Interview

Blackout – was tun?

Siegfried Jachs: „Jeder sollte sich schon im Vorfeld eines solchen Ereignisses überlegen, wie er oder sie mit einer solchen Situation umgeht.“
Siegfried Jachs: „Jeder sollte sich schon im Vorfeld eines
solchen Ereignisses überlegen, wie er oder sie mit einer
solchen Situation umgeht.“
© Gerd Pachauer

Mag. Siegfried Jachs, Katastrophenmanager und SKKM-Referatsleiter im Innenministerium, über die Folgen eines flächendeckenden Stromausfalls und wie man sich auf ein Blackout vorbereitet.

Wann spricht man von einem Blackout?

Von einem Blackout spricht man, wenn es sich um einen plötzlichen, länger andauernden und überregionalen Stromausfall handelt, der mehrere Bundesländer oder Länder betrifft und einen Ausfall von Infrastruktur und Versorgung nach sich zieht. 

Wie erkenne ich ein Blackout?

Auf den ersten Blick ist ein Blackout schwer von einem lokalen Stromausfall zu unterscheiden. Wenn der Strom im Haushalt ausfällt, sollte zunächst der Sicherungskasten bzw. der FI-Schalter überprüft werden. Zusätzlich sollte man schauen, wie es mit der Stromversorgung in der Nachbarschaft aussieht: Sind z. B. andere Häuser bzw. Wohnungen beleuchtet? Fahren die Straßenbahnen noch? Ob es sich tatsächlich um ein Blackout handelt, weiß man erst mit Gewissheit, wenn der Übertragungsnetzbetreiber oder die zuständigen Behörden ein solches feststellen und dies via Medien kommunizieren. Daher sollte jeder Haushalt insbesondere ein batteriebetriebenes Radiogerät besitzen, um sich im Ernstfall weiter informieren zu können. Notfalls kann man auch das Autoradio als Informationsquelle nutzen.

Welche Ursachen kann ein Blackout haben?

Es gibt verschiedene Gründe. Etwa, dass durch ein Naturereignis wesentliche Teile des Übertragungsnetzes zerstört werden. Ein anderes Szenario ist ein Angriff auf die Netzinfrastruktur im IT-Bereich – Stichwort: Cybercrime. Es können auch schwere Überlastungen im europäischen Stromsystem bzw. Fehlschaltung des Netzbetreibers zu einem Blackout führen.

Wie realistisch ist es, dass es zu einem Blackout kommt?

Das lässt sich schwer in Zahlen ausdrücken. Klar ist, dass für Netzbetreiber der Aufwand steigt, um das Stromnetz laufend stabil zu halten. Ein Blackout für Österreich ist daher ein Szenario, mit dem man sich auseinandersetzen muss, auf das man sich aber vorbereiten kann.

Wie sehen die Phasen eines Blackouts aus?

Von zentraler Bedeutung sind die ersten Stunden. In der so genannten „Golden Hour“ geht es um den raschen Informationsaustausch und das Erstellen eines ersten Lagebilds. Sprich: um das Erkennen eines Blackouts und erste Einschätzungen. In einem weiteren Schritt steht der Schutz der kritischen Infrastruktur und der Übergang in einen geordneten Notbetrieb im Vordergrund. Parallel dazu müssen die unmittelbaren Auswirkungen des Blackouts minimiert werden. In dieser so genannten „Chaosphase“ geht es beispielsweise darum, den öffentlichen Verkehr zu managen oder Menschen aus blockierten Aufzügen zu befreien.
Bei einem länger anhaltenden Blackout stehen in der „Durchhaltephase“ die öffentliche Sicherheit, die Grundversorgung mit Nahrungsmittel und die medizinische Notversorgung der Bevölkerung im Fokus. Auch die Phase nach der Wiederherstellung des Stromnetzes stellt eine weitere Herausforderung dar, da die Auswirkungen eines Blackouts anhalten und die Versorgungsketten erst nach und nach in Gang kommen werden.

Welche Maßnahmen zur Vorsorge im privaten Bereich empfehlen Sie?

Siegfried Jachs: „Die Herausforderung ist, Menschen mit realistischen Bedrohungsszenarien zu konfrontieren, ohne ihnen Angst zu machen oder sie zu verunsichern.“
Siegfried Jachs: „Die Herausforderung ist, Menschen mit
realistischen Bedrohungsszenarien zu konfrontieren,
ohne ihnen Angst zu machen oder sie zu verunsichern.“
© Gerd Pachauer

Am Wichtigsten ist, Ruhe zu bewahren und bereits einen Notfallplan zu haben. Jeder sollte sich schon im Vorfeld eines solchen Ereignisses überlegen, wie er oder sie mit einer solchen Situation umgeht. Welche Bedürfnisse haben ich und meine Familie? Lebt man zum Beispiel als Single im urbanen Raum ist die Ausgangslage eine völlig andere als jene einer Familie, die in einem Haus mit Ofen und Kamin am Land wohnt und einen Garten hat, wo man in der Not Essen auch am Grill zubereiten kann.
Solche Überlegungen spielen dann eine entscheidende Rolle, wenn es um die Bevorratung mit Wasser, Nahrung und Medikamenten geht. Empfehlungen, woran man bei der Haushaltsbevorratung denken soll und wie man sich bei einem Blackout am besten verhält, findet man etwa in den Ratgebern des Österreichischen Zivilschutzverbandes unter www.zivilschutzverband. at. Ein weiterer Tipp: Niemals den Tank des Autos komplett leerfahren, sondern immer genügend Reserve haben – auch mit Blick auf die Nutzung des Autoradios als Informationsquelle. Man kann auch einen gut erreichbaren Treffpunkt für den Fall festlegen, dass man im Alltag von seiner Familie getrennt wird und Transport und Kommunikation nicht mehr funktionieren.

Wie bereitet sich das Innenministerium auf ein Blackout-Szenario vor?

Das Innenministerium beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit den Herausforderungen eines Blackouts. Es wurden Vorbereitungen auf verschiedenen Ebenen getroffen. Darüber hinaus werden laufend Workshops, Übungen und Projekte durchgeführt sowie Maßnahmen entwickelt, um im Ernstfall die sicherheitspolizeiliche Versorgung aufrechterhalten zu können. Derzeit läuft ein Programm „Blackout-Vorsorge“ des BMI, das die gesamte Zentralstelle und die nachgeordneten Dienststellen umfasst.

Sollten auch Privatpersonen den Krisenfall durchspielen?

Durchaus. Es hilft, die Probe aufs Exempel zu machen und sich selbst die Frage zu stellen, wie man in einer solchen Situation agiert. Wie gut bin ich vorbereitet? Wieviel Vorräte hätte ich aktuell zu Hause, habe ich Taschenlampe, Batterieradio und andere wichtige Dinge griffbereit? Ich empfehle, sich im Vorfeld gut zu informieren, da es einige Dinge gibt, die man als Laie nicht mitbedenkt. Ein Praxis-Experiment zum Beispiel im Rahmen eines Campingausflugs kann helfen, Schwachstellen in seiner persönlichen Blackout-Vorsorge aufzuzeigen.

Wie geht es nach einem Blackout weiter?

Das lässt sich im Detail schwer voraussagen. Klar ist, dass der Netzwiederaufbau nicht auf Knopfdruck funktioniert. Es dauert, bis das Stromnetz nach einem Blackout wieder stabil ist und die Versorgungsketten und Infrastrukturbetriebe wieder in Gang kommen. Daher sollte man auch die Phase nach einem Blackout in seine Vorsorgeplanung miteinbeziehen. Mein Tipp: Bis auf eine elektrische Lichtquelle sollten alle Stromgeräte abgesteckt werden. Dies hilft bei der Wiederherstellung des Stromnetzes, dennoch sieht man so gleich, wenn es wieder Strom gibt.

Was ist die größte Herausforderung in der Bewusstseinsbildung?

Dass Menschen sich nicht gerne mit negativen Szenarien beschäftigen, die in ihrem normalen Alltag keine Rolle spielen. Wie kann ich jemanden auf etwas vorbereiten, das er tendenziell ausblendet? Die Kunst ist, Menschen mit realistischen Bedrohungsszenarien zu konfrontieren, ohne ihnen Angst zu machen oder sie zu verunsichern. Die gute Nachricht ist: Man muss sich nicht vor einem Blackout fürchten, wenn man gut vorbereitet ist.

Interview: Jürgen Belko

Zur Person

Mag. Siegfried Jachs trat 1991 in den öffentlichen Dienst ein und arbeitete in der Abteilung Umfassende Landesverteidigung im Bundeskanzleramt. 2002 wechselte er in das Bundesministerium für Inneres. Seither ist er Leiter des Referates Staatliches Krisen- und Katas­trophenmanagement sowie Zivil- und Bevölkerungsschutz. Er beteiligte sich am Aufbau des heutigen Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements (SKKM). Jachs unterrichtet an der FH Wr. Neustadt und an der Uni Wien im Bereich Katastrophenmanagement. Er absolvierte das Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Wien. 


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2022

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