Misshandlungsvorwürfe

Ermittlungs- und Beschwerdestelle

Mit der Novelle des BAK-Gesetzes wird im Innenministerium eine eigene, österreichweite Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibedienstete geschaffen.

Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibedienstete befindet sich am Sitz des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Meidlinger Kaserne in Wien
Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibedienstete befindet sich am Sitz des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Meidlinger Kaserne in Wien © Gerd Pachauer

Im Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 hat sich die Bundesregierung zur Sicherstellung der Aufklärung von Miss­handlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte durch unabhängige Ermittlungen verpflichtet.
Um dies umzusetzen, wurde im März 2020 im Bundesministerium für Inneres (BMI) unter wissenschaftlicher Begleitung das Projekt zur „Evaluierung des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) unter Berücksichtigung der Einrichtung einer Beschwerdebehörde bei Miss­handlungsvorwürfen“ geschaffen.

Eines der Projektziele war die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Einrichtung einer eigenen multiprofessionell zusammengesetzten Organisationseinheit im BAK, die mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet ist und sowohl von Amts wegen ermittelt als auch als Beschwerdestelle für Betroffene fungiert.
Im November 2020 wurde der Abschlussbericht erstellt, auf dessen Ergebnissen die Novelle des Gesetzes über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK-G) fußt, mit der die neue Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (EBM) im BAK eingerichtet wird.
Der Ministerialentwurf zur Änderung des BAK-G wurde im Frühjahr 2023 für sechs Wochen einer Begutachtung unterzogen. Im Sommer 2023 passierte die Regierungsvorlage zur Änderung des BAK-G das Parlament und wurde am 21. Juli 2023 mit BGBl. I Nr. 107/2023 kundgemacht.

Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle im BAK (EBM) wird als eigene Organisationseinheit im BAK eingerichtet. Die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen bei Misshandlungsvorwürfen im BMI ermitteln. Die Entscheidung, die EBM im BAK einzurichten, gründet sich darauf, dass das BAK außerhalb der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit – also außerhalb der „klassischen“ Hierarchie der Sicherheitsexekutive – angesiedelt und damit von dieser unabhängig ist. Außerdem verfügt das BAK über langjährige Erfahrung und Know-how bei sensiblen polizeiinternen Ermittlungen. Darüber hinaus enthielt das BAK-G bereits umfassende Bestimmungen zur Gewährleistung von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und der Vermeidung von externen Einflussnahmen auf die Ermittlungen. Die Einrichtung der EBM im BAK stellt sicher, dass Misshandlungsvorwürfe von einer mit polizeilichen Befugnissen ausgestatteten, aber außerhalb der „Polizei“ eingerichteten Stelle österreichweit aufgeklärt werden, ohne Parallelstrukturen zu schaffen.

Organisation und Multiprofessionalität.

Die EBM wird künftig von einer Stellvertreterin bzw. einem Stellvertreter des BAK-Direktors geleitet und sich durch multiprofessionelle Zusammensetzung auszeichnen. So sollen neben Exekutivbediensteten und Juristen fachkundige Bedienstete eingesetzt werden, etwa aus dem Bereich der Psychologie. Um Know-how im Bereich von Misshandlungsvorwürfen sicherzustellen, haben die Bediensteten der EBM eine spezielle Ausbildung insbesondere im Bereich der Grund- und Menschenrechte zu absolvieren, die von der Sicherheitsakademie vorgenommen wird.

Zuständigkeit der EBM.

Jeder behauptete oder aufgrund von äußeren Umständen mögliche Fall einer Misshandlung im Ressortbereich des BMI wird künftig von Mitarbeitern der EBM untersucht. Erfasst sind alle vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen Leib und Leben bei einer dienstlichen Tätigkeit ohne Zusammenhang mit der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt (etwa vorsätzliche Herbeiführung einer Prellung ohne Zusammenhang mit einer Befugnisausübung), alle fahrlässigen oder vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen Leib und Leben bei unverhältnismäßiger Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt (z. B. fahrlässige schwere Körperverletzung im Rahmen einer Festnahme) sowie alle unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen (zum Beispiel grobe Beleidigungen oder ungerechtfertigte und erniedrigende Leibesvisitationen). Nicht in die Zuständigkeit der EBM werden Vorwürfe innerdienstlichen Fehlverhaltens fallen – wenn eine Misshandlung an einem Bediensteten des BMI vorgeworfen wird und kein Verdacht einer Straftat vorliegt.
Die EBM ist außerdem bundesweit für kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt mit Todesfolge und lebensgefährdendem Waffengebrauch zuständig.

Unabhängiger Beirat.

Um die Tätigkeit der EBM so unabhängig wie möglich zu gestalten, sieht die Novelle die Einrichtung eines eigenen unabhängigen Beirats beim BMI vor, bestehend aus einschlägigen Expertinnen und Experten, insbesondere im Bereich der Grund- und Menschenrechte. Diesem obliegt in erster Linie die begleitende strukturelle und transparente Kontrolle der Tätigkeit der EBM. Außerdem sind Weisungen an das BAK im Zusammenhang mit der Tätigkeit der EBM nicht nur schriftlich und begründet zu erteilen, sondern auch dem Beirat zu übermitteln. Dieser soll auch als Anlaufstelle für Meldungen von Misshandlungsvorwürfen dienen. Er kann aus eigenem sowie über Ersuchen des BMI oder des BAK-Direktors tätig werden und Empfehlungen erteilen. Über seine Aufgabenwahrnehmung und Empfehlungen hat der Beirat dem BMI jährlich Bericht zu erstatten.

Stärkung der Unabhängigkeit.

Im Sinne internationaler Standards sowie der Vorgaben des Regierungsprogramms enthält die Novelle zahlreiche weitere Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Ermittlungstätigkeit der EBM und des BAK. Dies umfasst neben speziellen Ausbildungserfordernissen der Bediens­teten der EBM insbesondere die Verlängerung der Funktionsperioden des Direktors und seiner Stellvertreter auf zehn Jahre sowie die Einschränkung der Möglichkeit von Nebenbeschäftigungen.
Um die Einrichtung der EBM und des unabhängigen Beirats sowie die umfassende Ausbildung der multiprofessionell zusammengesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen, ist eine Legisvakanz von 6 Monaten nach Kundmachung im Bundesgesetzblatt vorgesehen. Die Änderungen des BAK-G treten daher mit 22. Jänner 2024 in Kraft.

Marina Entacher-Prunner


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2023

Druckversion des Artikels (PDF 377 kB)