True Crime

„Mythos“ Jack Unterweger

30 Jahre nach dem Tod fasziniert die Geschichte des Serienmörders Jack Unterweger noch immer viele Menschen. In zwei neuen Büchern beschäftigen sich Autoren in literarischer Form mit dem Phänomen Jack Unterweger.

Das Urteil am 28. Juni 1994 im Landesgericht Graz lautete auf lebenslange Freiheitsstrafe für Johann Unterweger, genannt „Jack“, wegen neunfachen Mordes, verübt an Prostituierten in Österreich, der damaligen Tschechoslowakei und den USA. Am nächsten Morgen wurde der „Häfenpoet“ in seiner Zelle im Landesgericht Graz tot aufgefunden; erhängt mit Schuhbändern und der Kordel seines Trainingsanzugs. Jack Unterweger war einer der bekanntesten Mörder Österreichs der Nachkriegszeit. Seine lebenslustige Mutter kümmerte sich nicht um ihn und sein Vater war ein amerikanischer Besatzungssoldat, den er nie kennen gelernt hatte. Aufgewachsen in Heimen, bei seinem Großvater und bei Pflegemüttern wurde „Hansi“ schon als Jugendlicher kriminell. Er brach die Lehre ab und wurde ein gewalttätiger Zuhälter. 1974 wurde er als 24-Jähriger wegen eines besonders brutalen Mordes an einem 18-jährigen Mädchen zu lebenslanger Haft verurteilt. Er dürfte auf ähnliche Weise eine zweite Frau ermordet haben, wegen dieser Tat wurde er nicht angeklagt. Unterweger holte in der Haft den Hauptschulabschluss nach und begann, literarische Texte zu veröffentlichen. Intellektuelle, viele „bürgerliche“ Frauen sowie der damalige Leiter der Justizanstalt Krems-Stein unterstützten den schreibenden Häftling, der bald als „Musterbeispiel einer geglückten Resozialisierung“ galt. Niemand kam auf die Idee, zu überprüfen, ob er wirklich der Urheber „seiner“ Texte war. Auch die Erzählungen über seine harte Kindheit wurden unkritisch für wahr gehalten und zitiert.
Nach 16 Jahren im Gefängnis wurde Unterweger 1990 auf Bewährung entlassen. Er sonnte sich in der Gesellschaft, hielt Lesungen und arbeitete auch als Journalist. Er verstand es, Menschen zu überzeugen und zu manipulieren. Vor allem Frauen suchten seine Nähe. Bald nach Unterwegers Freilassung wurden in Österreich, in der damaligen Tschechoslowakei und in den USA die Leichen von Prostituierten aufgefunden. Die Opfer waren fast alle mit einem eigenen Kleidungsstück erdrosselt worden. Zur Tatzeit befand sich Unterweger immer in der Nähe der Tatorte. Als sich der Verdacht gegen ihn verdichtete, flüchtete er in die USA, wo er am 27. Februar 1992 festgenommen wurde. Elf Frauenmorde wurden angeklagt; wegen neun Morden wurde er erstinstanzlich verurteilt. Ein wesentliches Indiz war eine Faserspur, die im Auto des Angeklagten gefunden worden war, und die von der Kleidung eines Opfers herrührte.

„Mordsmann“.

Literarische Aufarbeitung des Serienmörders Jack Unterweger: Autoren Ernst Geiger („Mordsmann“) und Malte Herwig („Austrian Psycho“)
Literarische Aufarbeitung des Serien-
mörders Jack Unterweger: Autoren Ernst
Geiger („Mordsmann“) und Malte Herwig
(„Austrian Psycho“) © BMI, Christina Körte

30 Jahre nach seinem Tod fasziniert die Lebensgeschichte von Jack Unterweger noch immer viele Menschen. Einige weibliche Fans glauben nach wie vor an seine Unschuld. Mehrere Sachbücher und True-Crime-Dokus, zwei Theaterstücke und ein Kinofilm sind über den Serienmörder erschienen. Nun gibt es zwei weitere Werke, in denen das Phänomen Jack Unterweger literarisch verarbeitet wurde.
Autor des Thrillers „Mordsmann“ ist Ernst Geiger, der schon über zwei aufsehenerregende Wiener Kriminalfälle Krimis geschrieben hat – über die „Mädchenmorde in Favoriten“ („Heimweg“) und den Raub der Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien („Goldraub“). Geiger war zur Zeit der Prostituiertenmorde stellvertretender Vorstand des Wiener Sicherheitsbüros, stand der „Mordgruppe vor sowie 1992 der Sonderkommission zur Aufklärung der Prostituiertenmorde. Geiger trat 2017 in den Ruhestand, davor war jahrelang Leiter der Abteilung im Bundeskriminalamt zur Bekämpfung der allgemeinen und organisierten Kriminalität, Er kennt genau die Fakten über Jack Unterweger, den Mörder, der sich nicht ändern konnte. Das Werk ist an sich faktentreu; aus dramaturgischen und rechtlichen Gründen hat der Autor einige Namen, Orte und Begebenheiten geändert, mehrere Personen in eine Figur verpackt und eine fiktive Psychologin in die Story eingebaut. Ihre Aussagen stammen aus gerichtspsychiatrischen Gutachten.

„Dokumentarische Erzählung“.

Das zweite Unterweger-Buch stammt vom Hamburger Journalisten, Autor und Podcast-Gestalter Malte Herwig. Seine „dokumentarische Erzählung“ mit dem Titel „Austrian Psycho“ ist das Ergebnis seiner jahrelangen Recherchen über den faszinierenden Mörder, über den Er hat Akten und Dokumente eingesehen, mit Unterweger-Freundinnen und anderen Zeitzeugen gesprochen und Fakten hinterfragt. Der Autor wies nach, dass Unterweger viele Textstellen „abgekupfert“ hat, vor allem aus Büchern der Gefängnisbibliothek in Stein. Malte Herwigs Protagonist in „Austrian Psycho“ ist ein anonymer Ich-Erzähler, der den Fall Unterweger Revue passieren lässt, von der ersten Lesung des Häftlings 1983 bis zu dessen Suizid. Dramaturgisches Detail: Auch der Erzähler erlebt das Erscheinen des Buches nicht.

W. S.

Ernst Geiger: Mordsmann. Thriller. Nach wahren Begebenheiten. edition a, Wien 2024. www.edition-a.at 
Malte Herwig: Austrian Psycho. Jack Unterweger. Molden Verlag in der Verlagsgruppe Styria, Wien 2024. www.styriabooks.at 


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2024

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