Italien

Retter im Gebirge

In Italien gibt es neben der Bergrettung der Alpenvereine die alpinen Rettungseinheiten der Carabinieri, der Staatspolizei und der Finanzpolizei. Alarmiert wird über die Notrufe 112 oder 118.

Mitglieder der Bergrettung des CNSAS und des SAGF bei einer gemeinsamen Übung
Mitglieder der Bergrettung des CNSAS und des SAGF bei
einer gemeinsamen Übung © Gianluca Vanzetta

 

Eine CNSAS-Einsatzkraft wird von einem Luftwaffe-Hubschrauber während eines SAR-Einsatzes abgeseilt
Eine CNSAS-Einsatzkraft wird von einem Luftwaffe-
Hubschrauber während eines SAR-Einsatzes abgeseilt
© Csnas/Paolo Manca

Wer zwischen Südtirol und Sizilien die Bergrettung alarmiert, mag sich darüber wundern, welche Hilfskräfte anrücken: Denn neben der Bergrettung mit ehrenamtlichen Einsatzkräften der Alpenvereine übernehmen oft die Finanzpolizei, die Carabinieri oder die Staatspolizei mit ihren alpinen Rettungseinheiten die Einsätze.

Gemeinsame Personensuche am Wasserfall.

Anfang September 2023 im Val Bregaglia in den italienischen Alpen: Ein Mann besteigt den Wanderweg entlang der fast vertikal verlaufenden Acqua-Fraggia-Wasserfälle. Am höchsten Punkt des Wasserfalls angekommen, schickt er seiner Partnerin ein Selfie, steigt dann vermutlich irrtümlich durch einen unzugänglichen Bereich ab und stürzt rund hundert Meter in die Tiefe. Der Unfall bleibt zuerst unbemerkt. Erst als man in einer Bar am Fuße des Wasserfalls bemerkt, dass der Wanderer nicht zurückkehrt, kontaktiert man Personal von dessen Campingplatz, das die Familie des Wanderers anruft. Die Familie erreicht ihn nicht und wählt den Notruf.
Bei der Suche nach dem vermissten Wanderer ist neben der Bergrettung des italienischen Alpenvereins und der örtlichen Feuerwehr auch die italienische Finanzpolizei beteiligt. Aus der Luft unterstützen ein Feuerwehr-Hubschrauber aus Mailand und ein Hubschrauber der Finanzpolizei. Am folgenden Tag kann das Mobiltelefon des Wanderers über einen IMSI-Catcher geortet werden. Seine Leiche wird aus dem Fluss unterhalb des Wasserfalls geborgen.
Ein Bergrettungseinsatz wie dieser ist in Italien alltäglich: Polizeieinheiten unterstützen die ehrenamtlichen Bergrettungsorganisationen der Alpenvereine nicht nur mit Helikoptern, sondern auch mit eigenen hauptamtlichen Einsatzkräften der bodengebundenen Bergrettung. In Italien gibt es drei Polizeiorganisationen, die landesweit eine eigene Bergrettung betreiben: Die Finanzpolizei (Guardia di Finanza: GdF), die Carabinieri (Arma dei Carabinieri) und die Staatspolizei (Polizia di Stato).

Die Bergrettung der Finanzpolizei (Soccorso Alpino della Guardia di Finanza: S.A.G.F.) unterhält zwischen den Alpen und Sizilien 28 Rettungsstationen mit rund 300 hauptamtlichen Einsatzkräften. Sie ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Polizei mit Bergrettung. Die Aufgaben reichen von der bodengebundenen Bergrettung über den Transport von Rettern und Unfallopfern im Helikopter bis hin zur Ermittlung von Unfallursachen und zur Identifikation von Unfallopfern. Ein italienischer Zivilschützer erklärt: „Mit ihrem hauptamtlichen Personal, ihren Helikoptern und der Handyortung verfügt die Finanzpolizei über sehr interessante Ressourcen. Je nach Einsatzstichwort werden sie gemäß Einsatzplan immer mitalarmiert.“ Auch ein italienischer Feuerwehrkommandant bestätigt, dass ihre Helikopter wie der AW 139 und der AW 169 sehr leistungsstark seien.
In Südtirol stellt die S.A.G.F. rotierend mit der Staatspolizei Hundeführer im Bereitschaftsdienst. Ein häufiger Alarmierungsgrund der S.A.G.F ist beispielsweise in einigen Regionen der Orientierungsverlust von Menschen bei der Pilzsuche. Beim Betreten der Wälder rutschen viele Personen im Gelände aus, oder Wanderer versteigen sich im Gebirge und können nicht mehr zurück.
Die S.A.G.F. ist eine Sondereinheit der Finanzpolizei, die als Zoll- und Finanzpolizei des italienischen Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen mit ihren rund 61.000 Einsatzkräften militärisch organisiert ist und als originäre Aufgaben die Zollgrenze überwacht, Wirtschaftskriminalität bekämpft und im Verteidigungsfall Grenzsicherungsaufgaben übernimmt. Nach Weisung des Innenministeriums übernimmt sie allgemeine Polizeiaufgaben.

Die Carabinieri di montagna.

Talschaftsübung der Bergrettung des Südtiroler Alpenvereins
Talschaftsübung der Bergrettung des Südtiroler Alpenvereins
© Bergrettungsdienst AVS

Bei den Carabinieri, die eine Teilstreitkraft der italienischen Armee sind, übernehmen die Gebirgs-Carabinieri die klassischen Aufgaben der Bergrettung. Sie sind aber nicht in allen Regionen durchgehend präsent. Ihre Skifahrer und Kletterer folgen einer langen, alpinen Tradition der Armee. Denn als die königlichen Carabinieri 1814 in Savoyen gegründet wurden, war 70 Prozent des damaligen Territoriums, das auch Teile der heutigen französischen Alpen umfasste, gebirgig. Für Polizeistationen in den Bergen wurden vor allem Einheimische rekrutiert und mit Spezialmaterial ausgerüstet, darunter rudimentäre Schneeschuhe. Bevorzugtes Transportmittel waren die in vielen Polizeistationen stationierten Pferde. Nach Erfahrungen im Ersten Weltkrieg wurde 1922 die Einheit der Skifahrer-Carabinieri gegründet und später wurde der sogenannte „Telemark“-Skifahrstil gelehrt.
Heute werden verschiedene Einheiten im Carabinieri-Zentrum für Alpinausbildung im Grödner Tal in den Dolomiten in Südtirol ausgebildet: Die Skifahrer-Carabinieri versorgen abgeschnittene Orte bei Unwetter, transportieren Verletzte sowie helfen Menschen medizinisch und technisch. Die Kletterer haben eine ähnliche Ausbildung, darunter auch die Beweissicherung nach Unfällen.

Antilawineneinheiten sind in der Lawinenprävention und -rettung aktiv. Die Alpinrettung rettet alleine oder zusammen mit der Bergrettung der Alpenvereine, sichert als Gerichtsbehörde Beweise und rekonstruiert Unfallhergänge. Mit der Wintersporteinheit nehmen die Carabinieri an internationalen Wintersportwettbewerben teil. Und der meteorologische Service, entstanden aus der Forsteinheit der Armee, ist für Schnee- und Wettermessungen zuständig. Sonst nehmen die Carabinieri, die dem Verteidigungsministerium unterstellt sind, auf Weisung des Innenministeriums allgemeine Polizeiaufgaben war. Überhaupt ist das Innenministerium allen italienischen Polizeieinheiten gegenüber weisungsbefugt, auch wenn das Verteidigungsministerium das Budget der Carabinieri verantwortet.

Die Gebirgspolizei der Staatspolizei ist mit 218 Agenten in rund 50 Skiorten für den Ordnungsdienst auf den Skipisten verantwortlich, wo sie beispielsweise das Helmfahrgebot für Skifahrer bis zu 14 Jahren überwacht. Sie rettet auch bei Unfällen und bei Naturkatastrophen, wofür das Schulungszentrum in Moena in drei Teilbereichen ausbildet: Juristisch-operativ zur Unfallrekonstruktion, medizinisch für die Erste-Hilfe und technisch-theoretisch für die Bergrettung. Alle drei Polizeiorganisationen arbeiten eng mit der Bergrettung der Alpenvereine zusammen. Gemeinsame Notrufnummern sind die 118 oder die 112.

Die Bergrettung der Alpenvereine.

CNSAS-Einsatzkräfte transpor tieren ein Unfallopfer mit einer Trage
CNSAS-Einsatzkräfte transpor tieren ein
Unfallopfer mit einer Trage
© Csnas/Tommaso Lamantia

In Italien gibt es in allen Regionen die nationale Berg- und Höhlenrettung (Corpo Nazionale Soccorso Alpino e speleologico, CNSAS), eine ehrenamtliche, hoch professionelle Organisation. Gleichzeitig gibt es beispielsweise den Bergrettungsdienst Südtirol und die Bergrettung im Aosta-Tal. Der Bergrettungsdienst Südtirol arbeitet eng mit dem CNSAS zusammen. Die Einsatzgebiete der ehrenamtlichen Bergrettungsorganisationen der Alpenvereine können sich überschneiden.
Die nationale Berg- und Höhlenrettung ist eine Sektion des italienischen Alpenvereins (Club Alpino Italiano, kurz: CAI). Mit 242 Bergrettungs- und 27 Höhenrettungsstationen in ganz Italien ist sie die größte Bergrettungsorganisation. 1863 gegründet, stellte sie ab 1926 erste Rettungseinheiten und expandierte nach dem Zweiten Weltkrieg.
In Südtirol sind außerdem an 35 Bergrettungsstellen des Bergrettungsdienstes Südtirol (BRD) rund 1.000 Bergretter mit weiß-grünen Einsatzfahrzeugen im Einsatz. Der BRD ist als Sektion des Alpenvereins Südtirol ein eigenständiger Verein und ist im Auftrag der Landesregierung tätig.
Der BRD hat vielfältige Aufgaben: Die Bergrettung, die Flugrettung, den Einsatz von Suchhunden, die Helfer vor Ort, die Pistenrettung, die Canyoning-Rettung, die Unfallprävention und Einsatzkräfteseelsorge. Die Helfer vor Ort unterstützen bei medizinischen Notfällen, leisten Erste Hilfe, erkunden die Lage, geben der Leitstelle in Bozen eine qualifizierte Rückmeldung und weisen die Rettungsmittel ein. Sie erfüllen eine wichtige Funktion in den oft abgelegenen Gebirgstälern.
Nur im Aostatal, einer autonomen Region mit Sonderstatus, wird die Bergrettung per Gesetz durch die ausschließlich hauptamtliche Bergrettung des Aostatals (Soccorso Alpino Valdostano) durchgeführt. Die Bergrettung der Finanzpolizei übernimmt im Aostatal polizeiliche Aufgaben.

Übungen mit Militär und Feuerwehr.

Übungen werden auch mit der kommunalen Polizei (Polizia Municipale), der Feuerwehr, dem Roten Kreuz und dem Weißen Kreuz durchgeführt. In der Luftrettung sind verschiedene Organisationen tätig, darunter als Sonderfall am Stützpunkt Pontives (Gröden) der Bergrettungsdienst Aiuit Alpin Dolomites als Initiative aus den ladinischsprachigen Tälern der Dolomiten. Dieser fliegt im Auftrag der Leitstelle Bozen mit hauptamtlichem Flugpersonal und stellt 17 ehrenamtliche Bergrettungsmannschaften. Im Einsatzfall werden auch Armee-Helikopter, im Grenzgebiet zu Frankreich die Hochgebirgsgendarmerie (Peloton de Gendarmerie de Haute Montagne) und im Grenzgebiet zur Schweiz REGA-Helikopter der Schweizer Luftrettung eingesetzt – und manchmal auch die Feuerwehren.
„Die Freiwilligen Feuerwehren führen keine Bergrettungseinsätze durch, sondern unterstützen bei Bedarf technisch – wie durch das Ausleuchten. Die Rettungshundestaffeln der Feuerwehren sind in einem eigenen Verein organisiert und kommen in erster Linie bei Suchaktionen zum Einsatz“, informiert der Südtiroler Feuerwehrverband.

CNSAS-Rettungskräfte verlassen den Hubschrauber der Carabinieri während einer Übung
CNSAS-Rettungskräfte verlassen den Hubschrauber der
Carabinieri während einer Übung © Archivio Cnsas
Höhlenrettung: Rettungsmanöver eines Unfallopfers aus einer Höhle in Friaul Julisch Venetien
Höhlenrettung: Rettungsmanöver eines Unfallopfers aus einer
Höhle in Friaul Julisch Venetien © Csnas/Paolo Manca

Gemeinsam im Zivilschutz.

Die Bergrettung der Alpenvereine ist Teil des italienischen Katastrophen- und Zivilschutzes und geht auch außerhalb klassischer Bergrettung in den Einsatz, etwa 1963 beim lawinenbedingen Überlauf des Vajont-Stausees, dann beim Erdbeben in L'Aquila 2009, bei der maritimen Havarie der Costa Concordia 2012 und beim Schneenotfall in Mittel- und Süditalien im selben Jahr.
Auch bei einem schweren Verkehrsunfall unterstützte die Bergwacht im Rahmen des Zivilschutzes ihre Kameraden und Kameradinnen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes in umgekehrten Rollen: In einer Januarnacht 2020 raste ein betrunkener Autofahrer in einem Gebirgstal in Südtirol in eine Gruppe von Touristen, die nach einer Busreise die Straße überqueren wollten. Sieben Personen starben und elf wurden verletzt. 160 Rettungskräfte, darunter die örtlichen freiwilligen Feuerwehren und die Berufsfeuerwehr aus Bozen, das Weiße Kreuz, die Notfallseelsorge und die Bergrettung bewältigten den psychisch belastenden Einsatz gemeinsam. Die Verletzten wurden in Südtiroler Krankenhäuser und nach Innsbruck gebracht. Die Carabinieri rekonstruierten anschließend den Unfallhergang.

Erfolgreicher Einsatz bei Neapel.

Eine CNSAS-Hundestaffel steigt aus einem Hubschrauber der Staatspolizei
Eine CNSAS-Hundestaffel steigt aus einem Hubschrauber
der Staatspolizei © Csnas/Paolo Manca

Doch die meisten Einsätze haben glücklicherweise ein positives Out­come. Zuletzt geschildert sei ein Fall aus Süditalien, bei dem auch die Luftwaffe der italienischen Armee unterstützte: An einem Augustabend im Jahr 2023 forderte die Bergrettung (CNSAS) des italienischen Alpenvereins die Bergrettung der Finanzpolizei (S.A.G.F.) zur Unterstützung an.
Rund 60 Kilometer östlich von Neapel hatte sich eine Pfadfindergruppe am rund 1.806 Meter hohen, unwegsamen Monte Termini verlaufen. Sie waren ohne Orientierung, erschöpft, ohne Essen und Wasser. Die Einsatzkräfte brachen auf, erreichten die Pfadfinder nach fast zwei Stunden und versorgten sie mit Lebensmitteln. Nach einer ersten medizinischen Kontrolle wurden die Pfadfinder zu Tal begleitet. Ein Mädchen schaffte den Weg vor Erschöpfung nicht. Eine SAGF-Einsatzkraft und ein CNSAS-Bergretter blieben bei ihr. Ein bereits voralarmierter und nachtflugtauglicher Luftwaffe-Helikopter aus Pratica di Mare kam zum Einsatz. Eine Vereinbarung zwischen dem CNSAS und der italienischen Luftwaffe bildet die rechtliche Grundlage für den Hubschraubereinsatz. Das Mädchen wurde vom mit zwei Soldaten und einem CNSAS-Bergretter besetzten Helikopter aufgenommen und im Tal dem örtlichen Rettungsdienst übergeben. Damit wurde der gemeinsame Einsatz vierer Organisationen erfolgreich beendet.

Benedikt Haufs

Einsatzkräfte – Links:
• Bergrettung Südtirol = Bergrettungsdienst des Südtiroler Alpenvereins: www.bergrettung.it 
• Nationale Berg- und Höhlenrettung des CNSAS: www.cnsas.it 
• Südtiroler Berg und Höhlenrettung des CNSAS: www.bergrettung.org  oder www.soccorsoalpino.org 
• Bergrettung der Finanzpolizei (SAGF): www.gdf.gov.it/it 
• Bergpolizei der Polizia dello stato: www.poliziadistato.it/articolo/polizia-della-montagna 
• Bergrettung der Carabinieri: www.difesa.it 
• Feuerwehr-Hundestaffel: www.vigilfuoco.it 


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2024

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