Cybercrimebekämpfung

Verstärkte Zusammenarbeit

Das Bundeskriminalamt arbeitet seit Ende 2022 eng mit den Cybercrime-Kompetenzstellen der Staatsanwaltschaften zusammen. Gemeinsame Abläufe, ein spezielles Schulungsprogramm und regelmäßige Vernetzungstreffen sollen den Kampf gegen Cybercrime verstärken.

Vernetzungstreffen in Wien
Vernetzungstreffen in Wien: Klaus Mits (BK), Brigitte Steger,
Cornelia Koller (Staatsanwaltschaft Graz), Bernd Ziska
(Staatsanwaltschaft Wien), Martin Grasel (BK)
© Bundeskriminalamt

Die Anzahl der Cybercrime-Fälle ist nach wie vor stark steigend und stellt die Polizei vor Herausforderungen. 2022 wurden 60.195 Cybercrime-Delikte bei angezeigt – um 30,4 Prozent mehr als 2021 (46.179). Nicht nur die Zahl der Fälle steigt von Jahr zu Jahr, sondern auch die Höhe der Schadenssummen. Schätzungen zufolge beläuft sich der Gesamtschaden aufgrund von Cybercrime in Österreich auf mehrere Milliarden Euro jährlich. Um effektiv gegen Cybercrime vorgehen zu können, bedarf es intensiver Kooperation, sowohl im In- als auch im Ausland.

Massenphänomene wie Internetbetrug bedeuten einen relativ geringen Aufwand für die Täter. Sie können SMS oder E-Mails an eine breite Masse versenden und dadurch gleichzeitig nicht nur viele potenzielle Opfer erreichen, sondern auch hohe Schadenssummen verursachen. So etwa im Falle einer SMS mit der Zahlungsaufforderung im Namen des Finanzamtes. Über den eingebetteten Link wird das Opfer aufgefordert, einen dreistelligen Betrag einzuzahlen, um eine Pfändung zu vermeiden. Als Empfänger-IBAN scheinen österreichische Konten auf. Für die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz bedeuten Massenphänomene einen erhöhten Ermittlungs- und Ressourcenaufwand, und da Geschädigte österreichweit zu finden sind, bedarf es unter anderem gemeinsamer Abläufe, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und Ermittlungen effektiv zu gestalten.

Cybercrime-Kompetenzstellen bei Staatsanwaltschaften.

Um die Täter ausforschen, verhaften und verurteilen zu können, ist es besonders bei Massenphänomenen essenziell, diese frühzeitig zu erkennen und die Koordinierung von Sammelverfahren einzuleiten. Damit dies auf effizienter und zielgerichteter Ebene geschieht, wurde Ende 2022 eine Kooperation zwischen dem Bundeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Wien im Rahmen des Probebetriebs der Cybercrime-Kompetenzstelle geschlossen. Seit Anfang 2023 gibt es bei allen Staatsanwaltschaften in Österreich derartige Kompetenzstellen oder Cybercrime-Kontaktstellen. Die Aufgaben dieser spezialisierten Stellen sind in erster Linie der Aufbau von Know-how sowie die Unterstützung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bei Cybercrime-Fällen und komplexen Fragen in diesem Bereich.

Best-Practice-Modelle entwickeln.

Die Staatsanwältinnen und -anwälte der Kompetenzstelle übernehmen Fälle, in denen eine spezielle Expertise erforderlich ist. Es ist jedoch bewusst nicht definiert, welche Verfahren dies sein sollen, da das Fachwissen in Verfahren aus allen Ermittlungsbereichen, wie etwa Terror, Suchtmittelkriminalität oder Betrug zur Anwendung kommen kann. Davon abgesehen, stehen sie allen Staatsanwältinnen und -anwälten sowie Bezirksanwältinnen und -anwälten als Ansprechpartner bei Rechtsfragen und konkreten Ermittlungsfragen zur Verfügung. Die Kompetenzstellen sammeln die Erfahrungen aus Ermittlungsschritten und entwickeln „Best-Practice“-Modelle, um die Effizienz der Ermittlungsanordnungen anpassen und verbessern zu können. Zusätzlich informieren die Kompetenzstellen über aktuelle Entwicklungen und Phänomene im Cybercrime-Bereich.

Drehscheibe zwischen Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei.

Im Fokus der Zusammenarbeit steht insbesondere der Aufbau eines Netzwerkes zwischen den einzelnen Kompetenzstellen und den Cybercrime-Ermittlungsdienststellen bei der Polizei. Die Koordinierung von Sammelverfahren und Massenphänomenen steht dabei im Vordergrund, um zeitnah eine effiziente Ermittlungsschiene aufzubauen. Dadurch sollen Mehrfachermittlungen und Doppelgleisigkeiten vermieden werden. Besonders der gegenseitige Austausch zu rechtlichen Problemen sowie Erfordernissen ist ein zentraler Punkt. Zu diesem Zweck fand am 2. März 2023 bereits das erste Vernetzungstreffen statt, an dem Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaften Wien und Graz sowie des Cybercrime Competence Centers (C4) teilnahmen. Fragen können so direkt erörtert und Missverständnisse unmittelbar ausgeräumt werden.

Grundausbildung für Staats- und Bezirksanwälte.

Bevor die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Kompetenzstellen zum Einsatz kommen, müssen sie sich besonderes Wissen im technischen bzw. IT-Bereich und hiermit einhergehenden Ermittlungsmöglichkeiten aneignen. Im Jänner 2023 fand dafür das erste Onlinetraining statt. Zwischen Mitte Jänner und Ende März 2023 wurden jeweils sechs Module für die Bezirksanwältinnen und -anwälte sowie für die Staatsanwältinnen und -anwälte voneinander getrennt durchgeführt.
Ziel ist es, eine Grundausbildung für IT-Ermittlungen bereitzustellen, wobei die technischen Möglichkeiten in den Ermittlungstätigkeiten im Detail vermittelt werden sollen. Dabei werden auch die Grenzen aufgezeigt und anhand dessen erörtert, welche Ermittlungsmaßnahmen derzeit als erfolgsversprechend gelten und welche nicht. 250 Staatsanwältinnen und -anwälte sowie 100 Bezirksanwältinnen und -anwälte absolvierten das Onlinetraining.

Expertenvorträge.

In beiden Webinarreihen gaben Expertinnen und Experten der Abteilungen kriminalpolizeiliche Assistenzdienste und Wirtschaftskriminalität des Bundeskriminalamts durch Vorträge Einblicke in die Grundlagen digitale Ermittlungen, Internetbetrug, Malware, soziale Medien (Zentrale Anfragestelle für Social Media und Online Service Provider – ZASP), Darknet-Ermittlungen und Kryptowährungen. Die Inhalte wurden jeweils auf aktuelle Phänomene und Trends mit Bezug auf praktische Fälle abgestimmt und an die jeweilige Zielgruppe – Bezirksanwältinnen und -anwälte sowie Staatsanwältinnen und -anwälte – angepasst.

Ausblick.

Derzeit wird ein spezielles Cybercrime-Curriculum für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Kompetenzstellen im Justizministerium ausgearbeitet. Vernetzungstreffen mit Rechtsexpertinnen und -experten aus dem universitären Bereich, um Rechtsfragen erörtern zu können sowie dem C4 sollen in regelmäßigen Abständen stattfinden. Außerdem wird die Teilnahme an internationalen Aus- und Fortbildungen in diesem Bereich vom Justizministerium stark forciert. Da­rüber hinaus sollen 24 zusätzliche Planstellen für Cybercrime-Staatsanwältinnen und -anwälte den Kampf gegen Cybercrime weiter verstärken.

Romana Tofan


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2023

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