Generationen am Arbeitsplatz

Herausforderung für die Führung

Welche Merkmale haben die Generationen X, Y und Z? Und welche Chancen und Herausforderungen bringen sie für die Organisation „Polizei“ sowie deren Führungskräfte mit?

Unterschiedliche Generationen bei der Polizei: Jede tickt anders und bringt andere Fähigkeiten und ein anderes Know-how mit
Unterschiedliche Generationen bei der Polizei: Jede tickt anders und bringt andere Fähigkeiten und ein anderes Know-how mit © Gerd Pachauer

Der Polizeidirektor des Fortbildungsinstitutes der Bayerischen Polizei (BPFI) und Wissenschaftler Dr. Bernd Bürger, MA, MA, beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Thema Generationen sowie Führungs- und Managementaufgaben im polizeilichen Kontext. In seinen Vorträgen bringt er Beispiele aus seiner praktischen Erfahrung mit Bediensteten der „Generation Z“, die er zuletzt als langjähriger Kommandant des Unterstützungskommandos der bayerischen Bereitschaftspolizei (USK) sowie als stellvertretender Leiter der Bereitschaftspolizeiabteilung in Dachau machte. Er wurde bereits mehrfach zu Themenveranstaltungen nach Österreich eingeladen.

Sozialisation.

Bürger legte dar, dass bei Kindern bzw. Jugendlichen sich grundsätzlich zwischen dem 11. und 17. Lebensjahr das Wertesystem auspräge. Diese „Sozialisation“ stelle die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen in Wechselwirkung zwischen seinen persönlichen Ressourcen und den vorhandenen Umweltbedingungen dar.

Generation X (1965-1979).

Die „Generation X“ oder sogenannte „Null- Bock“-Generation entstamme einer Zeit wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit und sei in einer Leistungsgesellschaft aufgewachsen. Die in diesem Zeitraum Geborenen hatten eine Kindheit ohne Computer gehabt und erlebten den Wandel von analog zu digital erst im Erwachsenenalter. Etliche seien sogenannte „Schlüsselkinder“ gewesen und hätten früh lernen müssen, selbstständig zu sein. Da oft beide Elternteile einem Beruf nachgingen, seien die Kinder nach der Schule auf sich allein gestellt gewesen und hätten wenig Zeit mit ihren Eltern verbracht. Im Berufsleben zeichne sich die „Generation X“ durch ein relativ hohes Bildungsniveau aus und hat den Begriff „Work-Life-Balance“ geprägt. Die Generation ist unheimlich leistungsbereit und arbeitet viel und versucht zum vielen „Work“ auch ein bisschen Privatleben „einzubalancieren“ – was der Generation nur schwer gelingt. Ihnen werden gewisse Entscheidungsschwächen sowie ein geringeres Durchsetzungsvermögen als der Generation „Babyboomer“ nachgesagt. Die „Generation X“ lebte in einer Überflussgesellschaft, hatte ein ausgeprägtes Konsumverhalten und zelebrierte den eigenen Status (z. B. Marken, Autos). Sie genossen den von der Elterngeneration erarbeiteten Wohlstand und seien politisch eher mäßig engagiert gewesen (Generation „Null-Bock“).

Generation Y (1980-1995).

Nachwuchswerbung der Polizei: Die Werbebotschaften müssen die Aufmerksamkeit der gewünschten Zielgruppe fesseln
Nachwuchswerbung der Polizei: Die Werbebotschaften
müssen die Aufmerksamkeit der gewünschten
Zielgruppe fesseln © BMI

Die prägenden Jahre der „Generation Y“ („Why“) bzw. „Millenials“ haben zwischen 1991 und 2010 stattgefunden. Die zu dieser Zeit vorherrschenden Themen seien wirtschaftliche Krisen, Terror (9/11), Globalisierung, Technik- und Naturkatastrophen sowie die Entstehung des Internets gewesen. Im Gegensatz zur „Generation X“ seien sie in Zeiten der Digitalisierung groß geworden, das digitale Wissen sei durch Google & Co. erweitert worden. Diese Generation sei laut Bürger bereits von sogenannten „Helikoptereltern“ erzogen worden, die ein hohes Interesse an der Anerkennung und Förderung ihre Sprösslinge zeigten. Aufgrund der Digitalisierung habe diese Generation wesentlich technikabhängiger gearbeitet, sei mobiler, sozial vernetzter und global denkender gewesen. Computer und Internet haben den Alltag geprägt, man habe an jedem Ort Zugriff auf die digitale Welt gehabt. Oft scheute die „Generation Y“ eine berufliche Karriere, da sie dafür ihr Privatleben opfern müsste. Erfahrung, die sie oftmals mit ihren Eltern gemacht haben (Stichwort: Schlüsselkinder, „Work-Life-Balance“ der Eltern). „Millenials“ werden laut Bürger gerne als realistisch, zuverlässig und multitaskingfähig beschrieben. Angehörige dieser Generation würden Vorgesetzte eher als Coaches sehen, die sie zum Ziel bringen, Strategien vermitteln und bei der Selbstoptimierung helfen. Beim sogenannten „Work-Life-Blending“ würden zeitlich immer öfter berufliche mit privaten Tätigkeiten (z .B. Yoga im Büro und Aktenbearbeitung in der Privatzeit) verschmelzen.
Im Gegensatz zur „Generation X“ stünde nicht mehr der eigene Status sowie die Darstellung desselben im Vordergrund, sondern eher das eigene Erleben bei (Welt-)Reisen oder Festivals. Die persönlichen Werte und Einstellungen würden bei den „Millenials“ eher zur Selbstverwirklichung und Individualität („Hipster“, Tattoos etc.) tendieren, die Ausbildung, der Beruf und die Beziehung dienten dazu, ihre Einzigartigkeit – insbesondere auf Social-Media-Plattformen – darzustellen bzw. das gewünschte Selbstbild zu inszenieren.

Generation Z (1996-2010).

Die sogenannten „Zler“ betrachten laut Bürger die eigenen Eltern als wichtigste Ratgeber und Wegbegleiter in ihrem Leben. Unter der Devise „nichts ohne meine Eltern“ würden alle Entscheidungen in beruflicher sowie privater Hinsicht abgestimmt und teilweise sogar von den Eltern übernommen. Unter dieser oft überbordenden Fürsorge der Eltern und deren Anstrengungen, sämtliche Belastungen und Einflüsse abwehren zu wollen, leide die Selbständigkeit und Konfliktfähigkeit ihrer Kinder („Rasenmähereltern“). Die „Zler“ würden intensiv und unter Verwendung digitaler Identität(en!) an unterschiedlichen sozialen Medien teilnehmen und nutzten Instagram, Snapchat, TikTok etc. Aufgrund der zeitfüllenden Aufenthalte im virtuellen Raum seien diese Kinder weniger gewohnt, soziale Umgangsformen zu praktizieren. Trotzdem spielten konservative Werte wie Verlässlichkeit, Respekt und Ethik für diese Generation eine wichtige Rolle. Die „Zler“ wollen laut Bürger jedenfalls ihren Beitrag für eine funktionierende Gesellschaft leisten. Körperlich und sportlich allerdings bringt die viele Nutzung digitaler Angebote enorme Nachteile: wenig Bewegung und Sport führt dazu, dass die Fitness nachlässt, ein trauriger Trend, den auch die Bayerische Polizei bei ihren Einstellungstests hautnah mitbekommt.

Neuer Polizei-„Nachwuchs“?

Seitens des öffentlichen Dienstes habe man bereits auf die Bedürfnisse der zwischen 1996 und 2000 Geborenen regiert und die Nachwuchswerbung in den sozialen Medien intensiviert. Laut Bürger ist es für die „Zler“ wichtig, sich mit einer „Marke“ zu identifizieren. Die Werbebotschaften müssen die Aufmerksamkeit der gewünschten Zielgruppe fesseln, die es aufgrund von TikTok gewohnt ist, gleich etwas weiter zu wischen, wenn es nicht interessant erscheint. Gerade der deutschen Bundespolizei scheint es zu gelingen, dem entgegenzuwirken und mit abwechslungsreichen Werbevideos eine „Marke“ zu kreieren. Zum innovativen Instagram-Auftritt der Landespolizeidirektion Wien sagt er: „Eigentlich sind sie viel zu spät in das Geschäft eingestiegen, aber das, was das Team da jetzt postet, ist Spitzenklasse. Authentisch, lustig, spannend, informativ – alles was man so braucht. Für mich persönlich tatsächlich der bes­te Polizei-Instagram-Account.“

Grenzen und Problemfelder.

Auch für Dienst- und Fachvorgesetzte, die für die direkte Führung der sogenannten „Zler“ im Polizeidienst sowie in der öffentlichen Verwaltung verantwortlich sind, stehen laut Bürger große Veränderungen im Bereich Führungsstil an.
Dies beginne bereits bei einfachen Dingen, wie dem Musikgeschmack der „Zler“, wenn diese ihre Musik in der Polizeiinspektion oder im Dienstfahrzeug hören. Wo würden die Grenzen des vertretbaren Musikgeschmacks im Zusammenhang mit der Außenwirkung im Dienst liegen, beispielsweise bei Rap-Songs mit sehr deutlichen Textpassagen? Was könne man als Vorgesetzter tolerieren bzw. ab wann sei das Ansehen der Organisation gefährdet?
Nahezu jeder „Zler“ sei virtuell auf mehreren Social-Media-Kanälen aktiv und poste dort Fotos, Videos oder hinterlasse Kommentare. Grundsätzlich könne man diese Tätigkeiten laut Bürger als reine „Privatsache“ betrachten, doch er fragt sich, ob dies wirklich auch für die unbedarfte Leserin bzw. den Leser dieser Postings klar ersichtlich sei?
Mittlerweile sei die Grenze zwischen Privat- und Dienstperson stark verwischt. Seitens des Dienstgebers seien laut Bernd Bürger hier entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen zu treffen, die einerseits den Bediensteten selbst einen verantwortungsvollen Umgang ermöglicht. Andererseits sei es wichtig, sämtliche Führungskräfte dahingehend zu schulen, wie sie mit dieser Herausforderung in ihrem Führungsalltag bestmöglich umgehen können.

A. H.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2023

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