Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht

Erleichterungen für Schlüsselkräfte

Mit 1. Oktober 2022 tritt eine Gesetzesnovelle in Kraft, die insbesondere den Zugang ausländischer Fach- und Schlüsselkräfte zum österreichischen und zum EU-Arbeitsmarkt weiter erleichtern soll.

Mit der Gesetzesnovelle soll der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt erleichtert werden.
Mit der Gesetzesnovelle soll der Zugang zum
heimischen Arbeitsmarkt erleichtert werden.
© Seventyfour/Stock.adobe.com

Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ (RWR-Karte) wurde 2011 eingeführt und stellt einen Aufenthaltstitel für qualifizierte Arbeitsmigration dar. In Entsprechung des Regierungsprogramms für die 27. Legislaturperiode wurde das System der „RWR-Karte“ nunmehr einer Weiterentwicklung unterzogen, nicht zuletzt da die Förderung der qualifizierten Zuwanderung wesentlich im gesamtstaatlichen Interesse liegt.
Ergänzend zu dieser Weiterentwicklung wurde mit der Novelle die neu gefasste Richtlinie (EU) 2021/1883 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Aus­übung einer hochqualifizierten Beschäftigung und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/50/EG des Rates, ABl. Nr. L 382 vom 28.10.2021, S. 1 („Blaue-Karte-EU-Richtlinie“) umgesetzt. Sie betrifft ebenfalls die Zuwanderung von qualifizierten Drittstaatsangehörigen und schafft insbesondere Erleichterungen bei der Mobilität in der EU.

Parlamentarisches Verfahren.

Von den Bundesministerien für Arbeit und für Inneres wurde ein gemeinsamer Gesetzesentwurf zur Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes sowie des Fremdenpolizeigesetzes 2005 erarbeitet, der neben der Umsetzung der „Blaue-Karte-EU-Richtlinie“ insbesondere dem Ziel diente, die Anwerbung bzw. die Abdeckung des Bedarfes von Fach- und Schlüsselkräften zu verbessern und dem in vielen Wirtschaftsbereichen zunehmenden Mangel an Fachkräften zu begegnen. Am 15. Juni 2022 langte die Regierungsvorlage im Nationalrat ein. Das parlamentarische Verfahren wurde im Juli 2022 abgeschlossen; die mit BGBl I Nr. 106/2022 kundgemachten Änderungen treten am 1. Oktober 2022 in Kraft.

Rot-Weiß-Rot-Karte.

Mit der Reform der Rot-Weiß-Rot–Karte soll der Fachkräftemangel in Österreich verringert werden.
Mit der Reform der Rot-Weiß-Rot–Karte soll der
Fachkräftemangel in Österreich verringert werden. © BMI

Um die qualifizierte Zuwanderung attraktiver zu gestalten, wurde das bisherige Punktesystem einer Überarbeitung unterzogen. Damit soll Berufserfahrung besser berücksichtigt werden und eine bessere Bewertung von vorliegenden Englischkenntnissen vorgenommen werden können. Diesbezüglich wurde die Möglichkeit des Nachweises von Sprachkenntnissen insofern erweitert, als Sprachdiplome und Kurszeugnisse nunmehr zum Zeitpunkt der Antragstellung bis zu 5 Jahre alt sein dürfen und diese während des Verfahrens nicht erneut vorgelegt werden müssen.
Die – sonst bestehende – altersabhängige Festlegung der Mindestentlohnung für „sonstige Schlüsselkräfte“ entfällt insoweit, als die Unterscheidung zwischen unter dreißigjährigen und über dreißigjährigen Antragstellern mit Bezug auf die erforderliche Mindestentlohnung nicht mehr getroffen wird. Auch der Entfall der Mindestentlohnung von Studienabsolventen wurde beschlossen. Ebenso wurde der üblicherweise erforderliche Nachweis ausreichender Existenzmittel für die Erlangung eines Aufenthaltstitels für die „RWR-Karte“ gestrichen.

Beratung.

Um unter anderem eine Beratung und Hilfestellung bei der Zulassung von Fach- und Schlüsselkräften im Rahmen des Verfahrens für den Erhalt einer „RWR-Karte“ sicherzustellen, wurde die im Bundesministerium für Arbeit angesiedelte Austrian Business Agency (ABA) als Plattform zur Unterstützung und Information der Antragsteller gesetzlich verankert. Eine Beschleunigung der Arbeitsmarktprüfung zum zügigeren Abschluss der Verfahren wurde vorgesehen (nach Möglichkeit innerhalb von 10 Tagen). Schließlich soll die Zulässigkeit einer selbstständigen Nebentätigkeit für Inhaber eines Aufenthaltstitels „RWR-Karte“ dazu beitragen, die qualifizierte Zuwanderung nach Österreich weiter zu fördern.

Stammsaisoniers.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Novelle ist es, für langjährig in Österreich tätige Saisoniers durch die Erteilung einer „RWR-Karte“ für Stamm-Mitarbeiter eine dauerhafte Zuwanderung zu ermöglichen. Dafür müssen die Voraussetzungen einer Tätigkeit als „Stammsaisonier“ und einer darauffolgenden Beschäftigung im selben Wirtschaftszweig für mindestens sieben Monate pro Kalenderjahr in den letzten zwei Jahren erfüllt sein. Die Qualifikation und das Alter der Stammsaisioniers sind nicht zu beachten, aber es muss ein Nachweis von Deutschkenntnissen erbracht und ein unbe­fristetes Arbeitsverhältnis in Aussicht gestellt werden.

„Blaue Karte EU“.

Die neu gefasste „Blaue-Karte-EU-Richtlinie“ hat ebenfalls zu verschiedenen – Erleichterungen anstrebenden – Gesetzesänderungen geführt: Die Erstantragstellung für den Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ ist – abweichend vom grundlegenden System der Auslandsantragstellung – auch im Inland möglich.
Die Gehaltsgrenze für den Erhalt des Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ wurde auf die Höhe des durchschnittlichen österreichischen Bruttojahresgehaltes abgesenkt. Auch der Entfall des Erfordernisses eines Hochschul- oder Fachhochschulabschlusses für bestimmte hochqualifizierte Tätigkeiten in der Informations- und Kommunikationstechnologie trägt dazu bei, den in dieser Branche bestehenden Fachkräftemangel auszugleichen. Diverse Erleichterungen wurden weiters im Bereich der kurz-, aber auch der langfristigen Mobilität innerhalb der EU normiert, etwa in Bezug auf den Familiennachzug. Durch den Entfall der Arbeitsmarktprüfung, wenn derselbe Arbeitsplatz beibehalten wird, soll der Umstieg von einem Aufenthaltstitel „RWR-Karte“ auf einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ erleichtert werden.
Der Arbeitgeberwechsel wird vereinfacht gestaltet, sodass etwa eine raschere Aufnahme der neuen Beschäftigung möglich ist. Darüber hinaus wurde durch die Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes die Möglichkeit geschaffen, eine Beschäftigungsbewilligung für Spezialisten für maximal sechs Monate bei vorübergehender Beschäftigung im Rahmen eines Projektes zu erteilen. Dies ist somit für besonders qualifizierte Mitarbeiter möglich, die ohne Zuwanderungsabsicht zur Durchführung zeitlich befristeter Projekte beschäftigt werden sollen. Deren Aufenthalt wird mit der Erteilung eines „Visum D“ ermöglicht.

Gesundheits- und Krankenpflege.

Eine weitere Änderung im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz betrifft den Entfall der erforderlichen Zertifizierung durch den Bundesminister für Inneres für bestimmte Schulen im Gesundheits- und Krankenpflegebereich im Zusammenhang mit der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung „Schüler“. Dies stellt eine Vereinfachung vor dem Hintergrund der aktuellen Pflegereform dar.

Barbara Sim /Anna Scharinger


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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