53. Internationale Tagung für Sprengtechnik

Gefahren und Komplikationen

Bei der 53. Internationalen Tagung für Sprengtechnik wurden sprengtechnische und pyrotechnische Anwendungen aufgezeigt sowie Gefahren und Komplikationen bei Sprengungen demonstriert.

Bei der Linzer Sprengtechnik-Tagung wurden Zündmaschinen und anderes sprengtechnisches Equipment präsentiert
Bei der Linzer Sprengtechnik-Tagung wurden Zündmaschinen und anderes sprengtechnisches Equipment präsentiert © Kurt Hickisch

Veranstaltet vom Verband der Sprengbefugten Österreichs und dem Wirtschaftsförderungsinstitut Oberösterreich, fand am 9. und 10. November 2023 im Wirtschaftsförderunginstitut in Linz mit 98 Teilnehmern die 53. Internationale Tagung für Sprengtechnik statt. Vorausgegangen war am Vortag ein Workshop zum Thema: Was darf man – was darf man nicht, bei dem die Wichtigkeit korrekter Dokumentation diskutiert wurde.

Gefahren- und Streubereich.

Der Gefahrenbereich ist nach § 2 Abs 3 der Sprengarbeitenverordnung (SprengV) jener Bereich um eine Sprengstelle, innerhalb dessen eine Gefährdung von Personen und Sachen durch die Sprengung und deren Folgewirkungen zu erwarten ist. In Betracht kommen dabei etwa Steinflug, Sprengschwaden, Schall, Erschütterungen, erläuterte Pierre Lossau von der Austin Powder GmbH. Der Streubereich hat im Regelfall einen Umkreis von mindestens 300 m, beim Sprengen von Stahlkonstruktionen einen Umkreis von mindestens 1.000 m von der Sprengstelle zu umfassen (§ 15 Abs 3 2. Satz SprengV). Der Streubereich darf verkleinert werden, wenn durch die angewandten Sprengverfahren oder besondere Schutzmaßnahmen sichergestellt ist, dass Arbeitnehmer/innen nicht gefährdet werden. Die Verantwortung aber trifft den Sprengbefugten, der den Streubereich unter Berücksichtigung aller die Streuwirkungen beeinflussenden Faktoren festzulegen hat, und zwar nachweislich (§ 15 Abs 3 1. Satz SprengV).

Die Vorschriften der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) führen als Umstände, die zu einer Erweiterung des Streubereichs führen könnten, beispielsweise Klüfte und Lassen im Gebirge an, oder als zusätzliche Maßnahmen zur Verringerung die Verwendung von Sprengschutzmatten oder das Bestehen von Deckungsmöglichkeiten.
Der Sprengbefugte hat zu veranlassen, dass der Streubereich an den Zugängen von Warnposten gesichert wird. Als solche sind geeignete, verlässliche Personen heranzuziehen, die über ihre Aufgabe nachweislich besonders unterrichtet werden. Sie sind mit geeigneten Hilfsmitteln zum Absichern, darunter auch mit Schutzhelmen und erforderlichenfalls mit Funkgeräten auszustatten. Pierre Lossau stellte in der Folge komplexe mathematische Modelle zur Berechnung des Steinflugs vor, warnte aber davor, den Steinflug als berechenbar anzusehen. Die allenfalls mit einem Taschenrechner ermittelten Werte seien in der Praxis um mindestens die Hälfte des ermittelten Wertes hinaufzusetzen.

Komplikationen bei Sprengungen.

Richard Lankes vom Sprengverein in Bayern e.V. berichtete über die am 2. April 2023 erfolgte Sprengung zweier Bauwerke eines seit 2019 stillgelegten Kohlekraftwerks im Hafen von Kiel. Ein tellergroßes Metallstück mit 6,2 kg Gewicht schlug über eine Entfernung von 1.182 m in ein Wohngebäude ein. Niemand wurde verletzt. Nun musste geklärt werden, woher das Sprengstück stammte. Spuren von Reaktionsprodukten, etwa von der Umsetzung einer Schneidladung, wurden bei der kriminaltechnischen Untersuchung nicht festgestellt. Aufgrund von Videoaufnahmen und von Lackresten konnte letztlich als wahrscheinliche Ursache ermittelt werden, dass das Metallstück beim Zusammenbruch der Konstruktion als Sekundärwirkung der Sprengung herausgerissen und weggeschleudert worden war.
Das Kesselhaus des Kraftwerks sollte am 11. Juli 2023 gesprengt werden, doch hatte die Sprengung, nach zwei problembehafteten Versuchen, erst einen Tag später den erwünschten Erfolg. Der Sprengunternehmer Eduard Reisch (Reisch Sprengtechnik GmbH; reisch-sprengtechnik.de ) legte die angewendeten sprengtechnischen Verfahren mit umfangreichem Bildmaterial offen und schilderte die dramatischen Momente, als bei dem nicht mehr standsicheren Gebäude, das nur mehr auf seinen mit Schneidladungen bereits durchtrennten, stählernen Stützen ruhte, neuerlich Sprengladungen angebracht werden mussten. „Keinen Mitarbeiter hätte man das noch tun lassen dürfen“, verwies Reisch auf die drohende Einsturzgefahr, bei der ihm nur wenige Sekunden verblieben wären, sich aus der Fallrichtung zu entfernen. Warum die zwei Sprengungen zuvor nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten, wurde im Anschluss an die gegebene Darstellung diskutiert.

Weitere Sprengungen.

53. Internationale Tagung für Sprengtechnik in Linz: Anton Langer, Clarissa Raps, Gerd Nefzer und Martin Hoppe
53. Internationale Tagung für Spreng-
technik in Linz: Anton Langer, Clarissa
Raps, Gerd Nefzer und Martin Hoppe
© Kurt Hickisch

Völlig plangemäß verlief die am 7. Mai 2023 erfolgte Sprengung der im Zuge der deutschen Bundesautobahn A 45 gelegenen Autobahnbrücke über die Rahmede nördlich vom Lüdenscheid, wie Clarissa Raps, Wölfel-Gruppe (woelfel.de ) berichtete. Das 1968 fertiggestellte Bauwerk war den Belastungen des nunmehrigen Straßenverkehrs nicht mehr gewachsen und wurde bereits 2021 für den Verkehr gesperrt. Der höchste der insgesamt 5 Pfeiler war 67 m hoch. Erschwerend waren die Querneigung des Hangs mit dadurch gegebener Rutschgefahr zur Seite und die bestehenden Wohngebäude im Tal, sodass bereits Vergleiche mit der Sprengung der Morandibrücke in Genua hergestellt wurden. Die Pfeiler wurden durch die Sprengung so geknickt, dass sich die Fahrbahn der Brücke dem Gelände angepasst auf das vorbereitete Fallbett gelegt hat. Die Erschütterungswerte sind unterhalb der Prognosen gelegen. Durch den Luftdruck wurden Bäume umgerissen und eine Containerwand umgekippt.
Aus der Sicht eines Sachverständigen berichtete Diplom-Geologe Martin Hopfe über den Sprengabbruch eines 170 m hohen Stahlbetonschornsteins in Leipzig am 10. September 2023. Die Sprengung erfolgte, vom Schaft her beginnend, in drei Ebenen. Ein Video davon wurde samt sprengtechnischen Erläuterungen vom Auftraggeber, den Leipziger Stadtwerken, unter www.l.de/stadtwerke/schornsteinabriss/  ins Netz gestellt.
Zur Verbreiterung der Katschbergstraße B99 im Bereich der Lieserschlucht in Kärnten wurden zwischen August und Dezember 2022 von der etwa 40 m hohen Ertlwand ca. 13.500 Kubikmeter Fels durch Sprengen abgetragen. Die besonderen Herausforderungen lagen, wie Martin Lang, Leiter der Landesgeschäftsstelle Steiermark des Verbands der Sprengbefugten, berichtete, in der kurzen Bauzeit, der Sperre der B99 und dem Umstand, dass sich ein Abwasserkanal in der bestehenden Straßenanlage befunden hat. Im Zuge der Abtragungsarbeiten mussten drei horizontale Ebenen (Bermen) in den Fels gesprengt werden, die miteinander serpentinenartig durch befahrbare Trassen verbunden waren. Die Bohr- und Sprengarbeiten mussten zum Teil angeseilt durchgeführt werden.
Über neue Methoden der Metallbearbeitung mit Sprengstoff berichtete Alfred Kappl.

Höhlenrettung.

Auch bei der Höhlenrettung wird Sprengtechnik eingesetzt, wie der Leiter der Kärntner Höhlenrettung, Andreas Langer, ausführte und dabei auch die österreichweite Organisation der Höhlenrettung darstellte. Da das Rettungswesen verfassungsgesetzlich Landessache ist, bestehen in Österreich sechs eigenständige Landesverbände der Höhlenrettung (ÖHR-LV), die über den Bundesverband der Österreichischen Höhenrettung (ÖHR-BV) koordiniert und je nach Einsatzgröße auch bundesländerübergreifend alarmiert werden. Mit Stand 21. September 2023 umfasste die Österreichische Höhlenrettung 238 Personen. Die Aufgaben liegen in der Rettung und Bergung von in Not geratenen Menschen aus Höhlen oder höhlenähnlichen Objekten, der Vermeidung von Höhlenunfällen und Ausbildung von Höhlenforschern, der Ausbildung von Rettern und Retterinnen und Durchführung von Übungen. Dazu kommen die Optimierung von Ausrüstung, Prozessen und Unterlagen sowie die Integration neuer technischer Standards. Für die Bergung muss ungefähr das Zehnfache der Zeit gerechnet werden, wie sie für den Einstieg benötigt wurde. Sämtliches Material (auch Verpflegung und medizinische Versorgung) muss von den Rettern hin- und wieder zurück transportiert werden. Für einen Rettungseinsatz werden in der Regel 30 bis 40 Höhlenretter/innen benötigt, die meist mehrere Tage in der Höhle verbringen. Funk oder Handy funktionieren dort nicht. Eine Verbindung über Längstwellen muss mit Relaisstationen aufgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Rettungsorganisationen und Behörden ist erforderlich.
Nur in den seltensten Fällen kann eine Bergung über einen anderen Weg erfolgen als den, den der Verunglückte genommen hat. Da diese Personen zumeist in einer Trage oder in einer Vakuum-Matratze transportiert werden müssen, müssen zuvor bezwungene Engstellen verbreitert werden. Dies erfolgt vorzugsweise mit Hammer und Meißel, doch kann auch der Einsatz von Sprengtechnik erforderlich werden. Die besonderen Verhältnisse unter Tag sind zu berücksichtigen, wie etwa, dass Schwaden kaum abziehen können. Die Bohrlöcher werden mit Akku-Bohrmaschinen hergestellt, wie sie auch zum Bohren von Verankerungen für Seile verwendet werden.
Die Landesgruppe Kärnten hat umfangreiche Versuchssprengungen mit unterschiedlichen Sprengstoffen durchgeführt und gute Erfolge mit Mini-Boostern erzielt. Alternativ wurden auch Bolzensetz- oder steinbrechende Kartuschen erprobt sowie der Einsatz der in der Steingewinnung verwendeten Stahl-Treibkeile.
Warum jemand zum Höhlenforscher wird, für den unter Umständen Rettungseinsätze erforderlich werden, liege, so Langer, im Bestreben des Menschen, in unerforschte Bereiche vorzudringen. Davon profitiere aber auch die Wissenschaft, denn es würden Räumlichkeiten erschlossen, in denen Jahrtausende alte Zustände konserviert wurden.

Produktpräsentation bei der Sprengtechnik-Tagung: Bohrköpfe für Bohrstangen; Drohne für Vermessungsflüge
Produktpräsentation bei der Sprengtechnik-Tagung: Bohrköpfe für Bohrstangen; Drohne für Vermessungsflüge © Kurt Hickisch

Pyrotechnik.

Christian Czech, Pyrovision GmbH (pyrovision.at ) erläuterte die Bestimmungen des Pyrotechnikgesetzes 2010 (PyroTG 2010), dem sämtliche pyrotechnischen Gegenstände für technische und Unterhaltungszwecke unterliegen. Pyrotechnische Gegenstände für Unterhaltungszwecke (Feuerwerk) werden entsprechend ihrer Verwendungsart, ihrem Zweck und dem Grad ihrer Gefährlichkeit einschließlich ihres Lärmpegels in die Kategorien F1 bis F4 unterteilt. Ohne behördliche Bewilligung dürfen nur Feuerwerkskörper der Kategorien F1 (Mindestalter 12 Jahre) und der Kategorie F2 (Mindestalter 16 Jahre) besessen und verwendet werden. Weitere Einteilungen betreffen pyrotechnische Gegenstände für Bühne und Theater (Kategorien T1 und T2), sonstige pyrotechnische Gegenstände (Kategorien P1 und P2) sowie pyrotechnische Sätze (Kategorien S1 und S2). Jeder pyrotechnische Gegenstand muss in Österreich eine Kennzeichnung in deutscher Sprache aufweisen, die unter anderem die Kategorie, Altersgrenze, Gebrauchsanweisung und Sicherheitsinformationen enthalten muss (§ 24 Abs 2 PyroTG).
Feuerwerke sollten choreographierte Kunstwerke von Feuer, Form und Farbe sein, die unvergessliche Momente hinterlassen, sagte Czech. Beispiele dafür seien die visualisierte Linzer Klangwolke 2011 oder der Münchner Sommernachtstraum 2013. Allerdings könne in Österreich kaum noch ein Betrieb von der Veranstaltung von Feuerwerken leben. Nebenberufliche und Hobbypyrotechniker seien inzwischen in fast jeder Gemeinde ansässig. In Österreich seien in Wochenendkursen seit der Jahrtausendwende 1999 fast 10.000 Pyrotechniker ausgebildet worden.
Die Lärmbelästigungen durch illegales Feuerwerk hätten zugenommen, einerseits wegen des zunehmenden Handels mit illegalen pyrotechnischen Artikeln wie Blitzknallsätzen und durch verstärkte Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen. Der Vertrieb von in Österreich illegalen Feuerwerkskörpern über Internet und Schwarzmarkt blühe.
Hinsichtlich der Umweltbelastung durch Feuerwerke machte der Referent geltend, dass die Partikel aus Feuerwerken wasserlöslich bzw. wasseranziehend seien und dadurch schnell wieder aus der Luft verschwinden würden. Nach einer von der WKO 2022 in Auftrag gegebenen Studie betrage beim Gesamtschwebestaub TSP (PM10, PM 2,5) der durch Feuerwerk jährlich verursachte Anteil 0,2 % der Gesamtemission.
Einen Einblick, wie in Action-Filmen, unter anderem auch mit Pyrotechnik, Spezialeffekte erzeugt werden, gab Gerd Nefzer (nefzer.com ), zweifacher Oscar-Preisträger in der Kategorie Beste visuelle Effekte.

Auszeichnung.

Der Verband der Sprengbefugten Österreichs verleiht seit 2019 alle zwei Jahre den Kaspar-Weindl-Innovationspreis, mit dem Innovationen im Bereich des Sprengwesens ausgezeichnet werden. Der Tiroler Kaspar Weindl soll 1627 als erster mit Schwarzpulver eine Sprengung im Bergbau durchgeführt haben. Der diesjährige Innovationspreis erging an die 3GSM GmbH (3gsm.at) für die Erstellung von 3D-Modellen zur Bruchwandvermessung aus Drohnenaufnahmen und nachfolgender vollautomatischer Ermittlung der Korngrößenverteilung des sichtbaren Hauwerks. Die Verfahren senken die Gewinnungskosten bis zu 10 % und den CO2-Ausstoß um bis zu 25 %.
Aussteller bei der Tagung waren die Unternehmen Epiroc (Bohrtechnik; epiroc.com ), Gotthard Knödlseder (Bohrtechnik; knoedlseder.com ), geo-konzept (Planung, Vermessung; geo-konzept.de ), Austin Powder (Sprengmittel; austinpowder.com ), Bergma (Sprengschutzmatten; bergma.pl ), Ontaris (digitales Sprengmittel-Lagerbuch; ontaris.de ) und VSV Engineering GmbH (Sprengbedarf; vsv.biz ).
Die nächste Tagung für Sprengtechnik wird am 7. und 8. November 2024 wiederum im WIFI Linz stattfinden.

Kurt Hickisch


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2024

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