Einsatzkommando Cobra

Rasch und lautlos    

Seit 35 Jahren unterstützen Diensthunde das Einsatzkommando Cobra, um bei Zugriffen Zielpersonen zu fixieren und Gefährdungslagen zu beenden.

Zugriffshunde des EKO Cobra: Zweck ihres Einsatzes ist die rasche Beendigung der von einem Täter ausgehenden Gefährdung.
Zugriffshunde des EKO Cobra: Zweck ihres Einsatzes ist die rasche Beendigung der von einem Täter ausgehenden Gefährdung.
© www.christianmann.at

Vorsichtig nähern sich mehrere Cobra-Einsatzbeamte einem Haus, in dem sich ein mit einer Pistole bewaffneter Straftäter verschanzt hat. Mit im Team: ein Diensthund des Einsatzkommandos (EKO) Cobra. Beim Umrunden des Hauses hebt der Diensthundeführer seinen vierbeinigen Partner auf die Schulter und steuert auf ein geöffnetes Fenster zu, über das der „Zugriffshund“ in das Gebäude gelangt. Rasch und nahezu lautlos durchsucht das Tier die Räumlichkeiten und wittert den hinter einer Couch versteckten Täter. Kurz darauf ist der Mann gestellt, der Diensthund hat sich in seinen Arm verbissen und ihn dazu gebracht, die Schusswaffe fallen zu lassen. Das Szenario war Teil einer Übung des EKO Cobra mit Diensthunden.

Hunde bei der Cobra.

Cobra-Diensthunde: Die zukünftigen Zugriffshunde sollen spielerisch an ihre besondere Polizeiarbeit herangeführt werden.
Cobra-Diensthunde: Die zukünftigen Zugriffshunde
sollen spielerisch an ihre besondere Polizeiarbeit
herangeführt werden. © Gerd Pachauer

1987 begann das Einsatzkommando Cobra, zu dieser Zeit noch als Gendarmerieeinsatzkommando (GEK), mit der Ausbildung von Diensthunden für besondere Einsatzlagen. Die damalige Gendarmeriediensthundevorschrift bezeichnete die Tiere als „Anti-Terror-Hunde“. Nach Vorbildern wie in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden oder Belgien steht bei solchen Hunden ein zielgerichteter Angriff auf einen Verdächtigen zum Zweck einer raschen Beendigung der von  diesem ausgehenden Gefährdung im Vordergrund.  Nach  Möglichkeit soll jeder Widerstand der Zielperson mit einem einzigen, festsitzenden Biss ausgeschaltet werden, sodass die Zugriffskräfte weitere Aktionen setzen können.

Praktische Erfahrungen aus Deutschland haben damals gezeigt, dass ein einmaliger Zubiss eines Diensthundes, auch wenn er erst durch den Diensthundeführer vom Täter gelöst wird, eine geringere Verletzung verursacht, als wenn der Hund mehrmals wahllos zuschnappen würde“, sagt Oberst Christoph Scherz, Leiter des Referats „Ausbildung und Einsatz“ beim EKO Cobra. Er beschäftigt sich seit fast drei Jahrzehnten mit Zugriffshunden, die organisatorisch zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören. Zugriffshunde helfen dabei, die Gefahren nicht nur für bedrohte Personen, sondern auch für die Einsatzbeamten und letztlich die dem Zugriff unterliegenden Tatverdächtigen herabzusetzen.

Weiterentwicklung.

Zugriffshunde des EKO Cobra tragen eine ballistische Schutzweste, um besser vor Angriffen geschützt zu sein.
Zugriffshunde des EKO Cobra tragen eine ballistische
Schutzweste, um besser vor Angriffen geschützt zu sein.
© www.christianmann.at

In den vergangenen 35 Jahren hat sich im Bereich der Diensthunde für besondere Einsatzlagen beim EKO Cobra vieles weiterentwickelt. Bei der Errichtung der Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt 1992 wurde erstmals ein eigenes Gebäude für die Diensthunde mit vier Zwingeranlagen und einem großzügigen Freilaufareal eingeplant.
Waren ursprünglich drei Diensthundeführer, einer davon zugleich Ausbildner, vorgesehen, so sind heute insgesamt zehn Zugriffshunde beim EKO Cobra systemisiert – jeweils zwei an den Standorten Wiener Neustadt, Graz, Linz, Innsbruck und Wien. In der Praxis wird der Standort Wien derzeit von Wiener Neustadt mit betreut. Durch mehrere „Ruhestände“ und Erkrankungen von Diensthunden begann 2021 die Ausbildung von vier Jungtieren, die ab Frühjahr 2023 in Wiener Neustadt, Linz, Graz und Innsbruck eingesetzt werden sollen. Ein Video der Welpen, die beim EKO Cobra trainieren, wurde 2021 zum beliebtesten Clip auf dem Social-Media-Kanal des BMI.

Zugriffshund.

Laut Polizeidiensthundevorschrift ist ein Zugriffshund ein Polizeidiensthund, der zur Fixierung von Zielpersonen beim EKO Cobra in Kooperation mit dem Bundesausbildungszentrum für Polizeidiensthundeführer ausgebildet wird. Im Alter von wenigen Wochen kommen die Welpen zu ihrem Hundeführer.
„Die Diensthunde der Cobra leben nicht auf dem Polizeigelände und sie wechseln auch nicht die Bezugsperson. Sie haben von Anfang an einen fixen Diensthundeführer, mit dem sie nicht nur zusammenarbeiten, sondern in dessen Familie sie leben“, erklärt Oberst Scherz. Allmählich und spielerisch sollen die zukünftigen Zugriffshunde an ihre besondere Polizeiarbeit herangeführt werden. „In der Ausbildung soll kein Stress aufgebaut werden. Wir arbeiten sehr viel mit den Hundeführern, um bei ihnen ein Verständnis für den Lernprozess des Hundes zu entwickeln und eine Bindung zwischen Mensch und Tier aufzubauen. Nur wenn der Hund zum Menschen und der Mensch zum Hund vollstes Vertrauen hat, können sie die schwierigen Aufgaben bewältigen, die sich in den Einsätzen stellen,“ erläutert Scherz die Ausbildungs-Philosophie.

Ausbildung.

Übung des EKO Cobra mit Diensthundeführern der Polizei: Ziel ist der Schutz der Diensthundeführer bei gefährlichen Einsätzen.
Übung des EKO Cobra mit Diensthundeführern
der Polizei: Ziel ist der Schutz der Diensthundeführer
bei gefährlichen Einsätzen. © Gerd Pachauer

Üblicherweise werden Polizeidiensthunde in Österreich – neben ihrer Zugriffsarbeit – als Schutz-, Stöber- und Fährtenhunde ausgebildet. Beim EKO Cobra ist die Diensthunde-Tätigkeit ausschließlich auf das Zugriffsgeschehen fokussiert. „Die spezielle Technik des zielgerichteten Zubeißens muss gründlich trainiert werden. Jeder Hund kann grundsätzlich beißen, für Zugriffe bei besonders gefährlichen Einsätzen in Objekten und im freien Gelände ist es aber erforderlich, die Vorgangsweise genau auf die taktischen Gegebenheiten abzustimmen“, schildert Christoph Scherz.
Neben dem Erfordernis besonderer Geschicklichkeit, etwa beim Gehen über Gitter oder beim Überwinden von Hindernissen, dürfen sich die Tiere nicht von lauten Geräuschen wie Schüssen und Explosionen, oder von verlockenden Gerüchen beirren lassen. Sie müssen sich in unwegsamem Gelände genauso zurechtfinden wie im städtischen Raum, und sind auch an den Transport mit einem Wasserfahrzeug oder einem Hubschrauber zu gewöhnen. Mit dem Helikopter wird vor allem die rasche Verlegung eines Zugriffsteams und das Abseilen des Diensthundes trainiert. Ein Fallschirm-Absprung gemeinsam mit einem Zugriffshund aus dem Hubschrauber ist in Österreich ein unübliches Szenario. Von besonderer Bedeutung ist ein möglichst geräuschloser Angriff. „Hunde sind sehr empathisch – sie spiegeln schnell die Aufregung ihres Besitzers wider und könnten bei einem Einsatz nicht die erforderliche Leistung bringen.“ In der rund zweijährigen Ausbildung der neuen Diensthunde und ihrer Hundeführer wird daher viel Augenmerk auf das stets ruhige und geordnete Abarbeiten der Aufgaben im Team gelegt. Um seinen vierbeinigen Partner gut versorgen zu können, verfügt jeder Diensthundeführer des EKO Cobra auch über Kenntnisse als Tiersanitäter. In enger Zusammenarbeit mit Tierärzten lernen die Diensthundeführer, Krankheitsanzeichen sowie Warnsignale für Überlastung oder Dehydrierung bei ihren Tieren zu erkennen. Im Alter von etwa zwei Jahre absolvieren die Vierbeiner ihre „Dienstprüfung“. Dabei  wird über einen Zeitraum von drei Tagen nicht nur  die erworbene Fertigkeit des Diensthundes, sondern auch das Zusammenspiel zwischen Hund und Hundeführer gründlich unter die Lupe genommen.

Diensthundeführer beim EKO Cobra kann nur ein Angehöriger der Sondereinheit werden. Er sollte zuvor bereits Kontakt mit den Cobra-Diensthunden gehabt und Erfahrungen als sogenannter „Hundeunterstützer“ gesammelt haben. Dabei lernt ein Einsatzbeamter den Umgang mit Zugriffshunden,  indem er einen aktiven Diensthundeführer mit seinem Tier bei Einsätzen und beim Training unterstützt.

Scharfer Einsatz.

Ein Zugriffshund bildet mit seinem Diensthundeführer ein starkes Team. Grundsätzlich ist beim EKO Cobra die Mitnahme eines Diensthundes – abhängig von der Verfügbarkeit und der Einsatzlage – in der Planung immer vorgesehen, letztendlich muss aber der Hundeführer nach den Umständen vor Ort entscheiden, ob er seinen Hund tatsächlich losschickt. Dazu müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig geprüft werden, denn ein entsprechend trainierter Vierbeiner ist ein Einsatzmittel, das in bestimmten Fällen wie eine Waffe verwendet wird. Der scharfe Einsatz eines Diensthundes fällt unter § 10 des Waffengebrauchsgesetzes. Es gilt, sorgfältig abzuwägen, ob es sich dabei um das gelindeste Mittel handelt und ob der zubeißende Diensthund für den konkreten Einsatz tatsächlich geeignet ist.
Auch die Gesundheit des Hundes wird nicht außer Acht gelassen. Mindergefährliche Einsätze mit einem Ledermaulkorb – „Korbattacken“ – kommen seltener vor. „Wenn ein Zugriffshund verwendet wird, ist typischerweise sein scharfer Biss von besonderer Bedeutung“, bemerkt Oberst Christoph Scherz. „Er bleibt aber das letzte Mittel.“

Gefährlichkeit.

Wie gefährlich Zugriffe des EKO Cobra auch für die Diensthunde selbst verlaufen können, zeigen drei Einsätze zwischen 2008 und 2012, bei denen Cobra-Zugriffshunde erschossen wurden: 2008 wurde der siebenjährige Rüde „Snap“ in Artstetten durch einen Gewehrschuss getötet. 2012 starb Cobra-Diensthund „Aruso“ in St. Pölten durch einen Schuss aus einer Schrotflinte. Im selben Jahr wurde „Spike“ in Steyr erschossen. Ein Schütze hatte ihn im Stiegenhaus ins Visier genommen und  mit seiner Langwaffe getroffen. Das EKO Cobra entwickelte daraufhin eine neue ballistische Schutz-weste für Zugriffshunde. Das seit 2015 verwendete Modell verbindet akzeptables Gewicht mit großflächiger Schutzwirkung.  Es hält der Beschuss­kraft einer Maschinenpistole Stand und kann auch als Abseil- und Tragegeschirr genützt werden. Bei hohen Temperaturen wird – zum Schutz des Hundes vor einem Kollabieren – das Gilet nicht immer verwendet. 

Malinois.

Von Anbeginn werden beim EKO Cobra Malinois-Rüden als Diensthunde für besondere Einsatzlagen eingesetzt. Die belgischen Schäferhunde weisen ein robustes Nervenkostüm auf, sie sind schnell und lassen sich nicht irritieren. Allerdings gilt ihr Bewegungsapparat als anfällig – zum Teil machen sich über die Jahre Wirbelsäulen-, Ellenbogen und Hüftprobleme bemerkbar. Das BMI hat daher ein Projekt bewilligt, das einen zukünftigen Einsatz anderer Hunderassen beim EKO Cobra prüfen soll.

Zusammenarbeit.

Das Zusammenspiel von Zugriffskräften des EKO Cobra mit Diensthunden wurde um eine Facette erweitert: Damit Cobra-Kräfte nicht nur mit den Zugriffshunden der Sondereinheit, sondern auch mit Fährten-  und Personenspürhunden der Landespolizeidirektionen trainieren können, fand im März 2022 ein Work­shop statt. In diesem wurden organisationsübergreifend  wesentliche Inhalte der Taktik, des Trainings und des Einsatzes  bearbeitet, die zur Bewältigung von Fährtenhundeeinsätzen und Personenspürhundeeinsätzen gegen gefährliche, bewaffnete Rechtsbrecher dienen sollen und die notwendigen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen für Polizeidiensthundeführer durch EKO-Cobra-Kräfte einbeziehen. Als Beobachter beim Workshop waren Diensthundeausbildner des EKO/Cobra  dabei.

ATLAS.

Innerhalb von ATLAS, dem europäischen Verbund der europäischen Polizei-Spezialeinheiten, findet immer wieder ein fachlicher Austausch zwischen Diensthunde-Spezialisten statt. Während des österreichischen ATLAS-Vorsitzes wurde im Oktober 2019 eine große Einsatzübung in der Festungsanlage von Komarno in der Slowakei organisiert, bei der das schnelle Anlanden mit Hubschraubern und der Einsatz von Zugriffshunden Schwerpunkte bildeten.    

Gregor Wenda


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

Druckversion des Artikels (PDF 1,2 MB)