Bundesheer

„Speziell einsetzbare Soldaten“

Das Jagdkommando feierte im Juni 2023 das 60-jährige Bestehen. Die Spezialeinsatzkräfte des Bundesheeres sind unter anderem für Spezialaufklärung, Kommandounternehmen und militärische Unterstützung zuständig und sind die Anti-Terroreinheit des Bundesheeres.

Ausstellung „60 Jahre Jagdkommando“: Schülerinnen und Schüler informierten sich über die Geschichte und Aufgaben der Spezialein satzeinheit des Bundesheers; Anfänge des Jagdkommandos: Ausbildung 1964
Ausstellung „60 Jahre Jagdkommando“: Schülerinnen und Schüler informierten sich über die Geschichte und Aufgaben der Spezialein satzeinheit des Bundesheers; Anfänge des Jagdkommandos: Ausbildung 1964 © Bundesheer

Sie springen mit dem Fallschirm aus Flugzeugen, entfernen Minen aus gesunkenen Schiffen, befreien Geiseln im Ausland, bestreiten Scharfschützeneinsätze und sind die Anti-Terror-Einheit des österreichischen Bundesheeres – die rund 400 Soldaten des Jagdkommandos.

Jubiläum.

„Von den Anfängen des Jagdkommandos, der Umfeldausbildung, den verschiedensten Einsätzen des Verbandes bis hin zu aktuellen Themen haben sich Schulklassen aus Niederösterreich, Grundwehrdiener sowie Angehörige des Verbandes anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums des Jagdkommandos im Sommer überzeugen können“, berichtet Major Gertraud Schneitl vom Jagdkommando. Am 7. Juni 2023 wurden die Tore der Flugfeldkaserne in Wr. Neustadt für etwa 2.500 Besucher geöffnet. Die Ausstellung „60 Jahre auf 60 Meter“ entführte in eine Zeitreise zu den bewegten Anfängen des Jagdkommandos. „1963 wurde der Befehl zur Abhaltung des ersten Jagdkommando-Grundkurses erteilt und das Jagdkommando als Kompanie für Sondereinsätze aufgestellt“, berichtet Oberst Rudolf Weissenbacher, stellvertretender Leiter des Jagdkommandos. „Das Ziel der neu gestarteten Ausbildung war es, den Kampf in dem vom Feind besetzten Gebiet mit regulären Kräften, den sogenannten Jagdkommandos, kleinkriegsmäßig fortzusetzen. Heute ist das Jagdkommando der einsatzerfahrenste Verband des Bundesheeres, der über speziell ausgewählte, ausgebildete und ausgerüstete Soldaten verfügt. Die vielfältigen Aufgaben im In- und Ausland erfordern ein Höchstmaß an geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit. Dabei ist die Fähigkeit, Probleme unkonventionell und kreativ zu lösen, eine Grundtugend aller Angehörigen des Verbandes.“

Ein Blick zurück.

Begonnen hat diese Geschichte in der ersten Vorschrift für die Infanteriegefechtsausbildung der B-Gendarmerie, der Vorläuferin des Bundesheeres. „Dort wurde festgelegt, dass für, besondere Kampfaufgaben‘ im Feindgebiet „Jagdkommandos“ eingesetzt werden sollen“, erklärt Weissenbacher. Beim Aufbau des Bundesheeres nach 1955 erfolgte die Aufstellung von „speziell einsetzbaren Soldaten“ im Rahmen der Infanteriebataillone mit spezieller Ausbildung für Aufklärung, Stoßtrupp und kleinkriegsähnliche Unternehmen. „Der beste Soldat war jener der damaligen Infanteriekampfschule, ein Elitetruppenkörper des jungen Bundesheeres.

Grundstein.

Mit der Entsendung von Oberleutnant Manfred Flödl zur Rangerausbildung nach Fort Benning (USA) wurde im Jahre 1961 der Grundstein zur Etablierung der Spezialausbildung im österreichischen Bundesheer gelegt. Besonders Oberst des Generalstabs Karl Lütgendorf setzte sich für die Entwicklung von Konzepten zur Führung von Kleinkriegskräften zur Unterstützung konventioneller Truppen ein“, erklärt Weissenbacher. In Umsetzung dieser Konzeption wurde 1962 die jährliche Abhaltung von „Kursen für Sonderausbildung“ beschlossen. Im darauffolgenden Jahr wurde Oberleutnant Josef Herzog, ehemaliger Angehöriger der Infanteriekampfschule, von der HSNS als Kurskommandant für den 2. Kurs eingeteilt. Als Ausbildungsoffizier wurde Leutnant Josef Wanetschek, Spitzensportler im Fechten und ebenfalls ehemaliger Angehöriger der Infanteriekampfschule, eingeteilt. Der Kurs wurde erstmals als „Jagdkommandokurs“ bezeichnet.

Der Begriff „Jagdkommando“ stammt aus dem Ersten Weltkrieg, wo auf dem östlichen Kriegsschauplatz kleine selbstständig operierende Kommandos als „Jagdkommandos“ bezeichnet wurden. „Nach der Übernahme des Kommandos der Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS) durch Oberst des Generalstabs Robert Lang, der in Personalunion gleichzeitig auch die Agenden des Leiters der Ausbildungsabteilung B (Sonderausbildung) wahrnahm, war das Jagdkommando auch innerhalb des Bundesministeriums für Landesverteidigung entsprechend vertreten“, erklärt Weissenbacher. Im Herbst 1967 verlegte das Jagdkommando auf Grund eingeschränkter Übungs- und Ausbildungsmöglichkeiten von der Fasangarten-Kaserne nach Hainburg. „Ziel war die Schaffung entsprechender Infrastruktur für die Formierung einer Kompanie. Als Kaserne diente das Schloss Hainburg, eine ehemalige k.u.k. Kadettenschule“, erklärt Weissenbacher. „1978 kamen sie schließlich an, in der Flugfeldkaserne in Wiener Neustadt. Sie wurde das Ausbildungszentrum für künftige Jagdkommandokurse. 1985 wurde das Jagdkommando ein eigener Truppenkörper. Es erfolgte eine Trennung von Leistungssport und der Sonderausbildung im Bundesheer. Als Kommandant des Ausbildungszentrums Jagdkampf wurde Oberstleutnant Manfred Flödl bestellt. Als Garnison wurde die Flugfeldkaserne in Wr. Neustadt zugewiesen. Das blieb bis heute. Nur haben sich die Zeiten verändert.“
Nicht nur, dass sich die Einsätze des Jagdkommandos zunehmend auf internationale Friedenseinsätze konzentrieren, „musste in den letzten Jahren ein schleichender Verlust von körperlicher und mentaler Leistungsfähigkeit in der Gesellschaft festgestellt werden“, erläutert ein Militärpsychologe. Dies hänge zusammen mit dem „modernen“ Lebensstil unserer Wohlstandsgesellschaft. Dieser führe unter anderem dazu, dass die Menschen weniger Kraft und Ausdauer besitzen, weil immer weniger Wege zu Fuß zurückgelegt werden. Weiteres fehle es an Konfliktlösungsverhalten. „Doch genau auf solche Kompetenzen und Fertigkeiten kommt es im Jagdkommando an“, sagt der Militärpsychologe. Das Jagdkommando zählt zu den Spezialeinsatzkräften und ist eine Welt der Leistungselite. Der Dienst als Jagdkommando-Soldat ist abwechslungsreich, herausfordernd, erfüllend und findet in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten statt.

Zu den Fähigkeiten der Elite-Soldaten zählen spezielle Einsätze zu Lande, zu Wasser und nach Anlandung aus der Luft
Zu den Fähigkeiten der Elite-Soldaten zählen spezielle Einsätze zu Lande, zu Wasser und nach Anlandung aus der Luft © Bundesheer

Anforderungen.

Wer zum Jagdkommando will, muss u. a. folgende Anforderungen bestehen: 8 km Eilmarsch mit 20 kg Rückengepäck über welliges Gelände in maximal 60 Minuten, 30 m Seilklettern oder 300 m Kleiderschwimmen in maximal 11 Minuten. Das Auswahlverfahren dient dazu, den Anwärter auf seine körperliche Leistungsfähigkeit und psychologische Eignung für die Jagdkommando-Grundausbildung zu überprüfen. Bisher hat erst einmal eine Frau den Jagdkommando-Grundkurs geschafft. „Nach der positiven Absolvierung des Auswahlverfahrens müssen laufend Qualifikationen erbracht und erhalten werden. Die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit muss permanent auf einem überdurchschnittlich hohen Level sein – Weiterqualifizieren und Lernen hören niemals auf“, sagt der Militärpsychologe.

Die Weiterentwicklung der europäischen Spezialeinsatzkräfte erfolgt u. a. im Rahmen des European Clothing Action Plans (ECAP) der EU, wo Fragen der Beschaffung von Ausrüstung, Einsatzgrundsätze und gemeinsamer Operationen im EU-Rahmen auf Expertenebene in periodischen Arbeitssitzungen erörtert werden. Auch die Bewertungen der Bundesheerreformkommission zeigen die gestiegene Bedeutung von Spezialeinsatzkräften. Seit 1999 leistet das Jagdkommando fast durchgehend Einsätze und hat sich als ein moderner Einsatzverband etabliert.“ Nicht zuletzt durch diese Leistungen konnte das Jagdkommando der obersten politischen und militärischen Führung den Stellenwert und die Notwendigkeit von Spezialeinsatzkräften vor Augen führen. „Viele Rekruten können eine Spitzenleistung erbringen, die sie eine zeitlang aufrechterhalten können“, sagt der Militärpsychologe. „Wichtig wäre es, diese Spitzenleistung über Jahre hinweg abrufen zu können.“ Das heißt, es soll nicht nur während der Jagdkommando-Ausbildung eine Spitzenleistung erfolgen, sondern der ausgebildete Jagdkommando-Soldat „muss während der gesamten Dienstzeit im Jagdkommando permanent leistungsfähig sein“.
Wer sich für eine Jagdkommando-Ausbildung ernsthaft interessiert und nicht nur einer momentanen Laune nachgibt, der möge sich an das Jagdkommando selbst wenden. Im Gegensatz zu vielen verfügbaren Quellen zur angeblich besten Vorbereitung für das Auswahlverfahren (YouTube Videos, Influencer, etc.) wird er hier adäquat beraten und während seiner Vorbereitungszeit unterstützt. Das nächste Auswahlverfahren beginnt im März 2024.

Der Leitspruch des Jagdkommandos ist „Numquam Retro!“ – Niemals zurück zum Schiff! Dieses Motto geht auf die Payer-Weyprecht-Nordpolexpedition der k. u. k. Kriegsmarine zurück (1872 bis 1874). Am 25. Mai 1874 verließen sie mit den Beibooten die Tegetthoff in der Absicht niemals zum Schiff zurückzukehren. Diese Expedition ist wegen des extremen Durchhaltevermögens und der Entschlossenheit der Teilnehmer in die Geschichte eingegangen.

Kontakt: Jagdkommando.bewerbung@bmlv.gv.at, 0664 622 85 78

Julia Brunhofer/Herbert Zwickl


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2023

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