Parlament

Tradition und Moderne

Das „neue“ Parlament: Nationalratssaal, Empfangssalon für internationale Besuche; Bundesratssaal und Säulenhalle
Das „neue“ Parlament: Nationalratssaal, Empfangssalon für internationale Besuche;
Bundesratssaal und Säulenhalle © Werner Sabitzer

Nach der Generalsanierung präsentiert sich das Parlamentsgebäude am Ring im neuen Glanz. Denkmalgeschützte Bauteile wurden restauriert; Logistik und Technik sind auf dem neuesten Stand.

Im Dezember 2022 fanden die letzten Sitzungen des Nationalrates und des Bundesrates in der Hofburg statt. In den Weihnachtsferien brachte eine Spedition das letzte Übersiedlungsgut von den nahen Ausweichquartieren in das Parlamentsgebäude. Nationalrats- und Bundesratsabgeordnete sowie das Parlamentspersonal übersiedelten in das sanierte Gebäude am Ring und in die umliegenden Nebengebäude, etwa in der Hansenstraße, der Reichsratsstraße oder der Bartensteingasse, insgesamt sind es 1.100 Frauen und Männer.
Zwei Wochen nach der Eröffnungsfeier am 12. Jänner 2023 tritt die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat gemeinsam) zum ersten Mal im historischen Sitzungssaal zusammen – nämlich am 26. Jänner 2023 zur Angelobung des wiedergewählten Bundespräsidenten Dr. Alexander Van der Bellen für seine zweite sechsjährige Amtsperiode.

Aufwendige Generalsanierung.

Eines der vier neuen Stiegenhäuser
Eines der vier neuen Stiegenhäuser
© Werner Sabitzer

Fünf Jahre, vom Herbst 2017 bis Dezember 2022, dauerte die Generalsanierung des Parlaments, bedingt durch die Covid-19-Pandemie und andere Umstände ein Jahr länger als ursprünglich geplant. Denkmalschutz, Funktionalität, Barrierefreiheit, Logistik, Technik und Sicherheit in Einklang zu bringen, war eine der Herausforderungen der Restaurierungs- und Neubauarbeiten.
Die denkmalgeschützten, wertvollen Oberflächen vor allem im historischen Sitzungssaal, in der Säulenhalle und im oberen Vestibül wurden parallel zu den Bauarbeiten gereinigt, restauriert und konserviert. Restauriert wurden auch historische Einrichtungsgegenstände wie der Wappenadler aus Metall im Nationalratssaal und die Luster und anderen Beleuchtungskörper.
Das Parlamentsgebäude wurde teilweise entkernt. Die Abgeordnetenränge im Nationalratssitzungssaal wurden abgeflacht, um Barrierefreiheit zu ermöglichen. Die Lichtzwischendecke über dem Saal wurde entfernt und stattdessen eine Glaskuppel mit 28 Metern Durchmesser errichtet, deren Lichtdurchlässigkeit gesteuert werden kann. So kann etwa im Hochsommer die Hitzeentwicklung reduziert werden. Im Nationalratssitzungssaal musste bei der Akustik nachgebessert werden, um Echogeräusche zu vermeiden. Das erfolgte durch eine spezielle Bodendämmung und transparente Akustiksegel in der Glaskuppel. Die Abgeordneten haben an ihren Plätzen Anschlüsse für die Kommunikation und können ein Display hochfahren. Sie könnten vom Sitz aus per Knopfdruck abstimmen. Es fehlt aber noch die politische Akzeptanz und die rechtliche Grundlage in der Geschäftsordnung für eine nachvollziehbare namentliche Abstimmung bei sämtlichen Abstimmungen. Vom Balkon und von der Galerie im Nationalratssaal aus können Besucher und Medienmitarbeiter die Sitzungen verfolgen. Unter der Glaskuppel gibt es eine verglaste Besucherumgang. Unter dem Nationalratssaal und dem historischen Sitzungssaal befinden sich ein abhörgeschütztes Ausschusslokal und ein weiterer Saal für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, außerdem Räume für die Logistik und (Sicherheits-)Technik.

Restaurierter Bundesversammlungssaal
Restaurierter Bundesversammlungssaal © Werner Sabitzer

Der Bundesrat hält seine Sitzungen im ehemaligen Budgetsaal ab, in dem früher auch die Mitglieder von Untersuchungsausschüssen tagten. Beim Haupteingang am Ring gibt es mehrere Sicherheitsschleusen und eine Fast-Line mit Handvenenerkennung für Abgeordnete und Beschäftigte. Danach gelangt man in ein 900 Quadratmeter großes Besucherzentrum mit Info-Bildschirmen. Um die für die Öffentlichkeit zugänglichen Räume zu verknüpfen, wurden vier Hauptstiegenhäuser mit Aufzugsanlagen errichtet.
Die Haustechnik wurde vollständig erneuert und auf den neuesten Stand gebracht. Insgesamt wurden 55.000 Quadratmeter große Flächen saniert und Böden im Ausmaß von 40.000 Quadratmetern neu verlegt. 740 historische Fenster und 600 Türen wurden restauriert. Die Nutzfläche wurde um 10.000 Quadratmeter erhöht. Die Gastronomie wurde in das Dachgeschoß verlegt. Dort befindet sich ein öffentlich zugängliches Restaurant mit einem Bistro und einem Selbstbedienungsbereich. Im Dachgeschoß gibt es auch Terrassen.
Die Ringstraßenfront des Parlaments und der Athene-Brunnen wurden ebenfalls saniert. Über 100 Gewerke wirkten an der Generalsanierung mit. In Spitzenzeiten waren bis zu 550 Arbeitende gleichzeitig auf der Baustelle beschäftigt. Künstlerinnen und Künstler installierten Kunstwerke für insgesamt 1,8 Millionen Euro. Die Kosten für die Generalsanierung des Parlamentsgebäudes betragen etwa 422 Millionen Euro, nur wenig mehr als ursprünglich veranschlagt.

Werner Sabitzer

Parlamentsgebäude

Neuer Glanz

Parlament: 1882 eröffnet
Parlament: 1882 eröffnet © Werner Sabitzer

Das Parlamentsgebäude am Ring, damals Reichsratsgebäude genannt, wurde ab 1874 von Theophil Hansen errichtet, angelehnt an die antike griechische Architektur. Ursprünglich waren für das Abgeordnetenhaus und für das Herrenhaus des Reichsrates zwei Häuser geplant, aus Kostengründen blieb es bei einem Gebäude. 1883 wurde das Reichsratsgebäude eröffnet und 1884 fand die erste Sitzung des Herrenhauses statt. Der Athene-Brunnen vor dem Haus kam 1902 hinzu.
Nach dem Ende der Monarchie im November 1918 tagten im Parlament zunächst die Provisorische und die Konstituierende Nationalversammlung der Ersten Republik, danach Nationalrat, Bundesrat und Bundesversammlung bis zur Auflösung des Parlaments 1933. Im autoritären Ständestaat von 1934 bis zum „Anschluss“ im März 1938 fungierte das Parlamentsgebäude als „Haus der Bundesgesetzgebung“. Während des nationalsozialistischen Regimes waren im Parlamentsgebäude NS-Gaubehörden einquartiert. Im Februar 1945 wurde das Gebäude von den Alliierten bombardiert und schwer beschädigt. Von 1945 bis 1956 erfolgte der Wiederaufbau der zerstörten Gebäudeteile unter der Verantwortung der Architekten Fellerer & Wörle. Damals entstand anstelle des zerstörten Herrenhaussaals der neue Sitzungssaal des Nationalrats.
Im Laufe der Jahrzehnte summierten sich die Bauschäden, eine Generalsanierung wurde unausweichlich. 2017 begannen die Restaurierungsarbeiten; Nationalrat und Bundesrat tagten während der Restaurierungsarbeiten im Ausweichquartier im Redoutensaal der Hofburg; für den weiteren Raumbedarf wurden auf dem Heldenplatz und auf dem Hofburgareal Containerhäuser errichtet. Diese werden nun nach der Rückübersiedelung verkauft.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2023

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