Einsatzkommando Cobra

Geiseln auf Schiff befreit

Bei besonders gefährlichen Situationen rückt das Einsatzkommando Cobra aus. Um auf solche Fälle vorbereitet zu sein, fand am 27. Februar 2023 die Übung „Nautic Viking“ am Hafen in Linz statt, bei der eine Geiselnahme auf einem Schiff nachgestellt wurde.

Geiselbefreiungsübung am Hafen Linz: Cobra-Beamte überwältigten einen Geiselnehmer
Geiselbefreiungsübung am Hafen Linz: Cobra-Beamte überwältigten einen Geiselnehmer © Gerd Pachauer

Bei besonders gefährlichen Situationen muss jeder Handgriff sitzen, jeder wissen, was zu tun ist. In Ausnahmesituationen wie Geiselnahmen oder Terroranschlägen rückt das Einsatzkommando Cobra aus. Um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, finden regelmäßig Übungen des EKO Cobra statt – so auch am 27. Februar 2023 in Linz, bei der eine Geiselnahme nachgestellt wurde.

Einsatzbesprechung.

Präzisionsschützen der Cobra beobachteten das Schiff vom Dach einer gegenüberliegenden Werkshalle
Präzisionsschützen der Cobra beobachteten
das Schiff vom Dach einer gegenüberliegenden
Werkshalle © Gerd Pachauer

Um 7 Uhr geht es mit der Einsatzbesprechung am Linzer Hafen los. Der zeitliche Ablauf und das Tagesprogramm werden besprochen. Das Drehbuch für die Übung: Drei Geiselnehmer schießen auf einen Hafenarbeiter, verschaffen sich Zutritt zu einem kleinen Donau-Passagierschiff und nehmen die Passagiere als Geiseln. Aufgabe der Cobra ist nun, die Geiselnahme zu stoppen und die Passagiere zu retten. Die Eckpunkte der Übung werden im Drehbuch festgelegt – etwa, dass die Geiselnehmer wissen, was sie zu tun haben, die Cobra-Beamten jedoch nicht. Sie wissen nur, dass der Zugriff spätestens um 12 Uhr zu erfolgen hat. Der Ablauf ist offen, damit aus der Situation heraus reagiert werden kann.

Es geht los.

Kurz nach 8 Uhr ist es soweit: Ein unscheinbarer Kombi fährt beim Anlegeplatz vor, drei Geiselnehmer springen heraus und laufen auf das Schiff zu. Alle drei tragen Tarnkleidung und Skimasken und halten Sturmgewehre in den Händen. Wären es nicht die blau gekennzeichneten Übungswaffen, man könnte denken, es handle sich um eine echte Geiselnahme. Die Männer schießen auf einen am Eingang stehenden Hafenarbeiter und verschaffen sich Zutritt zum Schiff. Die Passagiere im Inneren des Schiffs werden als Geiseln genommen, müssen auf Sesseln Platz nehmen und still und bewegungslos verharren.
Draußen vor dem Schiff schreit der verwundete Hafenarbeiter um Hilfe. Die Schnelle Interventionsgruppe (SIG), spezielle Polizeikräfte im Streifendienst, rücken an und bringen sich in Stellung. Es gilt, die Gefahrenlage bei der Rettung des Verwundeten einzuschätzen. Nach langen Minuten stürmen die Polizisten los und stellen sich schützend vor den verwundeten Arbeiter. Zwei Polizisten packen den Mann, die anderen gruppieren sich im Kreis, die Waffen im Anschlag. Der Verletzte wird in Sicherheit gebracht.

Polizisten der Schnellen Interventionsgruppe unterstützten das Einsatzkommando Cobra
Polizisten der Schnellen Interventionsgruppe unterstützten
das Einsatzkommando Cobra © Gerd Pachauer

Währenddessen beginnen die Geiselnehmer im Inneren des Schiffs die Rucksäcke der Geiseln zu inspizieren, nach möglichen Waffen zu durchsuchen und ihre Ausweise zu begutachten. Als ein Mann aufgrund seines Ausweises als Polizist identifiziert werden kann, wird er gezwungen, sich in eine Ecke zu knien, die Hände auf den zu Kopf legen. Die Szene mutet seltsam realistisch an. Nichts deutet darauf hin, dass es sich hier um eine Übung handelt. Die Stimmung wirkt ernst und angespannt.
Draußen verschanzen sich Cobra-Beamte mit Sturmgewehren hinter einem Stapel Kisten. Sie lassen das Schiff keine Sekunde aus den Augen. Von außen ist nichts zu sehen, die Vorhänge der Glasfront des Passagierraums sind zugezogen. Hinter einem weißen Zelt der Schiffswerft, unmittelbar neben dem Schiff mit den Geiseln, versammeln sich weitere Cobra-Beamte, um das Vorgehen zu besprechen. Wie soll das Schiff gestürmt werden, wie die Geiselnehmer möglichst schnell außer Gefecht gesetzt werden, wie die Geiseln unverletzt gerettet werden? Um besser auf das Schiff blicken und die Vorgänge am Sonnendeck sehen zu können, klettern drei Präzisionsschützen auf das Dach einer gegenüberliegenden Werkshalle. Sie laufen gebückt nach vorne und knien sich auf den Boden. Mit Ferngläsern beobachten sie die Vorgänge am Schiff und bringen ihre Präzisionsgewehre in Stellung. Eine Drohne fliegt zur besseren Überwachung, auch Taucher sind für den Fall der Fälle unter Wasser. Das Schiff ist umstellt.
Im Inneren kommt Bewegung in die Situation: Die Geiselnehmer zerren eine Geisel auf das Sonnendeck, der Mann muss sich niederknien, die Waffe ist auf ihn gerichtet. Es kommt zu einem Gerangel, ein Schuss fällt und der Geiselnehmer sackt zu Boden, angeschossen von einem Präzisionsschützen des EKO Cobra am gegenüberliegenden Dach.
Jetzt geht alles ganz schnell, der Zugriff beginnt. Die Cobra-Beamten stürmen das Schiff, überwältigen die Geiselnehmer und durchkämmen das Schiff nach weiteren Geiselnehmern. Über Funk hört man: „Raum gesichert!“ Am Sonnendeck liegt der angeschossene Geiselnehmer, seine Waffe wird gesichert. Währenddessen werden die Passagiere in kleinen Gruppen aus dem Schiff evakuiert, von Cobra-Beamten und Polizisten der Schnellen Interventionsgruppe. Mittlerweile ist jeder Bereich durchkämmt, die Waffen der Geiselnehmer sind sichergestellt und die Geiselnehmer festgenommen.
Der erste Teil der Übung ist abgeschlossen. Man merkt, wie die Atmosphäre lockerer wird. Die Geiseln sind sichtlich erleichtert, wieder im Freien zu sein, frische Luft zu schnappen und sich die Beine zu vertreten. Nach dem Mittagessen findet in der Kantine die Einsatzbesprechung statt. Die Cobra-Beamten reflektieren die Übung, besprechen, was aus ihrer Sicht gut funktioniert hat und wo Verbesserungsbedarf herrscht. Die Übungsleiter geben den Beamten Feedback und besprechen den Ablauf der zweiten Übung. Danach geht es zurück zum Schiff.

Das Schiff nimmt Fahrt auf.

Die Polizei setzte bei der Geiselbefreiungsübung ein Taktisches Kommunikationsfahrzeug ein
Die Polizei setzte bei der Geiselbefreiungsübung
ein Taktisches Kommunikationsfahrzeug ein
© Gerd Pachauer

Am Nachmittag geht es weiter, der zweite Teil der Übung läuft an. Das Szenario ist ein ähnliches: Die Geiselnehmer befinden sich erneut am Schiff, dieses Mal verlässt es den Hafen und fährt die Donau flussabwärts bis zur Schleuse Abwinden/Asten. Dort soll ein Zugriff auf das Schiff erfolgen.
In einem Waldstück nahe der Schleuse versammeln sich die Einheiten der Cobra und der Schnellen Interventionsgruppe zur Einsatzbesprechung. Wie werden die Präzisionsschützen aufgestellt, wie soll der Zugriff ablaufen? Schiffspläne werden studiert und Teams eingeteilt. Jeder Punkt wird detailliert durchgegangen, Fragen beantwortet, der Ablauf durchgesprochen.
Gegen 16 Uhr kommt die Information, das Schiff hat den Hafen in Linz verlassen und befindet sich am Weg Richtung Schleuse. Die Mitglieder der Cobra und der SIG formieren sich und gehen zu ihren vorgegebenen Positionen, wo sie auf das Schiff warten. Bei der Schleuse bringen sich die Cobra-Beamten in Stellung. Sie verschanzen sich in einem Betonturm mit Fens­tern am Beginn der Schleuse, sie verstecken sich hinter Bäumen, sie stehen hinter strategisch aufgestellten Kastenwägen bereit.
Am Horizont taucht das Schiff auf. Es gleitet auf dem Wasser dahin. Das Schiff fährt in die Schleuse ein, ab hier gibt es keine Weiterfahrt mehr. Kurz ist es still, dann hört man Schritte. Die Cobra-Beamten laufen los. Von hinten fangen sie an, das Schiff zu durchkämmen, alle Räume zu sichern. Beim Eingang des Schiffs stehen Polizisten der SIG bereit. Ein Funkspruch wird abgesetzt, mehr Leute werden benötigt. Der Einsatz läuft reibungslos ab, die Geiselnehmer werden wie am Vormittag schnell überwältigt, die Geiseln wieder in kleinen Gruppen aus dem Schiff gebracht. Die Zusammenarbeit zwischen Cobra und SIG läuft reibungslos, die Kommunikation funktioniert. Die Einsatzkräfte unterstützen einander, wo sie können. Das Schiff ist gesichert, die Geiselnehmer festgenommen, die Geiseln in Sicherheit gebracht. Mittlerweile ist es dunkel geworden, der Einsatz ist zu Ende. Es ist kurz nach sechs Uhr abends. Das Einsatzkommando Cobra ist für den Ernstfall bereit.

Viktoria Punz


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2023

Druckversion des Artikels (PDF 636 kB)