Verbrechensopferhilfe

45 Jahre Hilfe für Opfer

Die Geschichte des Weissen Rings ist untrennbar mit der Entstehung von Opferrechten und deren gesetzlicher Verankerung – vor allem in Strafgesetzbuch (StGB) und Verbrechensopfergesetz (VOG) – verbunden. Seit 2018 ist der Weisse Ring als einzige allgemeine Opferunterstützungs-Einrichtung gesetzlich anerkannt.

Heute arbeiten beim Weissen Ring angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit ehrenamtlich Tätigen: Leiter Opferhilfe, Tobias Körtner, Pressesprecherin Brigitta Pongratz, Vizepräsidentin Xenia Zauner, Präsident Udo Jesionek, Vizepräsidentin Lyane Sautner, Geschäftsführerin Natascha Smertnig
Heute arbeiten beim Weissen Ring angestellte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit ehrenamtlich
Tätigen: Leiter Opferhilfe, Tobias Körtner, Pressesprecherin
Brigitta Pongratz, Vizepräsidentin Xenia Zauner, Präsident
Udo Jesionek, Vizepräsidentin Lyane Sautner, Geschäfts-
führerin Natascha Smertnig © Bernhard Elbe

Angefangen hat alles mit dem Beschluss einiger engagierter Menschen aus Politik, Medien und Justiz, Opfer von Straftaten zu unterstützen – unabhängig von deren Alter, Geschlecht, Herkunft oder Religionszugehörigkeit. Gemeinsam gründeten sie am 16. Jänner 1978 den Weissen Ring als gemeinnützigen, nicht auf Gewinn ausgerichteten Verein. Zu den Gründerinnen und Gründern gehörten unter anderem die späteren Vorstandsmitglieder Anwalt Manfred Lampelmayer, die Journalistinnen und Journalisten Othmar Urban, Janne Ranninger, Egon Blaschka und Hans Walther Christ, die Geschäftsfrau Johanna Zwerenz, der spätere Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der Kriminalist Robert Köck und der Jurist Udo Jesionek. Letzterer war nicht nur von 1978 bis 1992 Vizepräsident des Weissen Rings, sondern ist seither – als einziges noch lebendes Gründungsmitglied – Präsident des Weissen Rings. „Es war mir immer ein Anliegen, den bedauernswerten Opfern von Straftaten mit Rat, Tat und Hilfe zur Seite zu stehen. Ich bin sehr froh, dass ich das auch heute noch kann“, blickt Jesionek zurück.

Den Opfern helfen.

Der Weisse Ring steht kompromisslos auf der Seite der Opfer von Straftaten. Denn Verbrechen sind Unrecht und hinterlassen oft tiefe Spuren. Gegen dieses Unrecht und vor allem gegen seine Folgen für die Opfer tritt der Weisse Ring an. Prozessbegleitung, Soforthilfe für Opfer von Kriminalität sowie deren rechtliche und psychosoziale Beratung und Betreuung sind Schwerpunkte der täglichen Arbeit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ganz Österreich leisten. Die Geschichte des Weissen Rings ist untrennbar mit der Entstehung von Opferrechten und deren gesetzlicher Verankerung – vor allem in Strafgesetzbuch (StGB) und Verbrechensopfergesetz (VOG) – verbunden. Seit 2018 ist der Weisse Ring als einzige allgemeine Opferunterstützungs-Einrichtung Österreichs gesetzlich anerkannt (§ 14c VOG). Er ist mit angestellten Bediensteten und Büros in ganz Österreich präsent. „Ich erlebe ständig, dass wir Menschen aktiv helfen und sie wesentlich unterstützen können. Ohne den Weissen Ring hätten Menschen, die Opfer von Straftaten geworden sind, keine Anlaufstelle und keine Unterstützung um ihre Rechte durchzusetzen. Wir wollen weiterhin das Beste für Verbrechensopfer erreichen“, schildert Vizepräsidentin Xenia Zauner, von Beruf Leiterin der Einsatzabteilung der Wiener Polizei.

Der Weisse Ring hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, zu aktuellen Themen zu forschen und zu publizieren. Zur Zeit ist eine Publikation zum Wiener Terroranschlag vom 2. November 2020 in Vorbereitung, herausgegeben von Vizepräsidentin Lyane Sautner, Professorin an der JKU Linz, und Präsident Udo Jesionek. Der Verein hat in den vergangenen 45 Jahren zahlreiche Aufgaben übernommen, die von staatlichen Stellen gefördert werden und sich so zu einer NGO entwickelt. Derartige Tätigkeiten sind vor allem die Prozessbegleitung, die Beratung nach dem VOG und die Betreuung des Opfer-Notrufs des Bundesministeriums für Justiz. Nach wie vor sind aber auch Spenden und Mitgliedsbeiträge wichtige Elemente der Finanzierung. Sie machen das rasche Reagieren und Helfen möglich und bilden die Grundlage dafür, dass der Weisse Ring Soforthilfe anbieten oder auch für Leistungen in Vorlage treten kann, wenn die finanzielle Not besonders groß ist. Die unterschiedlichen Standbeine der Finanzierung sind auch wesentlicher Garant für die Unabhängigkeit des Vereins.
Geschäftsführerin Natascha Smertnig: „In der Beratung ist heute viel juristisches Wissen gefragt und die psychologisch so wichtige Unterstützung erfolgt mittlerweile nahezu ausschließlich durch angestellte Expertinnen und Experten. Eines ist aber in all den Jahren gleich geblieben: Die Bedürfnisse und Interessen der Opfer von Straftaten stehen im Mittelpunkt der Arbeit des Weissen Rings.“

Der Blick zurück.

Weisser-Ring-Präsident Robert Köck (re.) mit seinem späteren Nachfolger Udo Jesionek
Weisser-Ring-Präsident Robert Köck (re.) mit seinem
späteren Nachfolger Udo Jesionek © Weisser Ring

Wir haben einige langjährige Wegbegleiterinnen und -begleiter um ihren persönlichen Blick auf den Weissen Ring und seine Entwicklung und Bedeutung gebeten.
Vorstandsmitglied Wolfgang Sicka, der beruflich im Sozialministeriumservice (SMS) tätig ist, erinnert sich daran, wie Anfang der 1990er-Jahre die Zusammenarbeit zwischen dem Weissen Ring und dem SMS intensiviert wurde. Als junger Abteilungsleiter, dem die Vollziehung des Verbrechensopfergesetzes (VOG) übertragen wurde, war er täglich mit dem Leid und den Schicksalen der Opfer konfrontiert. Das VOG bot damals lediglich Hilfe für Schwerverletzte und Hinterbliebene an und war im Leistungsangebot noch sehr beschränkt. „Dass der Weisse Ring in vielen Fällen dort rasch und unbürokratisch helfen konnte, wo ein dringender Finanzierungsbedarf gegeben ist oder wo das VOG eben aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen keine Hilfe mehr anbieten konnte, hat mich so überzeugt, dass ich seit nunmehr 30 Jahren Mitglied des Vereins bin. Auch wenn das Leistungsangebot des VOG heute wesentlich umfassender ist als damals, ist die laufende Zusammenarbeit zwischen der staatlichen Opferhilfe und dem Weissen Ring nach wie vor wichtig, um die bestmögliche Unterstützung für Opfer von Verbrechen sicher zu stellen.“
Heinz Gehl nimmt seit mehr als 20 Jahren die Funktion des Kassiers wahr. Er hatte schon in seiner aktiven Zeit in der Zentralsparkasse mit dem 1978 neu gegründeten Weissen Ring zu tun und unterstützte den Verein und seine Ziele. Als dann vor mittlerweile 22 Jahren die Bitte an ihn herangetragen wurde, als Kassier aktiv im Vorstand mitzuarbeiten, habe er diese Funktion sehr gerne übernommen. Auch heute ist er nach wie vor fest davon überzeugt, dass es wichtig ist rasch, unbürokratisch und ohne Vorurteile dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird.
Rechtsanwalt Bernd Peck nimmt – ebenfalls ehrenamtlich – in Kärnten die Aufgaben des Landesleiters wahr und ist außerdem als juristischer Prozessbegleiter tätig. Für seine Entscheidung beim Weissen Ring aktiv zu werden war ausschlaggebend, in seinem Bereich als Rechtsanwalt etwas Sinnvolles und Gemeinnütziges für die Gesellschaft machen zu können. „Ohne Weissen Ring blieben die Opfer auf der Strecke“, beschreibt Rechtsanwalt Stefan Rieder, Landesleiter Salzburg und ebenfalls als juristischer Prozessbegleiter tätig, den Kern des Weissen Rings. Richter Oliver Scheiber bestätigt dem Weissen Ring, er habe ... maßgeblich dazu beigetragen, dass Österreich so frühzeitig einen hohen gesetzlichen Standard bei Opferschutzbestimmungen erreicht hat und ergänzt: „Für die Zukunft sehe ich vor allem die Aufgabe, alle Bestimmungen im Alltag von Polizei und Gerichten mit Leben zu erfüllen: Also sicherzustellen, dass wirklich alle Opfer rasch die nötigen Informationen erhalten, dass es gesonderte Wartezonen gibt, dass Einvernahmen von Opfern mit der nötigen Sensibilität und Schonung vorgenommen werden. Dazu sind viele Schulungsmaßnahmen bei Polizei und Justiz notwendig, zu denen der Weisse Ring beitragen kann. Die Aufnahme von Richteramtsanwärterinnen und -anwärter zu Praktika beim Weissen Ring war ein wichtiger Schritt zur Sensibilität der Richter/-innenschaft.“
Martin Prinz, seit einiger Zeit Schriftführer des Vereins, kam vor fast zehn Jahren zum ersten Mal mit dem Weissen Ring in Kontakt als er gegen Ende des richterlichen Vorbereitungsdienstes für 14 Tage dem Weissen Ring dienstzugeteilt wurde. „Während der kurzen Zeit habe ich sehr viele Aspekte meiner eigenen, richterlichen Tätigkeit aus einer Perspektive kennen gelernt, die einem sonst in der Regel verborgen bleibt, wie beispielsweise die emotionale Belastung von Opfern, die Vorbereitung von juristischen Laien auf große Gerichtsprozesse, die Nachbetreuung“, erinnert er sich an diese an Einblicken reiche Zeit. Positiv in Erinnerung geblieben ist ihm auch der respektvolle Umgang mit den Klientinnen und Klienten.

Unterstützung.

Franz Grünbart, ehemaliger Landesleiter Oberösterreich, Eduard Zimmermann (Aktenzeichen XY)
Franz Grünbart, ehemaliger Landesleiter Oberösterreich,
Eduard Zimmermann (Aktenzeichen XY) © Weisser Ring

Wie finden Opfer von Straftaten zum Weissen Ring? Leider allzu oft gar nicht. Das ist traurige Realität. Wenn bei der Anzeige darüber informiert wird, dass es da noch die Möglichkeit der Opferhilfe gäbe, sind Betroffene oft überfordert. Deshalb versucht der Weisse Ring schon seit Jahren, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass auch die Daten von Opfern situativer Gewalt durch die Polizei direkt an die zuständige Opferhilfe-Einrichtung weitergeleitet werden sollten. Es wird eine analoge Bestimmung zur Regelung für Opfer von Gewalt im persönlichen Nahbereich angestrebt, deren Daten nach Aussprechen einer Wegweisung an das zuständige Gewaltschutzzentrum gehen. Bis das Realität wird, haben Polizistinnen und Polizisten die Möglichkeit, Opfer eine Zustimmungserklärung unterschreiben zu lassen und diese weiterzuleiten. In vielen Polizeidienststellen liegen auch Folder des Weissen Rings auf, in denen erklärt wird, warum es sinnvoll ist, sich an eine Opferhilfe-Einrichtung zu wenden.

Kontakt.

Der Weisse Ring bietet ein umfangreiches Angebot an Möglichkeiten, sich zu informieren. Am zuverlässigsten gelingt das, indem man den monatlich erscheinenden Newsletter abonniert. Das geht ganz einfach über die Website www.weisser-ring.at . Außerdem ist der Weisse Ring auch auf Instagram und Facebook aktiv.

Brigitta Pongratz


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2023

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