Interview

„Wertebasierte Führung“

Christian Klezl, Senior Vice-President und Managing-Partner bei Kyndryl, über das neue Programm des Bundesministeriums für Inneres (BMI) zur Führungskräfteentwicklung.

Wie bewerten Sie das BMI-Konzept von „Erfolgreich Führen“?

Christian Klezl: „Empathie ist für eine Führungskraft ein ganz zentraler Punkt.“
Christian Klezl: „Empathie ist für eine
Führungskraft ein ganz zentraler Punkt.“
© Alexander Tuma


Unter der Führung der Gruppenleiter Wilhelm Sandrisser und Wolfgang Taucher beschreitet das Programm „Erfolgreich Führen – Reflektieren, Erkennen, Weiterentwickeln“ neue Wege in Sachen Führungskräfteentwicklung im Innenministerium, wie ich es sonst nur aus der internationalen Privatwirtschaft kenne. Dies betrifft sowohl die Didaktik als auch die eingesetzte Man- und Womanpower: Es konnten weltweit renommierte Referentinnen und Referenten aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie zentrale Verantwortliche und Fachexpertinnen und -experten des BMI als Inputgebende gewonnen werden – ein Team der besten Köpfe sozusagen. Dabei ist man vom klassischen Beschulungskonzept mit einem Frontalunterricht im Klassenraum weggegangen zu einem interdisziplinären Austausch und Diskurs. Mit „Erfolgreich Führen“ hat das BMI – und das ist jetzt keine Übertreibung – in Österreich wirklich etwas Einzigartiges geschaffen.

Welche Inhalte vermittelt das Führungskräfte-Entwicklungsprogramm?
Das Fortbildungsportfolio ist breit gefächert. Neben grundlegenden Modulen, die sich den Themen Führung und relevanten inhaltlichen Entwicklungen, wie etwa gesellschaftlichen Trends widmen, wird auf thematische Vertiefungsmöglichkeiten in individuellen Erweiterungsmodulen abgezielt. Zudem beinhaltet das Programm weitere Elemente, wie Potenzialanalysen, Coaching, Hospitationen und Mentoring. Ich erachte es auch als sehr sinnvoll, dass sich die Teilnehmenden mit neuen Ansätzen und Modellen im Bereich Führung, wie etwa „Positive Leadership“ auseinandersetzen können.

Wozu werden Führungskräfte mit „Erfolgreich Führen“ befähigt?
„Erfolgreich Führen“ vereint strategisches Denken mit wertebasiertem Agieren in einem internationalen Kontext. Gerade in einer politisch geführten Institution wie dem Innministerium sind diese Grundpfeiler essenziell. Etwas kokett formuliert: Politiker und deren Prioritäten ändern sich, die Führungskräfte des Innenministeriums sind eine Konstante. Daher muss ich eine wertebasierende Führungskultur schaffen, die nicht nach dem klassischen „Command and Control“ funktioniert. Selbstverständlich ist und bleibt eine hierarchische Weisungskette ein wesentlicher Aspekt im Sicherheitsbereich. Gerade aber in Krisenzeiten benötigt man eine Führungsebene, die an die gemeinsame Strategie glaubt und das Verhalten von Mitarbeitenden, etwa Exekutivorganen, wertebasiert steuert.

An wen richtet sich der Lehrgang und wie bewerten Sie die Zielgruppe?
Er richtet sich an bestehende Führungs- sowie talentierte Nachwuchskräfte. Mir gefällt die Durchmischung. Auch damit wird ein neuer Ansatz verfolgt: Das vorhandene Potenzial der BMI-Bediensteten soll insgesamt genutzt und ausgebaut werden.

Was ist Ihre Rolle bei „Erfolgreich Führen“?
Als international tätiger Manager bin ich für einen praxisnahen Teil von „Erfolgreich Führen“ verantwortlich und fokussiere dabei insbesondere auf die Entwicklung und Umsetzung von Strategien sowie die Bedeutung von Werten für Organisationen und Menschen. Aus dieser Rolle heraus wirke ich an dieser neuen und wie ich finde höchst innovativen Art der gezielten Führungskräfteentwicklung im Innenministerium mit. Als Auslandsösterreicher bringe ich gerne auch meine Expertise auf dem internationalen Managementparkett ein.

Wann ist eine Führung „erfolgreich“?
Vereinfacht gesagt, wenn man einen Multiplikationseffekt erreicht. Erfolgreich zu führen heißt für mich, dass die von mir gelebte und vorgegebene strategische Richtung über individuelle Identifikation umgesetzt wird und sich dadurch multipliziert. Im Gegensatz zu „Command-and-Control“, wo Mikromanagement und ständige Überprüfung im Vordergrund stehen, geht es bei einer erfolgreichen Führung nicht nur um taktische Inhalte, sondern auch strategisch und kulturell wertebezogene Aspekte, die in sich robust und konsistent sein müssen. Was meine ich damit? Wenn beispielsweise eine Großdemonstration stattfindet, muss sich der Landespolizeidirektor darauf verlassen können, dass die Führungskräfte der Einsatzleitung intuitiv wissen, wie sie auf bestimmte Situationen angemessen reagieren. Wenn man im Einsatzfall erst mit Überzeugungsarbeit beginnen muss, wird das nicht zum Erfolg führen.

Kann grundsätzlich ein jeder bzw. eine jede lernen, erfolgreich zu führen?
Ja, auch wenn nicht jede bzw. jeder zur Führungskraft geboren ist. Grundsätzlich kann aber jede und jeder, der Führungskraft ist oder Führungskraft sein möchte, auch lernen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effektiver zu führen.

Was sind die zentralen Skills, die man heutzutage als Führungskraft benötigt?

Christian Klezl: „,Erfolgreich Führen vereint strategisches Denken mit wertebasiertem Agieren im internationalen Kontext.“
Christian Klezl: „,Erfolgreich Führen vereint strategisches
Denken mit wertebasiertem Agieren im internationalen
Kontext.“ © Privat


Empathie ist ein ganz zentraler Punkt. Ich muss verstehen, was mein Gegenüber will und wie er oder sie „funktioniert“. Wenn ich erreichen möchte, dass sich meine Ideen „multiplizieren“, schaffe ich das nur, wenn ich die Person gegenüber von ihrem jeweiligen Standpunkt abhole.
Zweitens: zuhören. Viele Führungskräfte denken: Je mehr ich rede, desto besser bin ich – das stimmt aber nicht. Darüber hinaus ist eine klare und konsistente Kommunikation sehr wichtig. Ich kann als Führungskraft in identen Situationen nicht heute nach rechts und morgen nach links gehen wollen. Führung muss verlässlich sein, gerade in einem staatstragenden Umfeld wie dem Innenministerium.

Welche Rolle spielen sozikulturelle Einflussfaktoren auf Führungsverhalten?
Eine große Rolle und das hat viel mit der erwähnten Empathie zu tun. In Japan beispielsweise herrscht ein gänzlich anderes Kulturverständnis als in angelsächsischen oder europäischen Unternehmen. In Japan sind insbesondere Ehre und Respekt ganz zentrale Werte. Die Schattenseite davon ist, dass sich niemand eine Blöße geben möchte.
Bei der Nuklearkatastrophe von Fukushima gab es internationale Angebote, der japanischen Industrie unterstützend zur Seite zu stehen – die Verantwortlichen vor Ort haben diese aber zunächst abgelehnt, um keine Schwäche zu zeigen. Dieses Beispiel zeigt auch, dass man mit einem europäischen Führungsansatz nicht überall auf der Welt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewegen kann. Führung heißt ja nicht nur selbst anzuführen, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt fühlen – das ist ein ganz wichtiger Aspekt, der gerade auch bei kulturellen Unterschieden starke Empathiefähigkeiten voraussetzt.

Was sollte eine Führungskraft niemals tun?
Der größte Fehler ist anzunehmen, dass man selbst alles weiß und kann. Man sollte sich mit Leuten umgeben, die im jeweiligen Fachbereich mehr können als man selbst. Angst vor zu hoher Kompetenz im eigenen Team ist eine enorme Schwäche. Man sollte versuchen ein Team aus Spitzenkräften zu orchestrieren und nicht selber die Trommel schlagen zu wollen. Die erfolgreichsten strategischen Führer standen immer in der Mitte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man darf sich nicht auf die Kommandobrücke zurückziehen, sondern muss für alle sichtbar bleiben.

Wie würden Sie ihren eigenen Führungsstil beschreiben?
Ich bin stark partizipativ. Das heißt, ich versuche nicht zu überreden, weder über Hierarchie noch über die Macht von Titeln oder Positionen. Ich bin ein klassischer Überzeugungstäter, der stark argumentativ versucht, einen Funken überspringen zu lassen. Sowohl in der internen Führung als auch im Dialog mit Partnern geht es mir darum, dass mein Gegenüber die Ziele und Beweggründe meines Handelns versteht. Am meisten motiviert mich Führungskraft zu sein, wenn mir meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Aufmerksamkeit schenken, zuhören, meine Argumente teilen und deren Wirkung durch ebenso begeistertes Handeln verstärken.

Was würden Sie angehenden Führungskräften empfehlen?
Abgesehen von der Teilnahme an ,Erfolgreich Führen’, stets offen zu bleiben. Wenn jemand heute glaubt, mit seinem beruflichen Eintritt am Ziel zu sein, liegt er oder sie daneben. Führung ist immer eine Reise, bei der man Offenheit, Empathie, Wissbegierde und Respekt gegenüber anderen mit im Gepäck haben sollte.

Interview: J. B./W. S.

Zur Person

Christian Klezl ist Senior Vice-President und Managing-Partner bei Kyndryl. Er war zuvor für die Initiative „Smarter Planet“ in der IBM-Unternehmensstrategie verantwortlich und leitete u. a. als Teil des europäischen Führungsteams das Cloud-Computing-Geschäft von IBM. Er kam 1998 zu IBM und hatte verschiedene Führungspositionen inne. Bevor er zu IBM kam, arbeitete Klezl im IT-Vertrieb und Marketing, als Unternehmer und Berater für Firmenkunden sowie als Manager eines europäischen PR-Netzwerks. Klezl studierte an der Technischen Universität Wien. Er hat einen Abschluss in Marketing, ein Diplom in Management und einen MBA vom Henley Management College, Großbritannien.

Führungskräfteentwicklung

Programm „Erfolgreich Führen – Reflektieren, Erkennen, Weiterentwickeln“

Individuelle Weiterentwicklung, Praxisbezug, gezielte Förderung: Darum geht es unter anderem in dem neuen, zweijährigen Programm für die Führungskräfteentwicklung im BMI „Erfolgreich Führen – Reflektieren, Erkennen, Weiterentwickeln“. Dieses läuft seit März 2023. Es soll zur Positionierung des BMI als moderner Arbeitgeber beitragen und beinhaltet eine Reihe unterschiedlicher Entwicklungsmaßnahmen. Dazu zählen eine individuelle Potenzialanalyse für alle Teilnehmenden, darauf aufbauende persönliche Coaching-Einheiten, gemeinsame Basismodule mit externen Top-Beitragenden (aus Wissenschaft, Unternehmen und Institutionen), frei wählbare Erweiterungsmodule, eine Hospitation in einer anderen Organisation sowie weiterführende Angebote, etwa eine Networking-Plattform, Mentoring oder Leadership-Days. Jedes Jahr starten 4 Durchgänge mit jeweils 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Führungskräfte des BMI, Stadt- und Bezirkspolizeikommandanten sowie an Führungsfunktionen interessierte Bedienstete, die sich nach mindestens dreijähriger Praxiserfahrung insbesondere durch außergewöhnliche Leistungen qualifizieren, sind Zielgruppen des Programms „Erfolgreich Führen“. Aufbauend auf bereits erfolgte akademische Ausbildungen oder absolvierte Lehrgänge sollen A1/v1- und E1-Bedienstete des Innenressorts befähigt werden, Führungsfunktionen bestmöglich wahrzunehmen.
Entwickelt wurde das neue Programm zur Führungskräfteentwicklung unter der Leitung von Wolfgang Taucher, Leiter der Gruppe I/B (Personal und Organisation) und Wilhelm Sandrisser, Leiter der Gruppe I/A (Sicherheitspolitik, Psychologischer Dienst, Sicherheitsakademie) im BMI – wobei viele Stakeholder mitgewirkt haben.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2024

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