerie in der Monarchie auf. An ihn erinnern das Kempenkreuz und ein Grabstein in Wiener Neustadt.

Die wesentlichste dauerhafte Errungenschaft der Revolution 1848 war die Bodenreform, verbunden mit der „Bauernbefreiung“. Anstelle der Grundherrschaften, die für die Verwaltung, Ordnung, Sicherheit und niedere Gerichtsbarkeit zuständig waren, traten Gemeinden, Bezirkshauptmannschaften und Gerichte. Um außerhalb der großen Städte, in denen es (städtische) Sicherheitswachen gab, einen funktionierenden Apparat für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit zu schaffen, wurde im Juni 1849 die Gendarmerie nach dem Muster der lombardischen Gendarmerie eingerichtet.
Mit der Aufstellung des Wachkörpers wurde ein einflussreicher Armeeoffizier betraut: Johann Franz Kempen von Fichtenstamm, geboren am 26. Juni 1793 in Pardubitz in Ostböhmen. Sein Vater Heinrich Kempen wurde als langjähriger und verdienstvoller Offizier geadelt (Namenszusatz „von Fichtenstamm“).
Johann Kempen von Fichtenstamm schaffte es, in kurzer Zeit einen funktionierenden Wachkörper aufzubauen. Jede Infanterie- und Jägerkompanie musste an die neue Gendarmerie drei und jede Eskadron zwei Soldaten entsenden. Um zu verhindern, dass unfähige Soldaten bei der Gendarmerie landeten, verfügte Kempen, dass die Kandidaten bei Nichtentsprechen auf Kosten des jeweiligen Regiments zurückgeschickt würden. Die Organisation, Aufgaben und Befugnisse des neuen Wachkörpers wurden im Gendarmerie-Gesetz vom 18. Jänner 1850 festgelegt. Die Gendarmerie war für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit zuständig und Teil der Armee. Ihre Angehörigen waren daher der Militärgerichtsbarkeit unterworfen. Im April 1850 war ein Großteil der vorgesehenen Stärke erreicht und es wurden 16 Gendarmerieregimenter eingerichtet. Das Gesetz vom 18. Jänner 1850 legte die Organisation, die Befugnisse und die Aufgaben der Gendarmerie fest. Die Gendarmerie war Teil der Armee und die Gendarmen waren der Militärgerichtsbarkeit unterworfen. Kempen von Fichtenstamm wurde der erste Kommandant (Generalinspekteur) der Gendarmerie. In den folgenden Jahren weitete er seine Machtfülle beträchtlich aus. 1851 wurde er Leiter des Militär-Gouvernements in Wien, das unter anderem für Angelegenheiten der Staatspolizei, der Presse und des Versammlungswesens zuständig war. Ab 1852 leitete er die „Oberste Polizeibehörde“, eine vom Ministerium des Inneren unabhängige und dem Kaiser direkt untergebene Zentralstelle, der die Statthalter unterstellt waren. Er erhielt auch das Straf- und Begnadigungsrecht sowie das Ehebilligungsrecht über alle Angehörigen des Wachekorps. Er baute den geheimen Ausforschungsdienst aus und stellte ein Heer von Geheimagenten und Konfidenten auf. Kempen ließ die Tätigkeit der lokalen Beamten, der Bezirkshauptleute, Richter und Statthalter sowie von Ministern und hohen Militärs überwachen. Viele Gendarmerieberichte stützten sich auf Vermutungen und nicht auf Beweise. Das führte zu Konflikten mit anderen Behörden und dem Militär. Kempen besetzte eine Reihe polizeilicher Leitungsfunktionen mit Militärs und nahm etwa 30 Offiziere in den Konzeptsdienst der Polizei auf. Einige von ihnen wurden Polizeidirektoren; ein Generalmajor wurde Sektionschef in der Obersten Polizeibehörde.
1853 wurden Kempen und die Gendarmerie entmachtet. Der Kaiser „entmilitarisierte“ die Oberste Polizeibehörde und die Gendarmerie wurde ausgegliedert. Die Oberste Polizeibehörde wurde umorganisiert und in „Polizeiministerium“ benannt. Feldmarschallleutnant Kempen wurde 1854 in den Freiherrn-Stand erhoben, im August 1859 pensioniert und zum Feldzeugmeister befördert. Er erhielt zusätzlich zu seinem Ruhestandsbezug eine jährliche Apanage von 4.000 Gulden. Verheiratet war er in zweiter Ehe mit Sophie Friedericke, geb. Pacher von Theinburg (1814–1905). Den letzten Lebensabschnitt verbrachte Kempen in Schwarzau am Steinfeld, wo er am 29. November 1863 starb.
Die Gendarmerie wurde personell reduziert und 1866 in 15 Landesgendarmeriekommanden untergegliedert. In dienstlichen und ökonomischen Belangen war sie dem Innenministerium, in militärischen und disziplinären Belangen dem Armeeoberkommando unterstellt. Es gab immer wieder Reformen. Nach dem Ende der Monarchie 1918 wurde die Gendarmerie in einen nach militärischem Muster organisierten Zivilwachkörper umgewandelt und dem Innenressort unterstellt. Mit der am 1. Juli 2005 in Kraft getretenen großen Polizeireform wurden die Bundesgendarmerie, die Sicherheitswache, das Kriminalbeamtenkorps und Teile der ehemaligen Zollwache zur neuen, österreichweit einheitlichen „Bundespolizei“ mit neuer, dunkelblauer Uniform zusammengeführt. Damit endete die 156-jährige Geschichte der Gendarmerie in Österreich.

„Kempen-Kreuz“.

Bildungszentrum Traiskirchen: Exponate aus dem Nachlass des Gendarmeriegründers Johann Kempen von Fichtenstamm.
Bildungszentrum Traiskirchen: Exponate aus dem Nachlass
des Gendarmeriegründers Johann Kempen von Fichtenstamm.
© Dieter Höller/LPD NÖ

Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm ließ 1859 anlässlich seines 50-jährigen Dienstjubiläums und bevorstehenden Ruhestands im Föhrenwald in Wiener Neustadt eine hölzerne Bethalle errichten, in der sich ein Holzkreuz befand. Die Einweihung erfolgte am 29. Juni 1859. Kempen von Fichtenstamm vermerkte darüber in seinem Tagebuch: „29. Juni. Feiertag. Heute fand im Föhrenwalde nächst Schwarzau die feierliche Einweihung des Kreuzes in der Bethalle, welche ich erbauen ließ, um 3 Uhr nachmittags statt. Der Kreisvorstand Graf Coudenhove, General Knoll, mehrere Stabsoffiziere, einige Verwandte von mir und bei 6000 Menschen fanden sich bei der Weihe ein. Die bewaffneten Bürger von Wiener-Neustadt, von ihrem Bürgermeister Purgleitner geführt, standen nächst der geschmückten Bethalle in Parade. Der Neustädter Pfarrprobst Karl Gößmann unter Assistenz vieler Priester vollzog die Weihe durch eine angemessene Rede, dann durch ein stilles Gebet am Fuße des Kreuzes, kniend von einem Priester um den andern dargebracht, während der Neustädter Gesangverein auferbauliche Gesänge ertönen ließ. Kein Auge fühlender Seelen blieb ungenäßt. Der kirchlichen, alle Gemüter erhebenden Feierlichkeit folgte ein schönes, frohes Volksfest, welches ein wahrhaft vaterländisches Gepräge hatte. Unter einem Zelte wurden die geladenen Gäste bewirtet und auch für die übrigen Anwesenden war gesorgt. Musik ertönte und insbesondere mir wurden viele Ehren erwiesen, als ich das frohe Gewimmel durchging. Es ergriff mich die tiefste Rührung, dass, während die Masse sich vergnügte, die Bethalle von Andächtigen vollgedrängt war, welche vor dem Kreuze auf ihren Knien lagen. Dies war der letzte, wahrhaft auferbauende Eindruck des Festes, als ich an der Bethalle vorüber um 7 Uhr nach Hause fuhr. Erst am 14. September, also nach zehn Wochen, kam ich dazu, diesen Tag der Andacht und der Befriedigung meiner Seele näher zu verzeichnen. Er war für lange, lange Zeit mein frohester Tag. Wie wenig ahnte ich damals, als ich fromm gebetet und als ich stolz war auf meine Treue für den Kaiser, daß der Glaube und die Treue einer harten Prüfung unterzogen würden. Indes ich werde standhaft beides wahren, bis ich selbst erlösche.“

Die Bethalle

Grabstätte von Johann Kempen Freiherr von Fichtenstamm in Wiener Neustadt.
Grabstätte von Johann Kempen
Freiherr von Fichtenstamm in Wiener Neustadt.
© Dieter Höller/LPD NÖ

Die Bethalle gibt es seit vielen Jahren nicht mehr, aber das Kreuz blieb bestehen. Es handelt sich um ein überdachtes Holzkreuz mit Kruzifix auf einem Steinsockel. Die Inschrift auf der Tafel lautet: „Den andächtigen / Waldbesuchern / durch die Minificenz / Sr. Excellenz des Herrn / k. k. Feldmarschalllieutnants / Joh. Freiherrn Kempen / von / Fichtenstamm / im Jahre 1859 gewidmet.“ Darunter befindet sich eine neuere Tafel mit der Aufschrift: „Feldmarschallleutnant / Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm / 1793 – 1863 / Der Gründer der österreichischen Gendarmerie / im Jahre 1849“.
Neben dem Kreuz befindet sich eine Zusatztafel mit einer Information über Kempen von Fichtenstamm und die Eröffnungsfeier 1853.
Das Holzkreuz wurde in den Jahren 1912, 2001, 2009 und 2021 renoviert. Betreut wird das Kempen-Denkmal von Beamtinnen und Beamten des Bildungszentrums Traiskirchen und vom Grundeigentümer, der Wiener Neustädter Stadtwerke und Kommunal Service Gesellschaft m.b.H. Bedienstete der Stadtwerke restaurierten das Kreuz im Herbst 2021. Sie verankerten das Kreuz in einem wetterfesten Metallgestell und entfernten defekte Teile des Holzes. Es besteht nun keine Gefahr für Besucher mehr und der Gedenkort ist wieder frei zugängig.

Grabstätte.

Feldzeugmeister Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm wurde am 2. Dezember 1863 auf dem Friedhof der Theresianischen Militärakademie (Akademiefriedhof) in Wiener Neustadt bestattet. Auf dem Grabstein befindet sich folgende Inschrift: „Johann Franz / Freiherr / Kempen von Fichtenstamm / S.M.GEHEIMER RAT UND FELDZEUGMEISTER / INHABER DES GROSSKREUZES / DES LEOPOLDORDENS ETC. / EHRENBÜRGER VON WIEN UND AND. STÄDTE / 2. INHABER DES INF.RGT NR. 32 / 1852-1859 / CHEF DER OBERSTEN POLIZEIBEHÖRDE UND / GENERAL-INSPEKTOR DER GENDARMERIE / GEB.26.JUNI 1793 – GEST.29.NOV.1863 / Sophie Friedericke / Freifrau / Kempen von Fichtenstamm / GEB. PACHER VON THEINBURG / GEB.28.OKT.1814 – GEST.20.NOV.1905“. Auf dem Sockel des Grabsteins befindet sich die Inschrift: „GRÜNDER DER ÖSTERREICHISCHEN GENDARMERIE / RENOVIERT 1968 GEND. ZENTRALKOMMANDO“.
Die Grabstätte wurde 1863 errichtet. Das Gendarmeriezentralkommando (GZK) im Bundesministerium für Inneres (BMI) veranlasste 1968 die Renovierung der Grabstätte, die heute wieder sanierungsbedürftig ist. Jedes Jahr am Todestag Kempens von Fichtenstamm legen Polizistinnen und Polizisten vom Stadtpolizeikommando Wiener Neustadt beim Grab einen Kranz nieder.

Kempen-Nachlass.

Im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie (BZS) Traiskirchen befinden sich im Erdgeschoß und im ersten Stock zahlreiche Vitrinen mit Exponaten aus der Geschichte der Gendarmerie, darunter Dokumente, Briefe und persönliche Gegenstände aus dem Besitz von Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm. Sie stammen aus dem Nachlass des Gendarmeriegründers. Der Nachlass mit etwa 100 Gegenständen, darunter ein Tagebuch, wurde im Jahr 2000 von der Österreichischen Beamtenversicherung (ÖBV) für den Verein „Gendarmerie aktiv“ (später: „Polizei aktiv“) erworben und im November 2003 dem BZS Traiskirchen als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Der Verein schenkte den Kempen-Nachlass im November 2009 dem Bildungszentrum Traiskirchen.

Werner Sabitzer


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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