NS-Forschungsprojekt

Die Polizei im „Dritten Reich“

Das Innenministerium arbeitete die Geschichte der Polizei während der NS-Zeit in einem Forschungsprojekt auf. Die Ergebnisse wurden im November 2023 präsentiert.

Gerhard Baumgartner, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes, sprach über die Verfolgung von Roma und Sinti
Gerhard Baumgartner, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes, sprach über die Verfolgung von Roma und Sinti © Tobias Bosina

Das Innenministerium stellt sich als erstes Ministerium seiner Vergangenheit im Nationalsozialismus. In einem Forschungsprojekt wurde die Geschichte der Polizei in Österreich von 1938 bis 1945 untersucht, wofür erstmals die Archive des Innenministeriums und aller Landespolizeidirektionen geöffnet wurden. Gemeinsam mit der Wissenschaft wurden neue Erkenntnisse gewonnen und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Historikerinnen und Historiker kamen am 7. November 2023 im Bundesministerium für Inneres (BMI) zusammen, um die Ergebnisse des zweijährigen Projekts „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938-1945“ zu präsentieren und zu diskutieren. Ein bedeutendes Datum im Vorfeld des 85. Jahrestags der Novemberpogrome.
Auch österreichische Polizisten beteiligten sich an der Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung. Andere Polizisten retteten Opfer vor Verfolgung. Ziel der wissenschaftlichen Aufarbeitung war, sich mit diesem differenzierten Bild der Polizei während dieser Zeit auseinanderzusetzen und den Übergang in die Zweite Republik zu umreißen. „Wer sich nicht mit der Vergangenheit einer Organisation auseinandersetzt, kann sie nicht für die Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft fit machen“, sagte Innenminister Gerhard Karner am 8. November 2023 zum Abschluss des Projekts. „Ich darf dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands mit Andreas Kranebitter, dem Ludwig-Boltzmann-Institut mit Barbara Stelzl-Marx und dem Mauthausen Memorial mit Barbara Glück meinen ausdrücklichen Dank für ihre Arbeit aussprechen. Ebenso gilt mein Dank Gerald Hesztera, der im Innenministerium für die Koordinierung des Projekts verantwortlich war.“

Die Polizei war ein wesentlicher Bestandteil des NS-Regimes
Die Polizei war ein wesentlicher Bestandteil des NS-Regimes
© LPD Wien/Archiv

Die Veranstaltung wurde von den Projektleitern eingeleitet, die den historischen Kontext und die Bedeutung des Forschungsprojekts hervorhoben. „Wir müssen aus dem Projekt Lehren ziehen, denn eine Demokratie kann nur dann bestehen, wenn sie wehrhaft ist und man weiß, welche Gefahren sie in sich birgt. Daher werden die gewonnenen Erkenntnisse auch den Polizistinnen und Polizisten bereits in der Ausbildung nähergebracht“, sagte Gerald Hesztera, Projektleiter im BMI.

Panels.

Die Veranstaltung war in vier Panels unterteilt, die von Forschenden auf dem Gebiet der Geschichte und Forschung moderiert wurden. Jedes Panel konzentrierte sich auf unterschiedliche Aspekte der Rolle der Polizei während dieser Periode – in der Zeit von 1933 bis 1938, von 1938 bis 1945 und danach. Die Diskussionsrunden, u. a. mit Kurt Bauer, Claudia Kuretsidis-Haider, Gerhard Baumgartner, Simone Loistl und Mario Muigg, ermöglichten einen tiefen Einblick in die komplexen Herausforderungen, denen die österreichische Polizei während des Zweiten Weltkriegs gegenüberstand. Historikerinnen und Historiker präsentierten ihre Erkenntnisse, analysierten Brüche und Kontinuitäten, und boten facettenreiche Perspektiven auf diese Zeit.

Gerald Hesztera: „Wir müssen aus dem Projekt Lehren ziehen.“
Gerald Hesztera: „Wir müssen aus dem Projekt Lehren
ziehen.“ © Tobias Bosina

Die Abschlusskonferenz wurde mit einem kurzen Resümee abgerundet, da die Schlüsselergebnisse des Forschungsprojekts bereits zu Beginn des Tages präsentiert sowie während der Panels im Detail beleuchtet wurden.
Die abschließenden Worte unterstrichen die Relevanz der gemeinschaftlich durchgeführten Untersuchungen für das Verständnis der österreichischen Geschichte und betonten die Bedeutung, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.
Das Projekt, das Ende Dezember 2023 abgeschlossen wurde, hinterlässt nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Geschichtsforschung, sondern regt auch zu weiteren Diskussionen über die Auswirkungen vergangener Ereignisse auf die Gegenwart an.

Ausblick.

Zu den Initiativen, die im Frühjahr 2024 gestartet werden, gehört eine geplante Wanderausstellung, in der die Ergebnisse des Forschungsprojekts bundesweit präsentieren werden sollen, um ein breiteres Publikum zu erreichen und das Bewusstsein für die historische Entwicklung der österreichischen Polizei zu schärfen. Zusätzlich ist die Veröffentlichung eines Sammelbands in Vorbereitung, in dem die Projektergebnisse detailliert dokumentiert und für Interessierte zugänglich gemacht werden.
Überdies fließen Forschungsarbeit und Ergebnisse sowohl in die Aus- und Weiterbildung der Polizei ein. Diese Initiativen unterstreichen das Bestreben, das gewonnene Wissen über die Geschichte der Polizei in Österreich weitreichend zu teilen und die Erkenntnisse für zukünftige Generationen zu bewahren.
Die Abschlusskonferenz ist unter folgendem Link abrufbar: https://youtube.com/live/5-vmRCBvQPU?feature=share 

Nicole Felicitas Antal


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2024

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