Gewaltschutzzentrum Oberösterreich

Hilfe für Gewaltopfer

Das Gewaltschutzzentrum Oberösterreich berät und unterstützt seit Juli 1998 Personen, die in der Familie/im sozialen Nahraum von Gewalt betroffen sind sowie Stalkingopfer.

Das erste Gewaltschutzgesetz trat 1997 in Österreich in Kraft, aufgrund dessen in jedem Bundesland ein Gewaltschutzzentrum (damals Interventionsstelle) gegründet wurde. Das Gewaltschutzzentrum Oberösterreich startete mit Juli 1998. Die Opferschutzeinrichtung feierte am 5. Oktober 2023 in Linz ihr 25-jähriges Bestehen. „Gewaltschutz gehört seit mehr als 25 Jahren zu den zentralen Aufgaben der Polizei.
Die Gewaltschutzzentren sind daher gemeinsam mit der Polizei die Wurzeln des Gewaltschutzes. In Zukunft ist die gemeinsame Aufgabe von den Gewaltschutzzentren und der Polizei, die bestehenden Möglichkeiten zur Beratung noch bekannter zu machen“, sagte Innenminister Gerhard Karner, der mit Justizministerin Alma Zadic an der Veranstaltung teilnahm.

Erweiterung des Schutzes.

25 Jahre Gewaltschutzzentrum OÖ: LH-Stellvertreterin Christine Haberlander, Sonja Ablinger und Eva Schuh, Gewaltschutzzentrum OÖ, Innenminister Gerhard Karner
25 Jahre Gewaltschutzzentrum OÖ: LH-Stellvertreterin
Christine Haberlander, Sonja Ablinger und Eva Schuh,
Gewaltschutzzentrum OÖ, Innenminister Gerhard Karner
© Karl Schober

Die derzeitige Bundesregierung setzte wichtige Schritte für die Erweiterung des Schutzes für Opfer von Gewalt, das Betretungsverbot wurde durch das Annäherungsverbot ergänzt. Außerdem wurde mit knapp 25 Millionen Euro das bisher größte Gewaltschutzbudget ermöglicht. Bei der Veranstaltung in Linz appellierte Karner auch an die Bevölkerung: „Zivilcourage muss gefördert werden, vor allem Angehörige sowie Nachbarinnen und Nachbarn können Gewalt erkennen und somit einen wichtigen Teil zum Schutz vor Gewalt beitragen.“
„Essenziell für den Opferschutz in Österreich ist für uns, dass wir von Beginn an bei den Weiterentwicklungen des Gewaltschutzgesetzes miteinbezogen wurden“, sagt Eva Schuh, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Oberösterreich. „Unsere Arbeit besteht nicht nur aus der Beratung betroffener Personen, sondern auch aus Präventionsarbeit durch Projekte, Kooperationen, Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen.“ Zudem erarbeiten die Gewaltschutzzentren in Österreich jährlich Reformvorschläge hinsichtlich des Gewaltschutzgesetzes anhand praxisrelevanter Problemstellungen.

Beratungs- und Fallzahlen damals und heute.

Seit Beginn wurden laut Gewaltschutzzentrum OÖ in Ober­österreich insgesamt rund 43.300 (so viele wie etwa die gesamten Einwohner von Steyr und Schärding zusammen) Personen beraten und mehr als 25.500 Betretungs- und Annäherungsverbote (BV/AV) – etwas mehr als hätte jede einzelne Person in der Stadt Traun ein BAV bekommen – ausgesprochen. Im zweiten Halbjahr 1998 waren es 94 Personen und 33 polizeiliche Betretungsverbote. Im Vergleich dazu wurden im ersten Halbjahr 2023 2.114 Personen beraten und 1.374 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. Im 1. Halbjahr 2023 kam es sowohl bei den Wegweisungen als auch bei der Anzahl der Klientinnen und Klienten zu einer massiven Steigerung. „Ursächlich dafür ist auch die Sensibilisierung dafür, was Gewalt ist und dem Bewusstsein, dass sich jede Person Hilfe suchen kann“, sagt Schuh. „Die Einflussnahme auf ein gesellschaftliches Umdenken ist eines unserer Hauptthemen.“ Denn nach wie vor wird Gewalt von Männern an Frauen zu wenig als geschlechtsspezifisches Problem gesehen, das ihren Ursprung im patriarchalen System hat. „Die meis­ten Betroffenen erleben Gewalt durch ihre Ehemänner bzw. Lebensgefährten und durch ihre Ex-Ehemänner/Ex-Lebensgefährten“, erklärt Sonja Ablinger, Vorsitzende des Vereines Gewaltschutzzentrum OÖ.

Grundstein und Meilensteine.

Seit dem ersten Gewaltschutzgesetz 1997 passen sich sowohl das bundeslandspezifische Beratungsangebot als auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen laufend an die Praxiserfordernisse an. 2023 können einige Meilensteine verzeichnet werden.

  • Regionalstellen: Durch die Finanzierung des Landes OÖ konnten neben Freistadt Regionalstellen in Gmunden, Ried und Steyr eröffnet werden, die nun zwei bis dreimal in der Woche besetzt sind. Ebenso werden Sprechstunden in Rohrbach, Perg, Bad Ischl, Vöcklabruck und Braunau angeboten.
  • Prozessbegleitung: Seit 2006 erhalten Gewaltopfer kostenlose Unterstützung bei der Anzeigenerstattung und während des Straf- und Zivilverfahrens. Klientinnen und Klienten werden über die verschiedenen Schritte, die mit einer Anzeige oder einem Gerichtsverfahren verbunden sind, sowie über rechtliche Möglichkeiten, informiert. Prozessbegleitung inkludiert die Begleitung zur Polizei, zu Gericht und die Unterstützung bei psychischen Belastungen, die damit verbunden sind.
  • Kooperation: Die Kooperation mit befassten Einrichtungen ist die Voraussetzung dafür, dass Synergien genutzt werden und abgestimmt am gleichen Ziel gearbeitet wird. Dies fängt an bei Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen. Denn viele der betroffenen Frauen benötigen dringend weiterführende Beratungen zu Scheidung Obsorge, Wohnen, Arbeit, um gewaltfrei leben zu können.

Um den Austausch mit der Exekutive zu fördern begannen Mitarbeiterinnen des Gewaltschutzzentrums ab 2019 alle Dienststellen in OÖ zu besuchen. Zudem ist das Gewaltschutzzentrum bei der Grundausbildung der Exekutivbediensteten eingebunden. Bei regelmäßigen Treffen mit den Fördergebern können Anliegen und Problemlagen erörtert werden. In der Präventionsausbildung, die gemeinsam mit den Gewaltschutzzentren durchgeführt wird, wird ein besonderer Schwerpunkt auf Gewalt in der Privatsphäre gelegt. Als weitere Maßnahme ist die Einrichtung einer Analysestelle im Bundeskriminalamt zu Tötungsdelikten an Frauen im Rahmen der Kriminaldienstreform geplant.

Durch die Kooperation mit den Beratungsstellen für Gewaltprävention ist es möglich, die Gefährdungslage gemeinsam besser einzuschätzen und die Sicherheit für die Klientinnen und Klienten zu erhöhen. Auch die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft ist von essenzieller Bedeutung. Die Expertise der Bediensteten des Gewaltschutzzentrums OÖ ist in Lehrveranstaltungen vertreten. Mitarbeiterinnen sind Mitherausgeberinnen von einschlägiger Fachliteratur.

Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit.

Gewaltschutzzentrum OÖ: 78 Prozent der 2022 betreuten Opfer waren Frauen
Gewaltschutzzentrum OÖ: 78 Prozent
der 2022 betreuten Opfer waren Frauen
© Bernhard Elbe

Ein wesentlicher Teil der Präventionsarbeit ist es, die Bevölkerung für Gewalt in der Familie und im sozialen Nahraum zu sensibilisieren, um Gewalttaten zu verhindern. Im Gesundheitsbereich werden Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen angeboten, da Ärzte und Krankenhäuser oft die ersten Ansprechpersonen für Gewaltopfer sind.
Das digitale Projekt „Hinter der Fassade“ in Kooperation mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft bietet für Menschen ab 14 Jahren Informationen und pädagogisches Material zu häuslicher Gewalt. Ein Schwerpunkt liegt darauf, Jugendliche zu stärken, indem sie die eigenen Ressourcen und Grenzen wahrnehmen und über Kinderrechte und Hilfsangebote informiert werden.
In Bezug auf Gewalt an älteren Menschen und Personen mit Beeinträchtigung ist das Gewaltschutzzentrum nun dabei ein Netz aus Expertinnen und Experten zu schaffen und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu sensibilisieren, um speziell auf die Bedürfnisse von diesen Personengruppen einzugehen.

„Perspektive:Arbeit“.

2015 startete das Gewaltschutzzentrum OÖ im Auftrag des Sozialministeriums gemeinsam mit dem Frauenhaus Linz den ersten Sozial Impact-Bond in Österreich. Das Projekt bietet Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen beim (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt oder in schwierigen Arbeitssituationen, ebenso bei Qualifizierungen. Denn finanzielle Abhängigkeit bestärkt das Machtungleichgewicht in Beziehungen und fördert dadurch Gewalt.
Gewalt kann gesundheitliche Einschränkungen, wie körperliche Verletzungen und Schmerzen sowie psychischen Folgen wie Schlafstörungen, Depressionen, Konzentrationsschwächen und dergleichen hervorrufen, was zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz führen kann.
Hinzu kommen Multiproblemlagen wie unsichere Wohnsituation, Wegfall der Kinderbetreuung, eingeschränkte Mobilität, schwierige finanzielle Situationen und fehlendes soziales Netzwerk. „Perspektive: Arbeit“ versucht überall dort anzusetzen, damit eine Integration in den Arbeitsmarkt gelingen kann.

Gewaltschutzzentrum

Rat und Hilfe

Das Gewaltschutzzentrum OÖ (www.gewaltschutzzentrum.at/oberoesterreich )
berät und unterstützt Personen, die in der Familie/im sozialen Nahraum von Gewalt betroffen sind sowie Stalkingopfer. Es bietet Hilfestellung zur Erhöhung der Sicherheit, informiert bei Betretungs- und Annäherungsverboten, einstweiligen Verfügungen und bietet Prozessbegleitung in Straf- und Zivilverfahren an. Weitere Aufgaben sind Gewaltprävention im Rahmen von Schulungen, Öffentlichkeits-, Kooperations- und Vernetzungsarbeit.

Statistik

3.311 Klientinnen und Klienten betreut

2022 betreute das Gewaltschutzzentrum OÖ 3.311 Klientinnen und Klienten. Davon wurden 2.426 durch die Exekutive aufgrund eines Betretungs- und Annäherungsverbotes überwiesen.
78 % der Opfer sind Frauen, die zu 89 % der Gewalt von Männern ausgesetzt sind. Männliche Opfer waren zu 76 % Opfer von männlicher Gewalt. 63 % der Opfer waren österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger, 16 % EU-Bürgerinnen und -bürger. 54 % der Täterinnen und Täter waren österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger, 15 % EU-Bürgerinnen und -Bürger.
Die Klientinnen und Klienten des Gewaltschutzzentrums OÖ zeigten 2022 1.803 Gewaltdelikte an (Körperverletzung 736, gefährliche Drohungen/Nötigungen 665, beharrliche Verfolgung = Stalking 170, Vergewaltigungen 42, sexueller Missbrauch 28, fortgesetzte Gewaltausübung 71, versuchte/r Morde/Totschlag 9).


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2024

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