Kriminalgeschichte

Zwei „Ripper“ in Tirol

Die Lustmörder Wolfgang Fischbacher und Josef Mair schlitzten im 19. Jahrhundert ihren Opfern den Unterleib auf. Fischbacher war der letzte Mörder, der in Innsbruck öffentlich hingerichtet wurde.

Die 14-jährige Elisabeth Berger vom Bauernhof vulgo Wallner in der Gemeinde Niederndorferberg bei Kufstein, wurde am 31. Mai 1860 von ihrer Mutter nach Niederndorf geschickt, um für das Fronleichnamsfest einzukaufen. Als das Mädchen zu Mittag nicht nach Hause gekommen war, schickten ihre Eltern die zehnjährige Tochter Therese nach Niederndorf und Ebbs, um Elisabeth zu suchen. Auf dem Rückweg entdeckte Therese neben dem Weg die blutige Leiche ihrer Schwester.
Die Gerichtskommission stellte eine tiefe Stichwunde im Hals fest. Der Unterleib war von unten nach oben aufgeschnitten. Der Täter hatte sich an der blutigen Leiche vergangen. Das Einkaufsgeld befand sich bei der Leiche, deshalb gingen die Ermittler von einem Lustmord aus. Die Fahndung richtete sich gegen einen Bettler, der an diesem Tag in der Nähe des Auffindungsorts der Leiche gesehen worden war. Die Fahndung nach ihm blieb vorerst erfolglos. Ins Visier der Ermittler kam auch der Wundarzt von Niederndorf, Albin Lorenz. Die Schnitte in den Hals, mit denen das Opfer ermordet worden war, waren „fachmännisch“ gesetzt worden. Der Wundarzt schied aber bald aus dem Kreis der Verdächtigen aus.
Wundärzte waren Männer, die nicht Medizin studiert, sondern ihre Tätigkeit als „Handwerk“ erlernt und eine Fachprüfung abgelegt hatten. Da es im 18. Jahrhundert in Österreich zu wenige graduierte Ärzte vor allem für die Landbevölkerung gab, ließ Herrscherin Maria Theresia in Ländern ohne Universitäten medizinisch-chirurgische Anstalten einrichten, in denen Wundärzte ausgebildet wurden. 1873 wurden diese Anstalten geschlossen und Arzt konnte danach nur mehr werden, wer das Medizin-Studium an einer Universität absolviert hatte.

Neuerlicher Mädchenmord.

Titelseite des Flugblatts anlässlich der Hinrichtung des Lustmörders Wolfgang Fischbacher am 14. Dezember 1861 am Innrain in Innsbruck.
Titelseite des Flugblatts anlässlich der
Hinrichtung des Lustmörders Wolfgang
Fischbacher am 14. Dezember 1861 am
Innrain in Innsbruck. © Sammlung Peter
Hellensteiner

Am 26. März 1861 in der Früh verließ die achtjährige Anna Foidl ihr Elternhaus vulgo Lindabrand in Oberndorf bei Kitzbühel. Sie wollte auf dem Weg zur Schule entlang eines Waldes beim Haus ihrer Großmutter vorbeischauen, um Brot und Butter abzuliefern. Weil Anna weder bei der Großmutter noch in der Schule erschienen war, suchte der Vater nach ihr. Nach längerer Suche entdeckte er Blutspuren im Schnee und fand auf dem Röhrer Bichl im Wald die grässlich zugerichtete Leiche seiner Tochter. Der Körper wies viele Stich- und Schnittwunden auf und der Unterleib war verstümmelt. Der Mörder hatte die Leiche geschändet. In der Bevölkerung herrschte große Angst vor dem unbekannten „Ripper von Tirol“.
Eine Cousine des Opfers erinnerte sich, in der Nähe des Tatortes einen „Waldmenschen“ gesehen zu haben. Aufgrund ihrer Beschreibung richtete sich der Verdacht gegen den als verroht und gewalttätig bekannten Obdachlosen Wolfgang Fischbacher, der sich in der Gegend herumgetrieben hatte. Elf Tage nach dem Mädchenmord, am 6. April 1861, erkannte ein Finanzwachebediensteter in Landl den Gesuchten, nahm ihn fest und brachte ihn in das alte Landesgericht Innsbruck.

Wolfgang Fischbacher, genannt „Gwaltwoferl“, wurde am 2. April 1823 in Kössen bei Kufstein geboren. Er wuchs in geordneten Verhältnissen auf, sein Vater starb aber früh. Als Kind war er verhaltensauffällig, verübte Straftaten und wurde als Elfjähriger zu erwachsenen Häftlingen in den Arrest gesteckt. Er begann eine Müllnerlehre und legte aus Rachsucht im Wald seines Dienstgebers Feuer. Außerdem folterte er ein Kalb mit einer Schusterahle zu Tode. Er vergewaltigte mehrere Mädchen und wurde zu einer Kerkerstrafe verurteilt. Nach der Verbüßung weiterer Haftstrafen trieb er sich herum, schlief in Höhlen, Heustadeln, Futterhütten und verlassenen oder verfallenen Almhütten. Immer wieder vergewaltigte er Bauernkinder.
In der Untersuchungshaft gestand Fischbacher die beiden Mädchenmorde und schilderte den Ermittlern die Taten. Die 14-jährige Elisabeth Berger begegnete ihm zufällig. Er packte sie am Hals, damit sie nicht schreien konnte, drückte sie zu Boden und schlitzte ihr mit einem Taschenmesser den Hals auf. Dann trug er den leblosen Körper von der Straße weg, schnitt mit einem schärferen Messer den Unterleib auf und verging sich an der Leiche. Sein zweites Opfer Anna Foidl kannte er, weil er mehrmals auf dem Bauernhof der Familie gebettelt hatte. Er lauerte ihr am Schulweg auf, packte sie am Hals und versetzte ihr Schnitte und Stiche in den Hals. Dann legte er den leblosen Körper in eine Grube, schlitzte den Unterleib auf und schnitt und riss Fleischstücke und Organe heraus. Fischbacher gestand auch, mindestens 30 kleine Mädchen vergewaltigt zu haben.

Todesurteil und Hinrichtung.

Wolfgang Fischbacher wurde am 22. August 1861 vom Landesgericht in Innsbruck zum Tod durch den Strang verurteilt. Das k. k. Oberlandesgericht für Tirol und Vorarlberg verwarf die Berufung und das Urteil wurde vom k. k. Obersten Gerichtshof in Wien bestätigt. Kaiser Franz Joseph I. lehnte am 28. November 1861 das Begnadigungsgesuch ab. Am 12. Dezember 1861 am Vormittag las man dem Verurteilten das vom Kaiser bestätigte Todesurteil vor. Dann wurde Fischbacher wie damals üblich zwei Tage lang in einem großen Zimmer der Innsbrucker Fronfeste öffentlich ausgestellt; bewacht von drei Kaiserjägern und in Anwesenheit des Kapuzinerpaters Johannes Qualbert. Die vielen Besucher legten Opfergeld auf einen Teller. Fischbacher wurde am 14. Dezember 1861 auf dem Prügelbauplatz am Innrain in Innsbruck am Galgen hingerichtet. Der Scharfrichter und sein Gehilfe waren aus Prag angereist. Die Hinrichtung hatte Volksfestcharakter. 6.000 Menschen kamen, um Fischbacher beim Sterben zusehen zu können. „Der Menschenzudrang zu diesem erschütternden Akte der Gerechtigkeit war wieder ein ungeheurer, was eigentümliche und keineswegs tröstliche Gedanken über menschliche Neugier und Schaulust zu wecken geeignet ist“, hieß es in der „Bozner Zeitung“ vom 21. Dezember 1861. Damals herrschte der Aberglaube vor, dass Frauen, die einen Kindsmörder ansehen, „Glück in der Liebe“ hätten. Pater Qualbert hielt nach der Hinrichtung eine ergreifende Predigt. Zur Warnung und Abschreckung wurde die Leiche bis zum Abend am Galgen hängen gelassen. Es handelte sich um die letzte öffentliche Hinrichtung in Innsbruck.

„Frauenschlitzer von Amras“.

33 Jahre nach der Hinrichtung des „Gwaltwoferl“ gab es in Tirol neuerlich „Ripper“-Alarm. Ein Fleischhauer entdeckte am 22. September 1894 in der Nähe des Schlosses Ambras bei Innsbruck die blutüberströmte Leiche einer Frau. Es handelte sich um die 21-jährige Kellnerin Philomena Württenberger. Allein am Hals befanden sich fünf Stichwunden. In der Nähe des Tatortes wurden ein Messer und ein brauner Strohhut gefunden. Am nächsten Tag wurde auf einer Wiese beim Schloss Amras eine weitere grässlich zugerichtete Leiche entdeckt. Der Unterleib der 29-jährigen Taglöhnerin Anna Isser war aufgeschlitzt. Die Fahndung verlief zunächst ergebnislos. In der Region herrschte Angst vor einem sadistischen Lustmörder und es verbreitete sich das Gerücht, dass auch ein drittes Opfer gefunden worden sei.
Die Ermittlungen und Zeugenaussagen ergaben, dass sich Anna Isser zuletzt in Begleitung des 43-jährigen Josef Mair befunden hatte. Mair arbeitete als Maurer im Schloss Amras. Er war klein und unauffällig, hatte sieben Kinder, wohnte mit seiner Familie in einer Schlosswohnung und galt als guter Familienvater. Man traute ihm einen Doppelmord nicht zu und er wurde deshalb nicht als Verdächtiger, sondern als Zeuge einvernommen. Er bestätigte, mit Anna Isser durch den Schlosspark gegangen zu sein, dort hätten sie sich aber getrennt und er wisse nicht, wohin die Frau gegangen und was mit ihr passiert sei. Die Ermittler beließen es dabei, denn sie hatten einen dringend Tatverdächtigen in Untersuchungshaft genommen, den Melker Josef Jordan. Gegen ihn lagen Indizien vor und er hatte sich bei seiner Einvernahme verdächtig verhalten.
Nachdem aber ein Schlossbediensteter ausgesagt hatte, dass Josef Mair den gleichen Hut und das gleiche Messer besessen hatte, wie sie am Tatort gefunden worden waren, wurde Mair vom Untersuchungsrichter neuerlich befragt. Da er über den Verbleib seines Messers und seines Hutes keine glaubwürdigen Angaben machen konnte, wurde er festgenommen. Am 15. November 1894 legte Mair ein Geständnis ab. Er gab zu, in stark betrunkenem Zustand die beiden Frauen ermordet und beraubt zu haben. Der Angeklagte wurde am 16. März 1895 vom Schwurgericht Innsbruck wegen zweifachen meuchlerischen Mordes nach § 136 Strafgesetz zum Tod durch den Strang verurteilt. Kaiser Franz Josef I. gab dem Begnadigungsantrag des Gerichts statt und die Todesstrafe wurde vom Obersten Gerichtshof in eine lebenslange Kerkerstrafe umgewandelt.

Werner Sabitzer

Quellen/Literatur:
Rohregger, Peter: Gewalt und Totschlag im alten Tirol 1819 bis 1919. Verlag BoD – Books on Demand, Norderstedt, 2018
Zimmeter, Otto: Die Mordtaten des „G´waltwoferl“. Zur Geschichte der letzten öffentlichen Hinrichtung in Innsbruck. In: Kitzbühler Anzeiger, 14. November 1959“, S. 9 ff
Bote für Tirol und Vorarlberg, 23./24./26. August 1861
Bozner Zeitung, 21. Dezember 1861
Der Frauenmörder Josef Mair zum Tode verurtheilt; in: Innsbrucker Nachrichten, 18. März 1895, S. 8
Die Frauenmorde in Amras; in: Innsbrucker Nachrichten, 16. März 1895, S. 4-6
Die Mädchenmorde bei Innsbruck. In: (Linzer) Tages-Post, 27. September 1894, S. 3
Die Mordtaten des „G´waltwoferl“. In: Allgemeiner Tiroler Anzeiger“, 11. April 1931, S. 7-8
Gwaltwoferl, der zweifache Mädchenmörder. In: „Der Abend“, 16. Dezember 1931, S. 10
Wolfgang F. ... Flugblatt anlässlich der Hinrichtung mit der Lebensbeschreibung des Verurteilten und seiner Taten. Innsbruck, 1861


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2024

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