Bundespolizei

Polizist und Jurist

Polizeijuristen sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und versehen Exekutivdienst. In den Wiener Polizeikommissariaten vertreten sie einerseits die Behörde, andererseits sind sie als Exekutivorgane auch zur Anwendung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt.

Jürgen Gruber: „Ein Polizeijurist ist in einer Doppelfunktion tätig.“
Jürgen Gruber: „Ein Polizeijurist ist in einer Doppelfunktion
tätig.“ © Gilbert Brandl

Polizeijuristinnen und -juristen (rechtskundiger Dienst), die ihren Dienst in den 14 Polizeikommissariaten (PKs) der Landespolizeidirektion Wien versehen, sind ebenso wie die Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und versehen Exekutivdienst. Sie sind in einer Doppelfunktion tätig: Als Vertreter der Behörde sind sie mit Behördenbefugnissen ausgestattet, als Exekutivorgane auch zur Anwendung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt. Abhängig von ihrer konkreten Aufgabe versehen sie ihren Dienst in Polizeiuniform oder Zivil.
„Ein Polizeijurist am Kommissariat muss ein breites Wissensspektrum abdecken – von ,echter‘ Polizeiarbeit bis zum Lösen von Rechtsfragen und rechtlicher Beratung. „Für mich als ,gelernter‘ Polizist, der einige Jahre auch als Kriminalbeamter tätig war, und im zweiten Bildungsweg Jus studiert hat, ist das Berufsbild des Polizeijuristen genau das Richtige: Man geht seinem ,gelernten’ Beruf als Polizist nach und kann gleichzeitig seine Expertise als Jurist einbringen“, erklärt Oberrat Dr. Jürgen Gruber, seit 2019 stellvertretender Stadthauptmann des PK für Meidling und Hietzing.

Breites Aufgabenfeld.

Den 14 Polizeikommissariaten in Wien obliegt die Bearbeitung aller Angelegenheiten, für die keine ausdrückliche Zuständigkeit einer anderen polizeilichen Organisationseinheit besteht. Weiter sind ihnen Aufgaben zugewiesen, wie die Ermittlungen zu den Straftaten des Widerstands gegen die Staatsgewalt und tätlichen Angriffen auf Beamte sowie zu allen gerichtlich strafbaren Fahrlässigkeitsdelikten. Kernbereich der Zuständigkeit der PKs ist jedenfalls die Führung von Verwaltungsstrafverfahren, etwa nach dem Kraftfahrgesetz, der Straßenverkehrsordnung, dem Sicherheitspolizeigesetz oder dem Wiener-Landessicherheitsgesetz.
Für unaufschiebbare Aufgaben, für die eine sofortige Entscheidung der Behörde benötigt wird, wie Haftsachen im Verwaltungsstrafrecht, Leichenfunde, Bombendrohungen oder Handypeilungen ist in jedem PK von 7:30 bis 15:30 ein Journaldienst der Polizeijuristen eingerichtet. Diese unterstützen die Polizeibeamten der Bezirke mit ihrer Rechtsexpertise und erteilen auch Behördenaufträge. Während der Woche von 15:30 bis 7:30 Uhr sowie am Wochenende rund um die Uhr übernimmt der „Zentral-Journaldienst“ der Landespolizeidirektion Wien, bestehend aus vier Polizeijuristen, diese Aufgabe für ganz Wien.

Kriminalpolizeiliche Kommission.

Wenn während des Journaldienstes eine Leiche aufgefunden wird, dann wird die „Kriminalpolizeiliche Kommission“ tätig, etwa dann, wenn Verdacht auf Fremdverschulden oder Selbstmord besteht, bei tödlichen Unfällen sowie Todesfällen von Kindern. „Die Kommission wird am Fundort der Leiche vom Journaldienst versehenden Polizeijuristen geleitet und besteht zusätzlich aus einem Polizeiarzt und einem Kriminalbeamten. Gemeinsam versucht man festzustellen, ob es Anhaltspunkte für das Vorliegen von Fremdverschulden bzw. Fremdeinwirkung gibt, wie z. B. Spuren eines Kampfes. Die Feststellung der Kommission bildet die Entscheidungsgrundlage für den zuständigen Staatsanwalt, ob er eine Obduktion anordnet oder die Leiche freigibt“, schildert Gruber eine wichtige Aufgabe der Polizeijuristen.

Schnellrichter.

Polizeijuristen werden auch als sogenannte „Schnellrichter“ tätig. Schnellrichtereinsätze finden mit Zivilstreifenwagen, hauptsächlich zur Verkehrsüberwachung im gesamten Stadtgebiet samt den dazugehörigen Autobahnen, statt. Geahndet werden primär Verstöße gegen straßenpolizeiliche und kraftfahrrechtliche Bestimmungen. Schwerpunktaktionen mit Schnellrichtern werden auch für das Prostitutionswesen gesetzt. „Der große Vorteil der Schnellrichter-Einsätze ist neben der Hebung der Verkehrssicherheit auch die Beschleunigung des Verwaltungsstrafverfahrens. Aufgrund der eigenen dienstlichen Wahrnehmung des Polizeijuristen als Vertreter der Behörde, können Verwaltungsübertretungen gleich an Ort und Stelle angezeigt und mittels Strafverfügung geahndet werden“, erklärt Gruber.

Behördlicher Aufsichtsdienst.

Polizeijuristen werden auch für behördliche Aufsichtsdienste verwendet; sie leiten bei Großveranstaltungen nach dem Wiener Veranstaltungsgesetz (z. B. Theater- oder Opernaufführungen, Konzerte, u. a.), den Überwachungsdienst. „Im Bereich des Polizeikommissariats Meidling und Hietzing übernehmen wir den Aufsichtsdienst etwa für das Sommernachtskonzert in Schönbrunn oder die Veranstaltung „Dancing Stars“ im ORF-Zentrum am Küniglberg. Vor der Veranstaltung findet ein behördlicher Rundgang mit Vertretern des Magistrats, der Feuerwehr und des Veranstalters statt. Dabei wird etwa überprüft, ob die bescheidmäßigen Auflagen und die Brandschutzvorschriften eingehalten werden. Kommen bei Aufführungen pyrotechnische Gegenstände oder Waffen zum Einsatz, wird überprüft, ob es sich um zulässige Requisiten handelt“, schildert Gruber Aufgaben des Polizeijuristen im behördlichen Aufsichtsdienst.
Polizeibeamte treffen oft noch vor den anderen Einsatzkräften am Einsatzort ein und kommen immer wieder in Situationen, in denen sie Menschen das Leben retten. „Als Polizeijurist gelang es mir im Jahr 2020, einen Mann zu retten, der wegen des unmittelbar zuvor verübten Suizids seiner Gattin, ebenso aus dem Leben scheiden wollte. Dieser wollte sich vom Balkons stürzen und konnte im letzten Moment zurückgerissen werden“, schildert Gruber. „Mein Großvater war ebenfalls Polizist, daher hatte ich bereits als Kind eine Vorstellung von diesem Beruf. Als ich älter wurde, nahm der Wunsch zu in seine Fußstapfen zu treten, beschreibt Gruber die ursprünglichen Beweggründe, Polizist zu werden.
„Der Hauptgrund, warum ich mich vor mittlerweile über 20 Jahren dazu entschlossen habe, zur Polizei zu gehen war, dass ich einerseits Menschen helfen und der Gesellschaft etwas zurückgeben und gleichzeitig einen spannenden und abwechslungsreichen Beruf haben wollte. Der überwiegende Teil der Bevölkerung begegnet der Polizei positiv und mit Wertschätzung. Man vertraut uns – das ist schön und mir persönlich auch sehr wichtig.“

J. G./M. J. L

 

Polizeikommissariat Meidling und Hietzing

„Arbeiter- und Nobelbezirk“

Polizeijuristinnen und -juristen des PK Meidling und Hietzing: Chantal Braun, Amrei Thaler, Eva-Maria Leitner, Jürgen Gruber, Helmut Tratter
Polizeijuristinnen und -juristen des PK Meidling und Hietzing:
Chantal Braun, Amrei Thaler, Eva-Maria Leitner, Jürgen
Gruber, Helmut Tratter © Gilbert Brandl

Das Polizeikommissariat (PK) für Meidling und Hietzing wird von Hofrat Mag. Helmut Tratter geleitet. Sein Stellvertreter ist Oberrat Dr. Jürgen Gruber. Insgesamt versehen fünf Polizeijuristinnen und Polizeijuristen sowie 30 weitere Verwaltungsbedienstete Dienst im PK Meidling in der Meidlinger Kaserne. Das Stadtpolizeikommando Meidling und Hietzing, das dem Polizeikommissariat zur Erfüllung der diesen obliegenden Angelegenheiten zur Dienstverrichtung zugewiesen ist, besteht aus drei leitenden Beamten, 337 Exekutivbediensteten und wird von Oberst Klaus Hölscher, BA geführt. Im „Nobelbezirk“ Hietzing – dem grünsten Bezirk Wiens – befinden sich das ORF-Zentrum, Schloss Schönbrunn samt Tiergarten, die Hermes Villa sowie die Klimt Villa. Außerdem sind in Hietzing die Botschaften der Staaten Aserbaidschan, der Mongolei und Polens angesiedelt, zudem die Residenz der U.S.-Botschafterin. Im historischen „Arbeiterbezirk“ Meidling befinden sich die Maria-Theresien-Kaserne, Schloss Hetzendorf sowie Schloss Atzgersdorf. Der Bahnhof Wien-Meidling ist der zweitwichtigste Bahnhof Wiens. Überdies ist die letzte Stalin-Gedenktafel Mitteleuropas in Meidling zu finden, wo auch die Botschaft von Bosnien und Herzegowina ihren Sitz hat. Beide Bezirke umfassen eine Fläche von rund 46 Quadratkilometer, etwa 158.000 Menschen leben hier.

 

Polizeikommissariate in Wien

Zuständigkeit und Aufgaben

Aufgabe der Polizeikommissariate in Wien ist die Wahrnehmung der Aufgaben als Sicherheitsbehörde 1. Instanz. Die Stadtpolizeikommanden sind den Polizeikommissariaten zur Erfüllung der diesen obliegenden Angelegenheiten zur Dienstverrichtung zugewiesen. Der Leiter eines Polizeikommissariats, ein Jurist, führt die Bezeichnung „Stadthauptmann“, der Leiter eines Stadtpolizeikommandos, ein leitender Polizeibeamter, die Bezeichnung „Stadtpolizeikommandant“. Der Stadtpolizeikommandant ist dem Stadthauptmann für die sachgerechte Besorgung der zugewiesenen Aufgaben unmittelbar verantwortlich. Um dies gewährleisten zu können haben andere Organisationseinheiten, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Mitwirkung der Stadtpolizeikommanden oder der Polizeiinspektionen bedürfen, ihre Aufträge und Ersuchen an das jeweilige Polizeikommissariat zu richten. Den Polizeikommissariaten obliegt die Bearbeitung aller Angelegenheiten, für die keine ausdrückliche Zuständigkeit einer anderen Organisationseinheit besteht.
Zusätzlich wurden den Polizeikommissariaten mehrere Aufgabengebiete explizit zugewiesen. Bei diesen handelt es sich etwa um Ermittlungen wegen Verdachts aller gerichtlich strafbarer Handlungen, die nicht ausdrücklich anderen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektion Wien zur Erledigung zugewiesen sind. So verbleiben etwa Fahrlässigkeitsdelikte und strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt (§§ 269, 270 StGB) in der Zuständigkeit der Polizeikommissariate.
Kernbereich der Polizeikommissariate ist jedenfalls die Führung von Verwaltungsstrafverfahren (Kraftfahrgesetz, Straßenverkehrsordnung, Führerscheingesetz, Sicherheitspolizeigesetz, Wiener-Landessicherheitsgesetz, u. a). Überdies obliegt den Polizeikommissariaten die Verkehrspolizei, sofern nicht die Landesverkehrsabteilung zuständig ist. Ebenso fällt die Entgegennahme von Anträgen auf Ausstellung von Waffenpässen, Waffenbesitzkarten sowie die Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung in deren Zuständigkeit.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2023

Druckversion des Artikels (PDF 312 kB)