Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Radfahren bei Alkoholisierung, Eintragungen im Fahrtenschreiber und Nötigung zum unvermittelten Bremsen.

Radfahren bei Alkoholisierung

Radfahrer: Werden Verwaltungsübertretungen bei ein und derselben Radfahrt begangen, müssen sie nicht in einem rechtlichen Zusammenhang miteinander stehen. Eine Mehrfachbestrafung ist daher laut Verwaltungsgerichtshofentscheidung zulässig.
Radfahrer: Werden Verwaltungsübertretungen bei ein
und derselben Radfahrt begangen, müssen sie nicht in
einem rechtlichen Zusammenhang miteinander stehen.
Eine Mehrfachbestrafung ist daher laut Verwaltungs-
gerichtshofentscheidung zulässig.
© Werner Sabitzer

Die Landespolizeidirektion Wien warf einem Radfahrer vor, sieben Verwaltungsübertretungen begangen zu haben. Er habe trotz Rotlichts nicht an der Haltelinie angehalten (1), dem von einem Straßenaufsichtsorgan gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet (2), einen Gehsteig (3) und einen selbstständigen Gleiskörper (4) trotz Verbots in Längsrichtung befahren und sein Fahrrad trotz Dunkelheit nicht beleuchtet (5). Außerdem sei sein Fahrrad nicht mit gelben Rückstrahlern ausgestattet gewesen (6) und er habe es in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (7). Es wurden sechs Geldstrafen von bis zu 400 Euro sowie eine Geldstrafe von 800 Euro für das Alkoholdelikt verhängt. Das Verwaltungsgericht Wien bestätigte das Straferkenntnis.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) wies die dagegen erhobene Revision zurück. Aus der Begründung: Die sieben Verwaltungsübertretungen waren zwar im Rahmen ein und derselben Radfahrt begangen worden, sie standen aber nicht in einem rechtlichen Zusammenhang miteinander. Die Zulässigkeit der Revision musste daher für jede Verwaltungsübertretung gesondert geprüft werden. Bei sechs der sieben Verwaltungsübertretungen wurde jeweils eine Geldstrafe von maximal 400 Euro verhängt. Wegen der Wertgrenzen des § 25a Abs. 4 VwGG war die Revision unzulässig und es kam nicht auf das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an.
Zum Vorwurf der Alkoholisierung – nur hier waren die Wertgrenzen des § 25a Abs. 4 VwGG überschritten – brachte der Radfahrer vor, dass das Verwaltungsgericht Wien nicht vom Vorliegen einer Ermächtigung des Meldungslegers zur Vornahme der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt hätte ausgehen dürfen, wie sie § 5 Abs. 2 StVO voraussetze. Dem entgegnete der VwGH, dass im vorliegenden Fall Organe der Bundespolizei die Atemluft untersucht hätten. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 StVO benötigten Organe der Bundespolizei keine gesonderte Ermächtigung zur Vornahme von Alkomattests. Auf das vom Radfahrer angezweifelte Fehlen einer solchen Ermächtigung sei es daher nicht angekommen.
Der Radfahrer berief sich weiters darauf, dass er die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Messung stets bestritten und Einsicht in den Eichschein verlangt habe, dieser aber nicht vorgelegt worden sei. Da Erkundungsbeweise jedoch allgemein unzulässig sind und der Radfahrer die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Messung – wie er selbst einräumte – stets nur unsubstantiiert bestritt, war das Verwaltungsgericht, so wie der VwGH, nicht verpflichtet, entsprechende Ermittlungen anzustellen.
Schließlich wurde vom Radfahrer vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage, wer bei einem von mehreren Beamten gemeinsam durchgeführten Alkomattest als der durchführende Beamte gelte. Laut VwGH bestimmt das einschreitende Organ allein über die näheren Umstände der Durchführung der Atemluftprobe; es kann sich dabei auch von einem anderen Organ – hier: einer Polizeischülerin – assistieren lassen. Unterstützungshandlungen einer Polizeischülerin im Zuge der Amtshandlung entkräften daher nicht die beweiswürdigende Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass das unterstützte und im Erkenntnis korrekt bezeichnete Organ den Alkomattest durchgeführt hat.
Die Revision erwies sich als unzulässig.

VwGH Ra 2021/02/0138
22.10.2021

Eintragungen im Fahrtenschreiber

Lkws: Fehlende Eintragungen im Fahrtenschreiber während einer Ruhepause begründen eine Verwaltungsübertretung.
Lkws: Fehlende Eintragungen im Fahrtenschreiber während
einer Ruhepause begründen eine Verwaltungsübertretung.
© Werner Sabitzer

Mit Straferkenntnis der BH Oberwart wurde einem Lkw-Lenker ein Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten nach der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr zur Last gelegt. Entgegen Art. 34 Abs. 5 lit. b(ii), (iii) und (iv) dieser Verordnung habe er außerhalb des Fahrzeugs verbrachte Zeiträume, in denen er andere Arbeiten als Lenktätigkeiten verrichtet, sich in Bereitschaft gehalten oder seine Ruhepausen eingehalten habe, nicht mit Hilfe der manuellen Eingabevorrichtung des Fahrtenschreibers auf der Fahrerkarte eingetragen. Er wurde deswegen mit 420 Euro bestraft (§ 134 Abs. 1 und 1b KFG). Das Landesverwaltungsgericht Burgenland wies die Beschwerde als unbegründet ab.
Zur Zulässigkeit der Revision wurde vorgebracht, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des VwGH ab, weil die Angabe der Tat im Spruch des Straferkenntnisses nicht durch bloßes Zitieren übertretener Normen – hier: des KFG und der Verordnung über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr – ersetzt werden könne. Es fehlten eine Konkretisierung der angeblich nicht eingetragenen Zeiträume und der während dieser Zeiten verrichteten Tätigkeiten und die konkrete Art der falschen Bedienung des Kontrollgeräts. „Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist“, sprach der VwGH aus. Es dürfe keine Unklarheit bestehen, wofür der Täter bestraft wurde. Davon sei das Verwaltungsgericht aber nicht abgewichen: Denn im Spruch des Straferkenntnisses wird dem Lkw-Lenker vorgeworfen, den digitalen Fahrtenschreiber für konkret genannte Zeiträume, zu denen er sich nicht im Fahrzeug aufgehalten habe, nicht  betätigt zu haben. Bereits in dieser Unterlassung liegt die Verwaltungsübertretung, weshalb die Tat ausreichend konkretisiert ist.
Da dem Lkw-Fahrer das Unterlassen von Eintragungen in die Fahrerkarte vorgeworfen wurde, waren die Behörde und das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, die während dieser Zeiträume tatsächlich verrichteten Tätigkeiten anzugeben. Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH Ra 2021/02/0129
15.10.2021

Nötigung zum unvermittelten Bremsen

Ein Pkw-Lenker wäre auf Grund einer Stopp-Tafel samt Haltelinie wartepflichtig gewesen. Trotzdem bog er in die Kreuzung ein und nötigte dadurch eine vorrangberechtigte Fahrzeuglenkerin zum unvermittelten Abbremsen. Es wurde festgestellt, dass der Pkw-Lenker das andere Fahrzeug über den an der Kreuzung aufgestellten Verkehrsspiegel in einer Entfernung von 150 m hätte erkennen können, jedenfalls aber in einer Entfernung von 80 m. Zum Zeitpunkt des Losfahrens war das Fahrzeug der Unfallgegnerin 37,5 m entfernt, wobei sie eine Geschwindigkeit von 50 km/h eingehalten hatte. Bis zur Kollision waren 2,7 Sekunden verstrichen und die vorrangberechtigte Fahrzeuglenkerin hätte eine mittlere Bremsverzögerung vornehmen müssen, um eine Kollision zu vermeiden.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich setzte die Geldstrafe von 140 auf 110 Euro herab, wies ansonsten aber die Beschwerde des Pkw-Lenkers als unbegründet ab.
Zur Zulässigkeit der Revision wurde vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe die Entfernung der Fahrzeuge im Zeitpunkt des Losfahrens des Pkw-Lenkers nicht festgestellt. Laut VwGH ließ sich dem Erkenntnis die Entfernung der Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt, als der Lenker den Abbiegevorgang eingeleitet hatte, ausreichend deutlich entnehmen. Demnach habe das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung eine Distanz der Fahrzeuge von 37,5 m zu Grunde gelegt. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung sei vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung halte den Prüfkriterien stand.
Auch die Strafbemessung stelle als einzelfallbezogene Abwägung keine grundsätzliche Rechtsfrage dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine falsche oder fehlende Feststellung über die Unbescholtenheit nicht erfolgreich geltend gemacht werden, wenn die Strafe – wie hier – im Hinblick auf die Schwere der Übertretung angemessen sei. Die Revision war daher zurückzuweisen.

VwGH Ra 2021/02/0195
30.09.2021

Valerie Kraus


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2022

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