Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Wegfall der Vertrauenswürdigkeit für wiederkehrende Begutachtungen, Befristung eines Fahrradlenkverbotes und Barauslagenersatz bei Überprüfung der Verkehrstüchtigkeit.

Vertrauenswürdigkeit für Begutachtungen

VERWALTUNGSGERICHTSHOF-ENTSCHEIDUNG zur Vertrauenswürdigkeit für wiederkehrende Begutachtungen (§ 57a KFG 1967): Ein Ermächtigter, der Interessenkonflikten in seinem Betrieb – zum Beispiel in Form der Begutachtung von Privatfahrzeugen durch Angestellte – nicht konsequent vorbeugt, verliert seine Vertrauenswürdigkeit.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF-ENTSCHEIDUNG zur
Vertrauenswürdigkeit für wiederkehrende Begutachtungen
(§ 57a KFG 1967): Ein Ermächtigter, der Interessenkonflikten
in seinem Betrieb – zum Beispiel in Form der Begutachtung
von Privatfahrzeugen durch Angestellte – nicht konsequent
vorbeugt, verliert seine Vertrauenswürdigkeit. © Werner
Sabitzer

Eine Überprüfung gemäß § 57a KFG 1967 ergab, dass der Inhaber einer Ermächtigung für wiederkehrende Begutachtungen von Kraftfahrzeugen zwischen Jänner 2018 und Jänner 2021 zwar kein einziges positives Prüfgutachten zu Unrecht erstattet, seinen Betrieb jedoch überaus mangelhaft und sorglos geführt hatte. Unter anderem hatte er eine irrtümlich falsch verklebte Begutachtungsplakette bei deren Entfernung zerstört, ohne den Ablösevorgang zu dokumentieren und die verbleibenden Fragmente aufzubewahren, falsche Methoden bei der Abgasmessung angewendet und es überdies geduldet, dass Mitarbeiter ihre Privatfahrzeuge und die Fahrzeuge naher Angehöriger positiv begutachteten. Am 16. Februar 2021 widerrief die Landeshauptfrau von Niederösterreich die Ermächtigung wegen Vertrauensunwürdigkeit (§ 57a Abs. 5 KFG 1967).
Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Niederösterreich gab der hiergegen erhobenen Beschwerde statt und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Ermächtigte inzwischen mehrere Maßnahmen zur Mängelbehebung und zur Sensibilisierung seiner Mitarbeiter ergriffen habe, sodass von einer Fortsetzung des bei der Überprüfung festgestellten Fehlverhaltens nicht mehr auszugehen sei. Die Begutachtung eigener Fahrzeuge oder der Fahrzeuge naher Angehöriger durch Mitarbeiter eines Ermächtigten sei nach dem KFG 1967 und der auf dessen Grundlage erlassenen Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) nicht ausdrücklich untersagt und spreche somit nicht gegen die nach § 57a KFG 1967 erforderliche Vertrauenswürdigkeit.
Die Landeshauptfrau von Niederösterreich erhob außerordentliche Revision und war erfolgreich. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs: Wenngleich ein nach § 57a KFG 1967 Ermächtigter hoheitlich tätig ist, erfolgt die wiederkehrende Begutachtung von Kraftfahrzeugen außerhalb eines behördlichen Verfahrens, weshalb § 7 AVG (Befangenheit von Verwaltungsorganen) darauf nicht anwendbar ist. Allerdings verlangen § 57a Abs. 4a KFG 1967 und § 14 PBStV die Objektivität der Begutachtung. Die Richtlinie 2014/45/EU über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern, die unionsrechtliche Grundlage jener Bestimmungen, präzisiert dies in ihrem Art. 13 Abs. 4 dahingehend, dass die Prüfer sich „in keinem Interessenkonflikt befinden [dürfen], sodass […] die zuständige Behörde davon ausgehen kann, dass Objektivität und Unparteilichkeit gewährleistet sind“.
Vor diesem Hintergrund genügte allein schon der Umstand, dass der Ermächtigte die positive Begutachtung eigener Fahrzeuge oder der Fahrzeuge naher Angehöriger durch seine Mitarbeiter duldete, um den Verlust seiner Vertrauenswürdigkeit zu bewirken und folglich den Widerruf der Ermächtigung zu rechtfertigen. Dies gilt entsprechend für die sonstigen Mängel, die im Betrieb des Ermächtigten festgestellt wurden. Die Ansicht des LVwG Niederösterreich, es beeinträchtige die Vertrauenswürdigkeit von vornherein nicht, wenn Mitarbeiter eines Ermächtigten ihre eigenen Fahrzeuge bzw. die Fahrzeuge naher Angehöriger (positiv) begutachten, erweist sich daher als unzutreffend und führt zur Aufhebung des Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
VwGH Ra 2021/11/0100,
7.9.2023

Befristung eines Fahrradlenkverbotes

Mit Bescheid vom 14. November 2022 verbot die Bezirkshauptmannschaft (BH) Hermagor dem späteren Beschwerdeführer und Mitbeteiligten das Lenken von Fahrrädern gemäß § 59 Abs. 1 lit. b StVO auf unbestimmte Dauer. Das LVwG Kärnten gab der hiergegen erhobenen Beschwerde teilweise statt, indem es das Lenkverbot auf ein Jahr befristete.
Der Lenker, so die Begründung, habe zwischen 2019 und 2022 viermal ein Fahrrad in stark alkoholisiertem Zustand gelenkt und in einem dieser Fälle einen Verkehrsunfall mit Eigenverletzung verschuldet; die deswegen gegen ihn eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren (§ 99 Abs. 1b StVO) seien teilweise noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Wegen dieses gehäuften Fehlverhaltens gehe von dem Lenker eine akute Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer auch in der Zukunft aus. Das Lenkverbot sei deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Seine unbefristete Dauer sei jedoch nicht gerechtfertigt:
Ein Verbot des Lenkens von Fahrrädern oder sonstigen Fahrzeugen, die ohne besondere Berechtigung gelenkt werden dürfen (§ 59 StVO), steht in seiner Wirkung einem Führerscheinentzug gemäß § 26 FSG gleich. Ein solcher ist gemäß § 26 Abs. 2 FSG aber selbst dann nur befristet auszusprechen, wenn der Betroffene – wie hier – in den letzten fünf Jahren mehrmals gegen § 99 Abs. 1b StVO, das Verbot des Lenkens eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand, verstoßen hat. Wegen des bloß gelegentlichen Alkoholkonsums des Lenkers und in sinngemäßer Anwendung des § 26 Abs. 2 FSG sei mit einem einjährig befristeten Lenkverbot das Auslangen zu finden.
Die BH Hermagor erhob ordentliche Revision und war erfolgreich. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs: Die Dauer eines Lenkverbotes gemäß § 59 Abs. 1 lit. b StVO ist anhand einer Prognoseentscheidung zu bemessen, bei der das bisherige Verhalten im Straßenverkehr zu berücksichtigen ist. Um ein Lenkverbot befristet auszusprechen, müssen Anhaltspunkte im Einzelfall die Vermutung rechtfertigen, dass der Betroffene nach Ablauf der festgesetzten Zeit wieder ein gesetzeskonformes Verhalten an den Tag legen und damit die Verkehrssicherheit wiederhergestellt sein wird. § 26 Abs. 2 FSG ist hier nicht einschlägig, denn anders als diese Bestimmung normiert § 59 StVO keine Mindestverbotszeiten, und er ermöglicht zudem die Erlassung unbefristeter Lenkverbote.
Im angefochtenen Erkenntnis spricht das LVwG Kärnten unter Hinweis auf § 26 Abs. 2 FSG bloß pauschal ein einjährig befristetes Lenkverbot aus und begründet nicht im Einzelnen, wieso die festgestellten Übertretungen des Lenkers entgegen den Erwägungen der BH Hermagor kein unbefristetes Verbot rechtfertigen. Das Erkenntnis ist daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
VwGH Ro 2023/02/0009,
29.8.2023

Barauslagenersatz bei Überprüfung der Verkehrstüchtigkeit

Bei einer Unfallaufnahme räumte der Lenker eines beteiligten Fahrzeugs ein, etwa eine Woche zuvor Suchtgift konsumiert zu haben. Die einschreitenden Polizeibeamten führten ihn einem Amtsarzt zur klinischen Untersuchung vor. Dieser stellte fest, dass der Lenker zur Unfallzeit vor allem wegen Übermüdung nicht fahrtüchtig gewesen war (§ 58 StVO). Zudem nahm er ihm Blut ab, das dem forensisch-toxikologischen Gutachten zufolge eine geringe THC-Konzentration (0,55 ng/l) aufwies.
Die BH Schärding leitete daraufhin ein Verwaltungsstrafverfahren ein, verhängte gegen den Lenker eine Geldstrafe gemäß § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 58 StVO und verpflichtete ihn zum Ersatz der Barauslagen für die klinische Untersuchung und die Blutuntersuchung (§ 64 Abs. 3 VStG).
Ein zweites, wegen § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO eingeleitetes Strafverfahren stellte sie ein, weil sich wegen des niedrigen THC-Gehalts nicht eindeutig feststellen ließ, ob die Beeinträchtigung auf Suchtgiftkonsum zurückging.
Das LVwG Oberösterreich bestätigte die Strafe, behob jedoch den Barauslagenersatz für die klinische Untersuchung und die Blutuntersuchung mit der Begründung, dass diese Kosten noch vor der Einleitung – also nicht, wie von § 64 Abs. 3 VStG verlangt, „im Zuge“ – des Verwaltungsstrafverfahrens entstanden waren.
Die BH Schärding erhob wegen der Behebung des Barauslagenersatzes außerordentliche Revision und war teilweise erfolgreich. Nach § 64 Abs. 3 VStG ist ein Bestrafter auch zum Ersatz jener Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu verpflichten, die bei der Prüfung, ob eine strafbare Handlung vorliegt und folglich ein Verfahren einzuleiten ist, anfallen. Die klinische Untersuchung diente der Feststellung, ob der Lenker verkehrstauglich war, und damit der Überprüfung, ob er § 58 StVO übertreten hat. Da er wegen dieser Übertretung in weiterer Folge bestraft wurde, waren die Kosten der klinischen Untersuchung für das Straferkenntnis erforderlich und gemäß § 64 Abs. 3 VStG zu ersetzen. Das angefochtene Erkenntnis war daher aufzuheben, soweit es den Barauslagenersatz für die klinische Untersuchung behoben hat.
Die Blutuntersuchung war für das Straferkenntnis hingegen nicht erforderlich, denn eine Beeinträchtigung durch Suchtgift ist für eine Bestrafung nach § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 58 StVO, wie die BH Schärding sie gegen den Lenker ausgesprochen hat, keine Voraussetzung. Zudem hat weder das LVwG Oberösterreich noch die BH Schärding eine solche Beeinträchtigung anderweitig festgestellt, weshalb sich ein Kostenersatz auch nicht auf § 5a Abs. 2 StVO stützen lässt. Das LVwG Oberösterreich hat den Barauslagenersatz für die Blutuntersuchung also zu Recht behoben. Daher ist die Revision der BH Schärding zurückzuweisen, soweit sie diesen Teil des Barauslagenersatzes betrifft.
VwGH Ra 2023/02/0040,
27.9.2023

Bernhard Krumphuber


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2024

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