Kriminaldienstreform 2.0

Fokus auf OK und Cybercrime

Am 1. September 2023 wurde eine umfassende Reform des Kriminaldienstes vorgestellt. Die Schwerpunkte liegen in der Schaffung regionaler Kriminalassistenzdienststellen als Unterstützung für die Polizeiinspektionen, der Umstrukturierung der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes.

Vor rund 20 Jahren fand die letzte Reform des Kriminaldienstes statt. Im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich aber die Rahmenbedingungen durch Digitalisierung, Globalisierung und Migration samt demografischen Wandel stark verändert. Auf diese neuen Herausforderungen in der Kriminalitätsbekämpfung wurde mit dem Auftrag, eine umfassende Modernisierung sowie Weiterentwicklung der Organisation im Zuge der Kriminaldienstreform 2.0 auszuarbeiten, reagiert.
Die Schwerpunkte liegen in der Schaffung regionaler Kriminalassistenzdienststellen als Unterstützung für die Polizeiinspektionen, der Umstrukturierung der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes. Der Fokus wurde auf Cybercrime und organisierte Kriminalität (OK) gelegt, begleitet von Konzepten betreffend die Aus- und Fortbildung, rechtlicher Maßnahmen sowie der technischen Unterstützung. Das Reformergebnis wurde Anfang September von Innenminister Mag. Gerhard Karner vorgestellt und damit die Umsetzungsphase eingeleitet.

Globale Veränderung der Kriminalität.

Bei Cybercrime wird künftig zwischen der digitalen Datensicherung und Cybercrime-Ermittlungen unterschieden
Bei Cybercrime wird künftig zwischen der digitalen Daten-
sicherung und Cybercrime-Ermittlungen unterschieden
© Gerd Pachauer

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Dr. Franz Ruf, MA, hat die Projektumsetzung in seine Verantwortung übernommen, denn: „die Digitalisierung transformiert alle Lebensbereiche. Damit auch die Arbeit der Polizei.“ Die rasch fortschreitende Entwicklung auf dem Sektor der Technologie bringt neue Deliktsformen aus dem analogen Bereich in den digitalen Raum.
„Auch Verbrecher gehen mit der Zeit. Bereits bei jeder fünften Straftat nützen Täter entweder einen Computer oder ein Smartphone. Bei Betrugsfällen liegt der Anteil der im Internet begangenen Taten sogar bei 50 Prozent“, erklärt der Direktor des Bundeskriminalamtes Mag. Andreas Holzer, MA. Internetkriminalität wächst unaufhaltsam und fordert fachspezifische Kenntnisse der Polizistinnen und Polizisten auf allen Ebenen. Um mit diesen Veränderungen Schritt zu halten, steht besonders der Bereich der Ausbildung von Cybercrime-Spezialistinnen und -Spezialisten im Fokus. „Die Aus- und Fortbildung der Polizistinnen und Polizisten vor Ort sowie der Ermittlerinnen und Ermittler in den LKAs und im BK ist eine der wichtigsten Säulen der Kriminaldienstreform. Der Umgang mit Cybercrime-Delikten muss in den Polizeiinspektionen Alltag werden und der dementsprechende Support durch regionale Assistenz und den Spezialistinnen und Spezialisten in Landes- und Bundeskriminalamt gewährleistet werden“, unterstreicht Holzer.

Kriminaldienst auf Ebene der Polizeiinspektionen.

Polizeiinspektionen sollen durch regionale Kriminalassistenzdienststellen entlastet und unterstützt werden
Polizeiinspektionen sollen durch regionale Kriminalassistenz-
dienststellen entlastet und unterstützt werden © Gerd
Pachauer

Im Zuge der Kriminaldienstreform wird es auf Ebene der Polizeiinspektionen (PI) zu wichtigen Veränderungen kommen: Ab einer Größe von 19 Bediensteten wird die Gründung einer Kriminaldienstgruppe verbindlich. 20 Prozent des Personals sollen dann ausschließlich mit kriminalpolizeilichen Aufgaben betraut werden. Somit werden österreichweit 148 Kriminaldienstgruppen eingerichtet. Bereits bestehende Kriminaldienstgruppen werden an das neue Konzept angepasst und der Personalstand entsprechend adaptiert. In jeder Gruppe soll es zudem mindestens einen Bediensteten geben, der im Cybercrime-Training-Center (CCTC) die Ausbildung zum Cybercrime-Ermittler (CCE) absolviert hat, um die Ermittlungsarbeit auf PI-Ebene zu professionalisieren.

Kriminalassistenzdienststellen in den Regionen.

Polizeiinspektionen sollen entlastet und unterstützt werden, weshalb regionale Kriminalassistenzdienststellen eingerichtet werden. Durch die Koordinierung von Bediensteten mehrerer Bezirke kann in der Tatortarbeit eine 24/7-Versorgung sichergestellt werden. Die Festlegung der Regionen erfolgte durch die Landespolizeidirektionen nach Parametern, die durch das Projektteam erarbeitet wurden. In jeder dieser 38 definierten Regionen wird es in Zukunft eine Kriminalassistenzdienststelle geben.
Die Kriminalprävention sowie das Zusammenwirken mit der Bevölkerung durch die Initiative GEMEINSAM.SICHER sind weitere Eckpfeiler der Kriminaldienstreform. Bei der Aufarbeitung der Verbrechen kommt den neuen Assistenzdienststellen eine Schlüsselrolle bei der Assistenz und Koordinierung der Tatortarbeit zu.
„Ziel der Spezialisierung der Aufgabengebiete ist es, die Kolleginnen und Kollegen in den Polizeiinspektionen zu entlasten, zu unterstützen und die Ermittlungsarbeit weiter zu professionalisieren. Ebenso soll die Bevölkerung noch stärker in die Präventionsarbeit eingebunden werden“, betont Holzer.
Bei Cybercrime wird künftig zwischen der digitalen Datensicherung und Cybercrime-Ermittlungen unterschieden. So werden hauptamtliche IT-Forensikerinnen und -Forensiker in den Regionen für die Sicherstellung und Auswertung von digitalen Spuren zuständig sein, während die Cybercrime-Ermittlerinnen und -Ermittler auf PI-Ebene, die vormals unter dem Titel Bezirks-IT-Ermittler agierten, Internetermittlungen führen und von Expertinnen und Experten der Landeskriminalämter aus dem Kriminalbereich Cybercrime-Ermittlungen unterstützt werden.

Umstrukturierung der Landeskriminalämter.

Auch die Landeskriminalämter werden neu strukturiert: Im Fokus steht auch hier die Einrichtung eines Referats für Cybercrime mit den drei Fachbereichen IT-Forensik, Cybercrime-Ermittlungen und Cybercrime-Training-Center. Der Bereich Cybercrime-Ermittlungen zielt vor allem darauf ab, die Exekutivbediensteten in den PIs zu unterstützen. Neben einer strukturierten Datenerfassung von Cybercrime-Delikten, werden auch Massendelikte zusammengeführt und komplexere Ermittlungen sollen eigenständig geführt werden. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Ermittlungsbereiche OK und Sexualdelikte – vor allem im Bereich Online-Kindesmissbrauch – gelegt und somit die Gesamtstruktur der Landeskriminalämter angepasst. Künftig werden die Ermittlungs- und Assistenzbereiche in Referate mit Kriminalbereichen und Sachgebieten gegliedert, die den aktuellen und zukünftigen Anforderungen entsprechen.

Änderungen im Bundeskriminalamt.

Im Bundeskriminalamt kommt es infolge der Reform zu zahlreichen Neuerungen: Das Cybercrime-Competence-Center (C4) wird neben einer personellen auch eine organisatorische Aufwertung erhalten und wird zu einer eigenen Abteilung innerhalb des Bundeskriminalamtes.
Darüber hinaus wird es eine eigene Abteilung für Schlepperei, Menschenhandel und Sonderermittlungen geben. Eine Analysestelle für Tötungsdelikte mit Bezug zu Gewalt in der Privatsphäre wird ebenfalls eingerichtet.
Hinsichtlich der kriminalpolizeilichen Aus- und Fortbildung wird das Bundeskriminalamt der zentrale kriminalpolizeiliche Bildungsanbieter, der als Ansprechpartner für die Sicherheitsakademie und die Landeskriminalämter dient und Bildungskonzepte wie auch -maßnahmen erstellen wird.
Neben der Adaptierung des Cybercrime-Bereichs in der polizeilichen Grundausbildung, wird die Fachausbildung zum Kriminaldienst ausgebaut sowie digitale Fortbildungsmaßnahmen, wie Webinare, E-Learnings oder Lernvideos forciert.

Neue IKT-Lösung.

Im digitalen Zeitalter ist auch eine geeignete und zeitgemäße IT-Infrastruktur unabdingbar. Damit viele Ermittlungsschritte möglich werden, wurden kriminalpolizeiliche Bedürfnisse in das Projekt „SeILE“ (Schaffung einer IKT-Lösung für kriminalpolizeiliche Ermittlungen) gemeldet. Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer IKT-Lösung für besondere kriminalpolizeiliche Ermittlungen, etwa wie Großstrafverfahren mit großen Datenmengen, um die elektronischen Beweismittel zu sichten, auszuwerten und abzuspeichern. „Durch eigene IKT Lösungen wird die kriminalpolizeiliche Ermittlungs- und Analysearbeit effizienter gestaltet“, sagt Generaldirektor Ruf. Gemeinsame Übergabepunkte für das sichere Einbringen aus unsicheren Bereichen und eine technische Übergabemöglichkeit von elektronischen Beweismitteln an die Staatsanwaltschaften sowie die Dateneinbringung beginnend auf PI-Ebene sind elementare Punkte, die es umzusetzen gilt. Das Projekt läuft von 18. März 2021 bis 30. Juni 2025 und stellt die bisher größte Ausrüstungsinitiative des Bundesministeriums für Inneres dar.

Romana Tofan


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2023

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