Verbindungsbeamte

Nachbarschaftliche Kooperation

Seit Ende 2016 gibt es in Österreich die Position eines Verbindungsbeamten des italienischen Innenministeriums. Mehr als fünf Jahre hatte diese Funktion Oberst Arturo Sessa inne.

Arturo Sessa: „Die Polizeiarbeit in Österreich und Italien ist sehr ähnlich, insbesondere was die Bürgernähe betrifft.“
Arturo Sessa: „Die Polizeiarbeit in Österreich und Italien ist
sehr ähnlich, insbesondere was die Bürgernähe betrifft.“
© Privat

Die „Tricolore“, die italienische Fahne in Rot-Weiß-Grün, und die EU-Fahne sind hinter dem Schreibtisch von Oberst Arturo Sessa aufgestellt, auf der Arbeitsfläche stehen Briefbeschwerer des österreichischen Innenministeriums und der italienischen Carabinieri. „Ich habe über fünf außergewöhnliche Jahre in Österreich verbracht. Die Freundlichkeit und Zugänglichkeit der österreichischen Kollegen und die perfekte Organisation der Stadt Wien werden mir in Erinnerung bleiben“, sagt der Carabinieri-Offizier. Es war einer seiner letzten Arbeitstage als italienischer Sicherheitsattaché in Wien, bevor er Ende August in sein Heimatland zurückkehrte.
Ende 2016 wurde erstmals die Funktion eines Polizeiberaters des italienischen Innenministeriums für UN- und OSZE-Angelegenheiten in Wien geschaffen, akkreditiert bei den Missionen der Republik Italien für die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Im November 2019 wurde der Arbeitsplatz um die Funktion eines Sicherheitsattachés auf bilateraler Ebene erweitert. Arturo Sessa, der bereits Führungserfahrung in verschiedenen Bereichen der Carabinieri in Italien gesammelt hatte, trat im Jänner 2017 seinen Dienst in Wien an. „Das war eine Pioniertätigkeit, die mir von Anfang an Freude gemacht hat“, bemerkt Sessa.
Insgesamt 52 italienische Polizeiattachés, die auf Italienisch als „Sicherheitsexperten“ bezeichnet werden, sind derzeit an diplomatischen Missionen in 79 Staaten akkreditiert. Sie müssen einen Rang zwischen Hauptmann und Brigadegeneral haben, Englisch oder die jeweilige Landessprache beherrschen und eine Ausbildung für internationale polizeiliche Zusammenarbeit absolviert haben. Bewerber können von der italienischen Gendarmerie (Carabinieri), der Nationalpolizei (Polizia di Stato) oder der Finanzwache (Guardia di Finanza) kommen. Der einmonatige Lehrgang für Verbindungsbeamte wird an der Fortbildungseinrichtung für Polizeikräfte in Rom abgehalten.

Kooperation.

„Polizeiattachés haben zahlreiche Aufgaben, darunter die Erleichterung des Informationsaustauschs zwischen den österreichischen und den italienischen Polizeibehörden, die Überprüfung der Umsetzung bilateraler Abkommen, die Unterstützung der Koordinierung von Polizeieinsätzen zwischen Italien und Österreich sowie die Weitergabe von Informationen über alle Ereignisse in Österreich, die italienische Bürger betreffen oder sich auf Italien auswirken könnten“, schildert Sessa. Die Kooperation zwischen Österreich und Italien als Nachbarstaaten ist eng; durch die geteilte Grenze ergeben sich laufend vielfältig Berührungspunkte. 2004 wurde aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Regierungen Österreichs, Italiens und Sloweniens das polizeiliche Kooperationszentrum in Thörl-Maglern, Kärnten eingerichtet. Polizeibeamte aus den drei Staaten arbeiten in diesem Zentrum Hand in Hand; Informationen aus allen Bereichen – vom Fremdenrecht bis zu kriminalpolizeilichen Ermittlungen – können dort im kurzen Weg ausgetauscht werden. Die Details der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Österreich und Italien sind im Vertrag über die polizeiliche Zusammenarbeit vom 1. April 2017 festgeschrieben.

Schlag gegen Drogenbande.

Viele Fälle des italienischen Polizeiattachés in Wien laufen über den Dienst für internationale Zusammenarbeit der Polizeikräfte oder die Zentraldirektion für Drogenbekämpfung in Rom. Von den zahlreichen Polizeieinsätzen, die während Arturo Sessas Tätigkeit in Wien zwischen Italien und Österreich durchgeführt wurden, erinnert er sich besonders an eine Operation im März 2022, die zur Verhaftung von 53 Personen und zur Beschlagnahme von über 21 Kilogramm Drogen führte. „Es handelte sich um eine kriminelle Vereinigung, die sich hauptsächlich aus Personen albanischer, italienischer und maghrebinischer Herkunft zusammensetzte, und in mehreren Staaten, darunter Italien und Österreich, Suchtgift vertrieb. Der Fall hat die Notwendigkeit gezeigt, mit den Ermittlungen nicht auf Ebene der Drogendealer aufzuhören, sondern bis zu den Hintermännern vorzudringen“, schildert der Carabinieri-Offizier.
Auch der Beitritt Österreichs zu dem von Italien geförderten Projekt „Interpol Cooperation Against 'Ndrangheta (I-CAN)“ sei besonders hervorzuheben: „Die 'Ndrangheta ist eine der größten und mächtigsten kriminellen Organisationen der Welt. Das vom italienischen Innenministerium finanzierte Projekt soll weltweit das Bewusstsein für die 'Ndrangheta und ihre Vorgangsweise schärfen.“ Ursprünglich stammte die Gruppierung aus der italienischen Region Kalabrien, heute hat sie sich über den gesamten Globus ausgebreitet und ist als einzige italienische Mafia-Organisation auf allen Kontinenten vertreten. Im Rahmen des Interpol-Projekts I-CAN sollen Erkenntnisse gesammelt werden, um Verhaftungen zu ermöglichen und Netzwerke zu zerschlagen. Aufbauend auf den direkten Erfahrungen und Kenntnissen Italiens über die Struktur und Arbeitsweise der 'Ndrangheta werden anderen Staaten wichtige polizeiliche Informationen zur Verfügung gestellt, um Muster, Trends und Ziele für die Strafverfolgung erkennen zu können. Dazu werden gemeinsame Ermittlungen von Polizeibehörden koordiniert, um Personen zu identifizieren und festzunehmen, die in Zusammenhang mit der 'Ndrangheta gesucht werden.

Von der Exekutive in Österreich ist Oberst Arturo Sessa „sehr beeindruckt“: „Die Beamten, mit denen ich in Kontakt war, sei es aus dem Bundeskriminalamt, oder aus anderen Bereichen der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium, haben den Kooperationsgedanken gelebt und optimiert.“ In vielerlei Hinsicht sei die Polizeiarbeit in Österreich und Italien „sehr ähnlich“, insbesondere bei der Bürgernähe. Eine weitere Gemeinsamkeit sei die „hohe Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch in den momentan aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht angespannten Zeiten.“
Ein Unterschied zwischen den Nachbarstaaten findet sich in der Polizei- und Staatsorganisation: Österreich ist ein Föderalstaat mit neun Bundesländern, aber nur einer Bundespolizei. Italien verfügt über vier nationale Sicherheitskorps: Zwei davon, die Carabinieri und die Nationalpolizei, sind in allen Bereichen der Strafverfolgung tätig, die Guardia di Finanza ist hingegen für Wirtschaftsverbrechen und die Strafvollzugspolizei für Haftanstalten zuständig.
Ab Oktober 2022 soll Oberstleutnant Marco Molinari von den Carabinieri die Aufgabe des italienischen Polizeiattachés in Wien übernehmen. Mit dem Carabinieri-Leutnant Marco Cantalamessa wird ihm erstmals ein weiterer Beamter in assistierender Position zur Seite stehen. Arturo Sessa hat im September 2022 eine neue Führungsfunktion in Italien angetreten: Als Carabinieri-Kommandant im Bezirk Lucca in der Toskana ist er nun für rund 450 Beamte verantwortlich und damit zurück bei seinen familiären Wurzeln. Österreich wird allerdings stets eine besondere Rolle für ihn spielen. „Meine beiden Söhne wurden in Wien geboren, da bleibt eine einmalige Verbindung.“

Gregor Wenda


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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