Umfrage

Stimmungsbild Ukraine

Im Auftrag des Instituts für Wissenschaft und Forschung des Bundesministeriums für Inneres wurden in jeweils drei Wellen sowohl Österreicher/-innen als auch Ukrainer/-innen zur „Ukrainekrise befragt“.

Empfang von Flüchtlingen aus der Ukraine am Flughafen Wien-Schwechat: Die Bereitschaft, Flüchtlinge aus der Ukraine zu unterstützen, ist weiterhin groß
Empfang von Flüchtlingen aus der Ukraine am Flughafen
Wien-Schwechat: Die Bereitschaft, Flüchtlinge aus der
Ukraine zu unterstützen, ist weiterhin groß
© Gerd Pachauer

Der anhaltende Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Folgen wie Inflation und Energieversorgung etc. – stellt zur ohnehin herausfordernden Situation, bedingt durch die gesellschaftlichen, psychischen wie ökonomischen Nachwehen von Covid-19 – eine besondere Herausforderung für Gesellschaft und Institutionen sowie einen weiteren Unsicherheitsfaktor für das demokratische Gefüge dar. Zugleich wurde und wird Vertriebenen (mehrheitlich Frauen und Kindern) aus der Ukraine mit großer Hilfsbereitschaft begegnet.
Österreich hatte bereits im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015 enorme Herausforderungen zu stemmen – Erfahrungen aus denen man heute zum Teil schöpfen kann. Dazu zählt, dass sich die anfänglich in der Gesellschaft vorhandene Hilfsbereitschaft den Geflüchteten und Migrant/-innen gegenüber rasch verändert hat. Trotz der Tatsache, dass sich sowohl die Gruppen als auch die geografischen Rahmenbedingungen heute und damals stark unterscheiden, war zu Beginn des Krieges und der resultierenden Fluchtbewegungen u. a. nach Österreich, davon auszugehen, dass der gesellschaftliche Zuspruch auch im aktuellen Fall aufgrund unterschiedlicher Faktoren (negative Wirtschaftssituation, Verdrängungsängste am Arbeitsmarkt, Dauer des Aufenthalts, etc.) nicht in der Form aufrecht bleibt.
Das frühzeitige Beobachten dieses Stimmungsbildes sowie der Perzeption aufkommender alternativer Spins ist aus migrations- und sicherheitspolitischen Überlegungen, insbesondere vor dem Hintergrund einer in der österreichischen Gesellschaft partiell labilen Grundverfasstheit aufgrund der Belastungen der letzten Jahre, von hoher Bedeutung, um – wenn notwendig – reagieren zu können.
Ähnlich dem Corona-Panel der Universität Wien sollten frühzeitig und regelmäßig im Kontext der Ukraine-Krise entsprechende empirische Daten aus Handlungsgrundlage und Monitoring-Instrument erhoben werden, weswegen das Institut für Wissenschaft und Forschung des Innenministeriums im Frühjahr 2022 zwei Erhebungsinstrumente konzipierte und beauftragte. Erhoben wurde – jeweils im Frühsommer und Herbst 2022 sowie im Winter 2023 – ein Stimmungsbild der Bevölkerung sowie eine Basisbefragung unter vertriebenen Ukrainer/-innen in Österreich. Die Befragungen fanden in Kooperation mit dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sowie der Internationalen Organisation für Migration, Landesbüro für Österreich (IOM) statt.

Einstellungen in der österreichischen Bevölkerung.

Solidarität mit der Ukraine: Solidaritätskundgebung am Wiener Heldenplatz
Solidarität mit der Ukraine: Solidaritätskundgebung am
Wiener Heldenplatz © Hans Ringhofer/Picturedesk.com

Zu Jahresbeginn 2023 sind gut zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass die Aufnahme von Kriegsvertriebenen Aufgabe Österreichs ist, und 55 Prozent sind dafür, weitere Vertriebene aus der Ukraine aufzunehmen. Das Zusammenleben mit den Ukrainerinnen und Ukrainern beurteilen 65 Prozent der Bevölkerung als sehr gut oder gut. Gefragt nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass dieser in letzter Zeit in Österreich abgenommen habe. Gut ein Drittel sieht keine Veränderung.
Die Bereitschaft, Flüchtlinge aus der Ukraine zu unterstützen, ist weiterhin groß: 22 Prozent der Bevölkerung geben an, dass sie bereit sind, Geflüchtete aus der Ukraine persönlich zu unterstützen, 21 Prozent gaben an, sie bereits unterstützt zu haben, und weitere 7 Prozent gaben an, zwar Geflüchtete unterstützt zu haben, und würden dies auch weiter tun. Die Bereitschaft zur Unterstützung, vor allem mit Sach- und Geldspenden, ist kaum zurückgegangen.
69 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Personen aus der Ukraine besser integrierbar sind als Geflüchtete aus anderen Ländern. Diese Meinung ist stabil. Ukrainer/-innen seien vorwiegend aufgrund der gemeinsamen Werte, der gemeinsamen christlichen Religion aber auch, weil sie bessere Möglichkeiten hätten, im österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, leichter integrierbar als Geflüchtete aus anderen Ländern. Die größten Herausforderungen für die Integration werden weiterhin in den Schulen, beim Erwerb der Sprache aber auch am Arbeitsmarkt geortet.
Nach dem Ausbruch des Krieges wurde den Menschen aus der Ukraine durch Erteilung des Vertriebenenstatus schneller und unbürokratischer als anderen Geflüchteten Zugang zum Bildungssystem, Gesundheitssystem, etc. gewährt. Die österreichische Bevölkerung stand diesen Maßnahmen Großteils positiv gegenüber. Rund 8 von 10 befürworten immer noch die Öffnung des Bildungswesens oder des Arbeitsmarktes für die Ukrainer/-innen. Auch der Zugang zum Gesundheitssystem wird von 69 Prozent weiterhin begrüßt, wie auch der Zugang zu Sozialleistungen.
46 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass sich die Sicherheitslage in Österreich durch den Krieg in der Ukraine verschlechtert hat. Dieser Wert ist seit der Sommer 2022 stabil. Seit Sommer 2022 deutlich zurückgegangen ist der Anteil an Personen, die sich durch den Krieg in der Ukraine in ihrer Sicherheit bedroht fühlen.
Als größte Bedrohungen werden die Zunahme an Konflikten innerhalb der Gesellschaft, die Wirtschaftskrise, Einschränkungen im Bereich Energie, aber auch Cyber-Angriffe auf kritische Infrastruktur gesehen. Am wahrscheinlichsten scheint der Bevölkerung ein Engpass in der Energieversorgung und eine Wirtschaftskrise. Rund zwei Drittel zeigen ein großes Interesse am Thema Vorsorge im Krisen- und Katastrophenfall.
Gestiegen seit der ersten Befragung im Sommer 2022 ist der Anteil der Personen, die sich gut zum Thema Vorsorge für den Krisen- und Katastrophenfall informiert fühlen, und zwar von 51 auf 58 Prozent. 53 Prozent geben an, sich informiert zu haben und 5 von 10 haben Vorsorgemaßnahmen für ihren Haushalt getroffen.51 Prozent sagen, dass die Behörden und Einsatzorganisationen in Österreich für eventuelle Krisen- und Katas­trophenfälle, wie etwa Stromausfall oder Naturkatastrophen, ausreichend vorbereitet seien.

Basisbefragung unter Ukrainerinnen und Ukrainern.

Drei Viertel der Vertriebenen sind in Begleitung anderer Personen geflüchtet. 55 Prozent sprechen Englisch und 39 Prozent Deutsch. 83 Prozent sind Frauen, im Durchschnitt deutlich jünger als die österreichische Wohnbevölkerung. Der Anteil der Personen, die Deutsch sprechen, hat sich im Vergleich zur 1. Welle verdoppelt. Knapp jede oder jeder Vierte lebte vor seiner/ihrer Flucht in Kiew. Mehr als drei Viertel der Vertriebenen lebten in einer Großstadt.
Gründe für die Flucht nach Österreich: Ein knappes Viertel ist zufällig nach Österreich gekommen, 18 Prozent kannten Österreich, weil sie schon früher einmal da waren und knapp ein Viertel hat hier Freunde. 8 von 10 sind wegen des Krieges geflüchtet und haben vorher nie mit dem Gedanken gespielt zu emigrieren. Bei den Jungen sieht das anders aus. Da haben 30 Prozent schon vor dem Krieg mit dem Gedanken gespielt, das Land zu verlassen.
Immerhin 44 Prozent der Ukrainer/-innen in Österreich haben Angehörige in Russland. 74 Prozent, etwas mehr als bei der 2. Befragungswelle, nutzen Informationsangebote der Bundesregierung und der Ministerien und 78 Prozent von privaten Organisationen. Das Informationsangebot scheint zu greifen: 58 Prozent, deutlich mehr als bei der ersten und zweiten Erhebungswelle, fühlen sich, was das Leben in Österreich betrifft, gut informiert.
70 Prozent (um 3 Prozentpunkte weniger als im Herbst 2022) bekommen derzeit die Grundversorgung. Rund ein Viertel, etwas mehr als bei der 2. Erhebungswelle, ist in Österreich erwerbstätig, allerdings entspricht bei mehr als zwei Dritteln diese Arbeit nicht ihren Qualifikationen, weshalb mit 22 Prozent der Anteil jener, die mit ihrer finanziellen Situation zufrieden sind, auf niedrigem Niveau stagniert.
10 Prozent der Befragten sagen, sie haben entweder selbst Erfahrung mit Ausbeutung gemacht oder seien Zeugen von Ausbeutung bei jemand anderem geworden, wobei in den meisten Fällen Arbeitsausbeutung Thema ist.
Am häufigsten wohnen die Ukra­iner/-innen in privaten Unterkünften, allerdings fällt der Anteil stetig (aktuell 55%). Sehr gute Werte konnten hinsichtlich des Aspektes „Willkommenskultur“ erzielt werden: 95 Prozent der Befragten und 99 Prozent der Personen, die an allen drei Befragungswellen teilgenommen haben, fühlten sich unmittelbar nach der Flucht in Österreich willkommen und 9 von 10 fühlen sich immer noch willkommen.
Das Zusammenleben mit den Österreicherinnen und Österreichern funktioniert für 9 von 10 sehr gut oder gut. Nahezu alle Ukrainerinnen und Ukrainer fühlen sich vom Staat und von der Zivilbevölkerung gut unterstützt. 18 Prozent nehmen Ressentiments ihnen gegenüber wahr.
Bei den Hilfsangeboten und Unterstützungsleistungen gibt es aus Sicht der Befragten Verbesserungsbedarf; sie werden nur von knapp mehr als der Hälfte als ausreichend eingestuft. Konkret besteht der Wunsch nach verstärkter Hilfe bei der Arbeitssuche und höheren Sozialleistungen. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass Personen aus der Ukraine noch länger – und dann zum Teil dauerhaft – in Österreich bleiben werden; rund ein Drittel der Befragten plant, in den nächsten Wochen oder Monaten in die Ukraine zurückzukehren.

Andrea Gaunersdorfer/Linda Jakubowicz/Hanns Matiasek

Rückfragen: forschung@bmi.gv.at


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2023

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