Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu den Themen Beförderereigenschaft im Gefahrgutrecht, Erkennbarkeit eines Gehsteigs und Anwendungsbereich eines Nachtfahrverbotes

Beförderereigenschaft im Gefahrgutrecht

Gefahrgutbeförderung: Um als Beförderer wegen bestimmter Übertretungen des GGBG verantwortlich zu sein, darf ein Unternehmer nicht bloß das Transportfahrzeug samt Fahrer einem anderen zur Verfügung gestellt haben, sondern muss über die Transportabwicklung selbst disponieren können
Gefahrgutbeförderung: Um als Beförderer wegen bestimmter
Übertretungen des GGBG verantwortlich zu sein, darf ein
Unternehmer nicht bloß das Transportfahrzeug samt Fahrer
einem anderen zur Verfügung gestellt haben, sondern muss
über die Transportabwicklung selbst disponieren können
© Werner Sabitzer

Mit Straferkenntnis vom 27. Juli 2022 verhängte die Bezirkshauptmannschaft (BH) Salzburg-Umgebung gegen den verantwortlichen Beauftragten eines in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) betriebenen Beförderungsunternehmens zwei Geldstrafen, weil dieses die Beförderung von Gefahrgut entgegen § 13 Abs. 1a Z 3 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG) ohne ausreichende Sicherung und entgegen § 13 Abs. 1a Z 2 GGBG ohne Mitführen des erforderlichen Beförderungspapiers durchgeführt hatte (§ 37 Abs. 2 Z 8 GGBG).
Das LVwG Salzburg wies die hiergegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Beförderer – und damit Adressat der von der BH Salzburg-Umgebung angewendeten Strafbestimmung – sei gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 GGBG jenes Unternehmen, das die Beförderung mit oder ohne Beförderungsvertrag durchführt. Da das betreffende Transportfahrzeug ausschließlich zur Disposition der AG gestanden habe, sei diese als Beförderer anzusehen. Dass eine GmbH Zulassungsbesitzer dieses Fahrzeugs war und es der AG samt Lenker zur Verfügung gestellt hatte, spiele mangels jedweden Einflusses dieser GmbH auf die konkrete Transportabwicklung ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass die GmbH über eine Güterbeförderungskonzession verfügt und allfällige Schäden aus dem Verantwortungsbereich des Lenkers im Rahmen der CMR-Versicherung der GmbH abgewickelt wurden. Das Vorbringen des verantwortlichen Beauftragten in der mündlichen Verhandlung, die GmbH sei ein selbstständiger Subfrächter und als solcher anstelle der AG verantwortlich, gehe daher ins Leere.
Die Revision des verantwortlichen Beauftragten hatte keinen Erfolg. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofes: Beförderer nach gefahrgutrechtlichen Bestimmungen ist, wer sich zur Beförderung des Gefahrgutes vertraglich verpflichtet hat, also als Frachtführer im Sinn des § 425 UGB tätig wird, oder die Beförderung ohne Vertrag durchführt. Kein Frachtvertrag, sondern nur ein Lohnfuhrvertrag liegt hingegen vor, wenn ein Unternehmer sich nicht zur Verbringung einer Sache an einen anderen Ort, sondern nur dazu verpflichtet hat, ein Fahrzeug samt Fahrer zur beliebigen Ladung und Fahrt nach Weisung des Auftraggebers zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Unternehmer ist nicht Beförderer im Sinn des GGBG. Im Beweisverfahren vor dem LVwG Salzburg wurden der Geschäftsführer der GmbH, deren Gefahrgutbeauftragter und der Lenker des Transportfahrzeugs einvernommen. Dabei kam unter anderem hervor, dass die Beladung der zur Verfügung gestellten Fahrzeuge regelmäßig auf dem Betriebsgelände der AG stattgefunden hatte, die Lenker von dieser ihre Anweisungen entgegengenommen hatten sowie Zustellungen und Abholungen von dieser disponiert worden waren.
Dass das LVwG Salzburg die zwischen der GmbH und der AG bestehende Vereinbarung als Lohnfuhrvertrag eingestuft und folglich letztere als – verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen – Beförderer behandelt hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.
VwGH Ra 2023/03/0093,
4.9.2023

Erkennbarkeit eines Gehsteigs

Mit Straferkenntnis vom 12. Jänner 2023 verhängte die Bürgermeisterin von Graz gegen den Lenker eines Motorrades eine Geldstrafe, weil er dieses in unmittelbarer Nachbarschaft des Marktgebietes am Lendplatz in Graz entgegen dem Benützungsverbot für Gehsteige gemäß § 8 Abs. 4 StVO abgestellt hatte, ohne sich auf eine der in dieser Bestimmung näher genannten Ausnahmen berufen zu können (§ 99 Abs. 3 lit. a StVO).
Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Steiermark gab der hiergegen erhobenen Beschwerde statt, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Zur Begründung führte es unter Hinweis auf ein der Anzeige beiliegendes Foto aus, dass die Abstellfläche des Motorrades mit dem Marktgebiet, von dem sie sich ihrer Bodengestaltung nach nicht unterscheide, eine einheitliche, durch Randsteine durchgehend umschlossene Grundfläche bilde. Mangels näherer Aufschlüsse der belangten Behörde, die ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, sei dem Foto zu entnehmen, dass die Ausführungsart der Abstellfläche nicht der Grazer Gehsteigverordnung entspricht, der zufolge für Gehsteige, die nicht an Gebäude, Zaunsockel oder dergleichen anschließen, als Abschluss eine Leiste oder Saumschar aus hartem Material außerhalb der Gehfläche anzulegen ist. Wegen Fehlens eines solchen Abschlusses und aufgrund der einheitlichen Bodengestaltung sei der Abstellort für den Lenker nicht eindeutig als Teil eines Gehsteigs erkennbar gewesen. Mangels Verschuldens sei das Straferkenntnis daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (§ 45 Abs. 1 Z 2 VStG).
Die Bürgermeisterin erhob Revision und war erfolgreich. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofes: § 2 Abs. 1 Z 10 StVO definiert einen Gehsteig als einen für den Fußgängerverkehr bestimmten, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dergleichen abgegrenzten Teil der Straße. Ob eine Fläche ein Gehsteig ist, hängt nur von äußeren, für jedermann deutlich erkennbaren Merkmalen ab, nicht aber davon, ob sie auch gemäß den Vorgaben der Gehsteigverordnung – die nur baurechtliche, aber keine straßenpolizeilichen Vorschriften enthält – ausgeführt ist.
Das LVwG Steiermark hat unter anderem festgestellt, dass der Tatort auf einer durch Randsteine umschlossenen und damit von der Fahrbahn getrennten Fläche liegt. Wieso es für den Lenker dann aber nicht erkennbar gewesen sein soll, dass diese Fläche für den Fußgängerverkehr bestimmt ist (vgl. zu der hier zu beurteilenden Verkehrsfläche bereits das Erkenntnis vom 26. August 2020, Ra 2019/ 02/0118), lässt sich nicht nachvollziehen. Das Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
VwGH Ra 2023/02/0143,
5.10.2023

Anwendungsbereich eines Nachtfahrverbotes

Die BH Kufstein verhängte gegen den Lenker eines Lkw am 14. Dezember 2021 zwei Geldstrafen. Sie legte ihm unter anderem zur Last, dass er zur Tatzeit auf der Inntalautobahn (A 12) einen Lkw mit Sattelanhänger, dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht insgesamt mehr als 7,5 Tonnen betrug, entgegen § 30 Abs. 1 Z 4 des Immissionsschutzgesetzes – Luft (IG-L) unter Verstoß gegen ein mit Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol (LGBl. Nr. 121/2020) verfügtes Nachtfahrverbot gelenkt hatte.
Das LVwG Tirol wies die hiergegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, dass der Lenker in dem Sattelanhänger 20,7 Tonnen Lebensmittel vom Landkreis Mühldorf am Inn (Oberbayern) in die italienische Provinz Caserta (Region Kampanien) sowie eine ca. 25 kg schwere Palette als Leergut vom Landkreis Rosenheim (Oberbayern) nach Sterzing in der Südtiroler Bezirksgemeinschaft Wipptal transportiert hatte. Die Verordnung des Landeshauptmannes definiere zwar sowohl den Landkreis Rosenheim als auch die Bezirksgemeinschaft Wipptal als Teile der erweiterten Zone und nehme Fahrten zur dortigen Be- und Entladung mit Kraftfahrzeugen wie jenem des Lenkers vom Nachtfahrverbot aus. Auf diese Ausnahme könne sich der Lenker aber nicht berufen. Denn einerseits setze eine Be- und Entladung im Sinne dieser Verordnung voraus, dass das Gewicht der Ladung nicht bloß geringfügig ist, was auf eine 25 kg schwere Palette nicht zutreffe. Außerdem habe der Landeshauptmann in einer späteren Fassung der Verordnung (LGBl. Nr. 141/2021) klargestellt, dass die Ausnahme nur dann greift, wenn auch der überwiegende Teil der Ladung in der erweiterten Zone be- und entladen wurde; auch davon könne angesichts der 20,7 Tonnen Lebensmittel, deren Ursprungs- und Zielort jeweils außerhalb der erweiterten Zone liegt, keine Rede sein.
Die Revision des Lenkers hatte keinen Erfolg. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtshofes: Die Strafbarkeit des Lenkers lässt sich zwar nicht damit begründen, dass der überwiegende Teil der Ladung in der erweiterten Zone be- und entladen worden sein muss und dies im gegenständlichen Fall nicht zutreffe. Denn die Verordnung, die diese Klarstellung traf (LGBl Nr. 141/2021), trat erst nach dem Tatzeitpunkt in Kraft. Eine rückwirkende Anwendung dieser Voraussetzung würde die Ausnahme vom Nachtfahrverbot einschränken und im Ergebnis zu einer Ausweitung der Strafbarkeit entgegen dem Rückwirkungsverbot (§ 1 Abs. 1 VStG) führen.
In Bezug auf eine Verordnung der Tiroler Landesregierung über ein Lkw-Fahrverbot auf der Fernpassstraße (B 179) hat der Verwaltungsgerichtshof – ausgehend von der Entstehungsgeschichte dieser Verordnung und dem darin verwendeten Begriff des „Quellverkehrs“ – allerdings im Erkenntnis vom 27. Juni 2014, 2012/02/0129, bereits ausgesprochen, dass eine „Beladung“ die Aufnahme einer nach Ausmaß und Gewicht nicht bloß geringfügigen Last voraussetzt. Die hier anzuwendende Verordnung gleicht der Verordnung der Tiroler Landesregierung in ihrem Wortlaut, weshalb dieses Erkenntnis auf den gegenständlichen Revisionsfall übertragbar ist.
Im Ergebnis sind die BH Kufstein und das LVwG Tirol also zu Recht von einem – nach § 30 Abs. 1 Z 4 IG-L strafbaren – Verstoß gegen die Verordnung des Tiroler Landeshauptmannes ausgegangen. Die Revision war daher als unbegründet abzuweisen.
VwGH Ro 2022/07/0011,
19.10.2023

Bernhard Krumphuber


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2024

Druckversion des Artikels (PDF 232 kB)