Exekutivgeschichte

Entnazifizierung der Exekutive

Polizeioffizier Thomas Meßner beschäftigte sich in seiner Bachelorarbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt mit der Geschichte der Exekutive in der Stadt Salzburg von 1945 bis 1955.

Wiener Sicherheitswachmänner 1938 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
Wiener Sicherheitswachmänner 1938 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten © LPD Wien/Polizeiarchiv

Leutnant Thomas Meßner von der Landespolizeidirektion (LPD) Salzburg hat an der FH Wiener Neustadt den Bachelor-Studiengang „Polizeiliche Führung“ absolviert. Das Studium ist die Voraussetzung für die Beförderung zum „leitenden Beamten“ (Polizeioffizier). In seiner wissenschaftlichen Abschlussarbeit unter dem Titel „Die ‚lange NS-Zeit‘ in Österreich 1930–1955. Opfer/Täter/Mitläufer? Entnazifizierung der österreichischen Exekutive in der Stadt Salzburg im Zeitraum 1945–1955. Eine soziologische und organisatorische Herausforderung“ legte der Autor den Schwerpunkt auf die Entnazifizierung, wobei er diesen Bereich in drei Phasen untergliederte.
Die Phase 1 (April 1945 bis Jänner 1946) war vor allem durch die Aktivitäten der Alliierten gekennzeichnet, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Ergänzend zu diesen Maßnahmen kamen die von der provisorische Bundesregierung erlassenen Gesetze (Verbotsgesetz, Kriegsverbrechergesetz).
In der Phase 2 (Februar 1946 bis Anfang 1948) konnte auf Basis der am 11. Februar 1946 übertragenen Befugnis der Alliierten an die Bundesregierung österreichweit mit den Gesetzen gegen ehemalige NSDAP-Mitglieder vorgegangen werden. Mit Hilfe des NS-Gesetzes (Februar 1947) versuchte die Bundesregierung, das Kapitel der Entnazifizierung in Österreich zu schließen.
Die Phase 3 (1948 bis 1957) war von Amnestiewellen geprägt. Aufgrund der Tatsache, dass in Deutschland bereits 1947 begonnen wurde, Amnestie zu gewähren, verlangte man das in Österreich umso mehr, da Österreich „befreit“ und nicht „besiegt“ worden sei. Demnach folgte man der Argumentation, dass eine Maßnahme, die im kriegsauslösenden Land gewährt wird, in einem kriegsbetroffenen Land ohnehin angewendet werden müsse.
Im Mittelpunkt der Arbeit von Thomas Meßner, Mitglied im Fachzirkel „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“ und im SEM (Salzburger Exekutivhistorischer Museumsverein), standen die Laufbahnen von drei Salzburger Polizisten.

Studienautor Thomas Meßner, Exekutivhistoriker Joachim Steinlechner
Studienautor Thomas Meßner,
Exekutivhistoriker Joachim Steinlechner
© LPD Salzburg

August L. wurde 1920 als provisorischer Wachmann für den Stadtmagistrat Salzburg (Sicherheitswache) aufgenommen. Im Jänner 1935 erfolgte seine Ernennung zum „Polizeistabsrittmeister“ und die Betrauung mit der Leitung der Schulabteilung. Im Rahmen der Übernahme des Polizeiwesens durch das NS-Regime wurde L. im März 1938 bis auf Weiteres vom Dienst enthoben. Im Jänner 1939 wurde er gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums zur Schutzpolizei nach München versetzt. Im November 1941 erfolgte seine Versetzung als Führer der Schutzpolizei nach Kirowograd (Ukraine), ehe er im Mai 1943 zum Hilfsoffizier des Kommandos der Ordnungspolizei in der Ukraine nach Nikolajew versetzt wurde. Im März 1944 wurde L. zum ersten Polizei-Wachbataillon in Kopenhagen (Dänemark) abgeordnet, bevor er nur drei Wochen später „mangels unzureichender Vorbildung“ zurück zur Schutzpolizei nach München versetzt wurde.
Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches wurde L. am 30. April 1945 festgenommen und befand sich bis Anfang August 1945 in Kriegsgefangenschaft in Fürstenfeldbruck. Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft stellte er einen Antrag auf Wiedereinstellung bei der Schutzpolizei in München. Dieser Antrag wurde zwar seitens der Militärregierung genehmigt, der Münchner Polizeipräsident teilte L. aber mit, dass er aufgrund seines Dienstgrades und der zur Verfügung stehenden Offiziersstellen, sowie der Tatsache, dass er Österreicher sei, keine Beschäftigung in München zu erwarten habe. L. kehrte nach Österreich zurück, wo er im Oktober 1945 zur Dienstleistung dem Zentralinspektorat zugewiesen wurde. Der von ihm gestellte Antrag auf Rehabilitierung gemäß § 4 des Beamtenüberleitungsgesetzes (BÜG) wurde vom BMI im Juli 1946 abgelehnt, da er nach Ansicht der Zentralstelle nie aus dem Dienst ausgeschieden worden sei und deshalb nicht rehabilitiert werden konnte. L. wurde – unter Einrechnung aller Dienstzeiten und Benachteiligungen während der Zeit des NS-Regimes – im November 1946 zum „Polizeimajor“ ernannt. Im Dezember 1951 erfolgte seine Beförderung zum „Oberstleutnant“, ehe er im Oktober 1954 die provisorische und ab Dezember 1955 die definitive Leitung des Salzburger Zentralinspektorats übernahm. Er wurde altersbedingt mit Ende Dezember 1959 in den Ruhestand versetzt.

Alois S. wurde ebenfalls 1920 als provisorischer Sicherheitswachmann bei der Sicherheitswache in Salzburg aufgenommen. Nach Ablegung der erforderlichen Prüfungen wurde er im Jänner 1929 zum „Revierinspektor“ befördert. S. wurde mit 1. Mai 1938 Mitglied der NSDAP und mit 1. Mai 1939 Blockleiter der NSDAP. Mit 1. Oktober 1938 wurde er zum Polizeimeister befördert, am 20. April 1940 erfolgte seine Beförderung zum Leutnant der Schutzpolizei, ehe er am 9. November 1943 zum Revier-Oberleutnant befördert wurde. S. wurde mit Wirksamkeit vom 27. April 1945 aus dem Dienst ausgeschieden und gemäß § 8 Abs. 2 BÜG vorerst nicht wieder aufgenommen. In weiterer Folge wurde er im Rahmen des Entnazifizierungsprozesses als „Minderbelasteter“ eingestuft, woraufhin er gegen die Entlassung Berufung einlegte. Seiner Anfechtung wurde stattgegeben und die Entlassung mit Wirksamkeit vom 20. April 1947 aufgehoben. Mit Ende Juli 1948 wurde S. jedoch in den Ruhestand versetzt. Dagegen brachte er eine Beschwerde ein und berief sich auf die Anwendbarkeit des Amnestiegesetzes und der erhaltenen Einstufung als „Minderbelasteter“. Die Dienstbehörde und die provisorische Personalvertretung entschieden im Oktober 1948, dass dem Antrag auf Reaktivierung nicht stattgegeben werde, da die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BÜG nicht vorlägen. S. wurde aber in Aussicht gestellt, dass ihm die während der NS-Zeit geleisteten Dienste im Rahmen der Feststellung des Ruhestandsanspruches angerechnet würden. Einem neuerlichen Einspruch wurde nicht stattgegeben.

Otto Z. wurde 1925 als Beamtenanwärter bei der Sicherheitswache Salzburg aufgenommen. Er wurde im Juli 1933 zum Polizei-Oberwachmann befördert und war von 1933 bis 1938 Mitglied der Vaterländischen Front. Z. wurde nach dem Umbruch im Jahr 1938 weder vom Dienst enthoben noch zu einer anderen Dienststelle versetzt. Außer der Mitgliedschaft zum Reichsbund der deutschen Beamten (RDB) und der NS-Volkswohlfahrt (NSV) war Z. weder Mitglied noch Anwärter der NSDAP oder anderer NS- Organisationen. Nach dem Niedergang des NS-Regimes verblieb Z. in der Polizeidirektion Salzburg und versah weiterhin Dienst. Es erfolgte keine Entlassung aufgrund der Bestimmungen des NS-Gesetzes und auch keine vorübergehende Dienstenthebung. Nach Kriegsende wurde Z. auf mehrere Wachzimmer innerhalb der Stadt Salzburg versetzt, ehe er mit Ende Oktober 1951 in den Ruhestand versetzt wurde.

J. S.

Fachzirkel

Exekutivgeschichte

Der Fachzirkel „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“ im Innenressort setzte seinen publizistischen Schwerpunkt im Zeitraum 2022/2023 unter dem Haupttitel „Die ‚lange NS-Zeit‘ in Österreich 1930-1955. Opfer/Täter/Mitläufer?“ auf exekutiv-historische Fragestellungen im Zusammenhang mit der NS-Thematik. Nach Oberstleutnant Gernot Sattler von der LPD Steiermark hat nun auch Thomas Meßner zu diesem Thema publiziert.
Die Bachelor-Arbeit an der FH Wiener Neustadt wurde von Ministerialrat Mag. Dr. Joachim Steinlechner von der Abteilung III-S-3 (Historische Angelegenheiten) im BMI betreut. „Thomas Meßner hat sich mit einer wichtigen exekutivhistorischen Thematik auseinandergesetzt. Die Schilderungen der unterschiedlichen persönlichen Werdegänge der Polizeibeamten werden durch viele Daten und Statistiken, etwa im Bereich der Entlassungen oder Ruhestandversetzungen abgerundet“, erläuterte Steinlechner, der den Fachzirkel „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“ leitet.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2023

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